Die wichtigste Botschaft ist eine Entwarnung: Flörsheim bleibt sein ältester Verein bis auf Weiteres erhalten. Gerüchteweise wollte der GV Sängerbund bei seiner Mitgliederversammlung am vergangenen Donnerstag seine Auflösung in die Wege leiten. Die Sitzung war, wie immer beim Sängerbund, nicht öffentlich, wie das Thema Zukunft des durch seine Altersstruktur herausgeforderten Vereins intern diskutiert wurde, ist daher nicht näher bekannt. Pressesprecher Günther Chwalek fasst das Ergebnis wie folgt zusammen: „Man weiß nie, was in Zukunft geschieht, viele Vereine haben die Probleme, die wir haben“, sagte er. „Aber wir sind immer noch fest entschlossen weiterzumachen.“
Was die Gerüchte auslöste, war die Absicht des Vorstandes um die Vorsitzende Ute Vogel, bei der Sitzung die Satzung zu ändern, um sie für den Falle der Fälle zu wappnen. Die enthielt bisher einen Passus, aus dem man ablesen konnte, dass die Auflösung des Vereins nur bei der Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern vonstatten gehen kann. Diese Formulierung (Paragraf 12 der Satzung) wurde nun tatsächlich gestrichen. Es wäre aber schon aus einem Grund zu weit hergeholt anzunehmen, dass dieser Schritt etwas mit einer aktuellen Planung des Vereins zu tun hätte: Der Verein ist mit immer noch 83 Mitgliedern weit davon entfernt, dass sich im Bedarfsfall keine vier Menschen zusammenfinden könnten um einen Schlussstrich unter aktuell 176 Jahre Gesangsvereinsgeschichte zu setzen.
Das Problem des GV Sängerbund ist die stark zusammengeschrumpfte Anzahl aktiver Männer und Frauen, die es immer schwieriger machte, Auftritte mit dem gepflegten Selbstanspruch zu leisten. Konsequenterweise zieht der Verein nun einen Schlussstrich unter seine bekannteste öffentliche Veranstaltung, das seit Jahrzehnten am Vorabend des Verlobten Tages gegebene Vermächtniskonzert in der Kirche St. Gallus. Das abzuhalten hatte der Verein sich – freilich auf einer ganz anderen Basis, was die Anzahl der aktiven (damals noch ausschließlich männlichen) Sänger angeht - im Jahr 1947 geschworen. 2022 gab es die Traditionsveranstaltung zum 74. Mal.
Eigentlich war es keine schlechte Lösung, dass der GV Sängerbund in den vergangenen Jahren dazu überging, bei den Vermächtniskonzerten mit anderen Chören und Gruppen zu kooperieren. So unterstützte im vergangenen Jahr der Gemischte Chor des GV Eintracht Würges das Programm, zudem der Musikverein Flörsheim. Letzterer ist es auch, der nach dem Wunsch des GV Sängerbund die Tradition übernehmen soll – es muss ja nicht gleich wie seinerzeit 1947 auf Basis eines Schwures geschehen. Der Musikverein habe bereits zugestimmt, teilte der Vorstand mit.
„Beim Vermächtniskonzert ist es notwendig mit einen größerem Chor aufzutreten, der nicht nur mehrstimmig ist, jede Stimme muss auch mehrfach besetzt sein“, erläutert Chwalek. „Wir sind zu der Auffassung gekommen, nicht fremde Kräfte in Anspruch nehmen zu wollen und gehen davon aus, dass unsere Situation nicht besser wird.“ Wenn der Sängerbund mit allen aktiven Männern und Frauen zusammenkommt, besteht dieser Gemischte Chor aktuell aus gerade 16 Sängerinnen und Sängern (neun Frauen, sieben Männer).
In der Mitgliederversammlung wurde zur Diskussion gestellt, ob es andere Ansätze und Ideen gibt, um die Durchführung des Vermächtniskonzert zu retten, doch auch da kam keine Lösung zustande. „Wir müssen die öffentlichen Auftritte inzwischen auf ein Minimum beschränken, aber es macht immer noch Freude“, betont Chwalek, dass die Aktiven alles andere als ihres Hobbys müde seien – aber es ist eben eine Anpassung an die Gegebenheiten notwendig.
„Geselligkeit hat bei uns immer schon eine wichtige Rolle gespielt, wie etwa ein gemeinsames Grillen“, sieht der Sprecher das Vereinsleben jenseits der Chorauftritte voll intakt. „Wir sind guten Mutes und fühlen uns gut aufgehoben in unserem Verein, der uns auch die gesellschaftliche Bindung bringt.“ Die Umkehr der Entwicklung wäre der Königsweg gewesen um das Schrumpfen aufzuhalten, das kein Phänomen der jüngsten Jahre ist. Einstmals verzeichnete der GV Sängerbund aktive 100 Männer. Chwalek verweist jedoch auf die Auflösung des Liederkranzes, um zu zeigen, dass es nicht zum ersten Mal einen Flörsheimer Gesangsverein treffen würde, sollte es zur Auflösung kommen. „Wir haben in den vergangenen Jahren allerlei Aktionen gestartet, mit Flyern und Anrufen – das hat leider auch nicht dazu geführt, dass Nachwuchs kommt, nur mal vereinzelt“, berichtet der Sprecher. Die Anzahl der Aussteiger aus Altersgründen hat diese gelegentlichen Neuzugänge stets überstiegen.
Die Gesangsvereine in den noch eher dörflichen Stadtteilen Wicker und Weilbach haben es seiner Meinung nach etwas einfacher sich zu halten. Die soziale Struktur in der Stadtmitte sei doch eine ganz andere. „In Flörsheimer sind auch die Zuziehenden fast nie Menschen, für die es in Frage kommt, in einen Gesangsverein zu gehen.“
Bei der Jahreshauptversammlung wurde auch der Vorstand zum Teil gewählt. Edeltraud Melchior bleibt zweite Kassiererin und Archivarin, Martina Heinricht ist Sprecherin des Chores, Günther Chwalek bleibt Pressesprecher. Ingelotte Haas und Annelie Zobel wurden als Kassenprüferinnen gewählt. Festgelegt wurde auch, dass die wöchentlichen Singstunden unter Dirigentin Solveig Wagner wie gehabt beibehalten werden.
Ein einschneidender Schritt, allerdings eher wirtschaftlicher Natur als das Vereinsleben betreffend, wird die Trennung des Vereins von seiner Immobilie in der Wickerer Straße. Der Sängerbund will sich schlicht nicht mehr mit den Bürden und Aufgaben als Vermieter herumschlagen, konkret „kostenbelastende Umstände und lang anhaltende Probleme mit zwei Mietern“. Der Vorstand „wurde beauftragt, den Verkauf abzuwickeln“, berichtet Chwalek.
Termine und Auftritte
Und so sieht das Veranstaltungsprogramm des GV Sängerbundes unter den beschriebenen Rahmenbedingungen in diesem Jahr aus:
21. Mai:Teilnahme am Frühjahrskonzert des Gesangvereins in Orlen
Im Juli: Tagesausflug.
29. Juli: Familiennachmittag mit Grillen
7. Oktober:Traditioneller Familienabend
26. November: Totengedenkfeier für verstorbene Mitglieder
10. Dezember:Adventssingen im Hospiz und im Eduard Schwerzel-Haus.
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