Gefahrenlage nicht hinreichend belegt

Frankfurter Verwaltungsgericht gibt Anwohnerin im Eilverfahren Recht - Bauhof mit Abbau beauftragt

Zwei Pfosten zu viel auf Flörsheims Straßen: So sieht es das Verwaltungsgericht mangels Nachweis der Stadt, dass die Sperrung der Jahnstraße notwendig war. Sie sind schon abgebaut.

Eine städtische Straße wegen einer behaupteten Problemlage für den Autoverkehr zu sperren ist das eine, den erhofften positiven Effekt durch diesen Schritt ein Jahr lang nicht mit Daten zu belegen, das andere. Im Ergebnis kassierte die Stadt Flörsheim nun vom Verwaltungsgericht Frankfurt ein Urteil, laut dem die Sperrung der Jahnstraße auf Höhe des Fußgängerüberwegs am Alten Friedhof rechtswidrig ist.

Die Kammer gab am Montag damit einem Eilantrag einer Anwohnerin der 2016 zur Fahrradstraße gekürten Jahnstraße recht, und das in der Begründung mit einer ganzen Latte an Vorhaltungen an die Stadtverwaltung. Am Mittwochnachmittag beriet sich Bürgermeister Bernd Blisch mit einer Rechtsberaterin und dem Ordnungsamt, um die Reaktion des Rathauses auf das Urteil besprechen.

Allerdings war glasklar, was zu tun war, denn das Verwaltungsgericht erlegte der Stadt ("Antragsgegnerin") auf, „die Sperrpfosten sowie die beiden Verkehrszeichen in der Jahnstraße – Sackgasse – sofort zu entfernen“, heißt es im Urteil. Das ordnete Blisch inzwischen an, der Bauhof hat den Weg bereits frei gemacht. Der Rechtsweg stünde zwar theoretisch offen, die Stadt könnte versuchen, das Frankfurter Urteil in nächster Instanz vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einkassieren zu lassen. Zum Einreichen einer entsprechenden Beschwerde gegen das Frankfurter Urteil gibt es eine Zwei-Wochen-Frist. Die wird die Stadt aber verstreichen lassen, war das Ergebnis der Besprechung am Mittwoch, "der Verkehrsversuch soll sowieso im April auslaufen", sagte der Bürgermeister.

Daten über die Auswirkungen der Sperre – die sollten ursprünglich in einem auf drei Monate beschränkten Feldversuch erhoben und ausgewertet werden – sind etwa den städtischen Gremien in all der Zeit nie präsentiert worden. Die Versuchseinrichtung, muss dazu gesagt werden, traf vor rund einem Jahr unvorhersehbar auf eine völlig untypische Verkehrssituation. Denn kaum waren die Pfosten aufgestellt, veränderte der erste Corona-Lockdown durch die damit verbundene Schließung der an die Straße angrenzenden Schulen und Kita die Lage dramatisch – vor allem gab es plötzlich keine Fahrrad fahrenden Kinder auf der Straße mehr, die durch die Zurückdrängung des Durchgangsverkehrs besser geschützt werden sollten.

Statt die Pfosten wieder abzubauen und den Versuch erst nach der Rückkehr in die (verkehrliche) Normalität wieder aufzunehmen, verlängerte die Stadt ihn einfach. Um solch einen Dauerzustand zu rechtfertigen, hätte die Stadt laut Gericht aber besser belegen müssen, warum die Sperre notwendig ist. Die Antragstellerin argumentierte, dass die Erprobungsphase nunmehr schon sehr lange andauere „und eine konkrete Gefahrenlage an dieser Stelle nicht zu erkennen sei“.

Das Verwaltungsgericht sehe „im Rahmen der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung“ die Sperrung für den Durchgangsverkehr als Erprobungsmaßnahme für rechtswidrig, betonen die Frankfurter Richter nun – soll heißen, sie konnten das Problem in der Straße aus dem, was die Verwaltung vortrug, nicht herauslesen. Eine nach den Regelungen der Straßenverkehrsordnung bestehende Gefahrenlage, die zu weiteren Verkehrseinschränkungen führen könne, sei „von der Antragsgegnerin nicht dargetan und aktenkundig gemacht worden“, heißt das im Juristendeutsch. Eine umfängliche Verkehrsuntersuchung in der Phase der Erprobung hat es laut Einlassung der Stadt gar nicht gegeben, „mit der Begründung, dass dies unverhältnismäßig sei“.

Diese Stadt hätte laut Gericht die Notwendigkeit der weitergehenden Einschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs aber darlegen und beweisen müssen. Insbesondere die von der Stadt behaupteten Geschwindigkeitsüberschreitungen und die Gefährdungen der Radfahrer in der Jahnstraße seien aber nicht dokumentiert. Auch entsprechende Beschwerden von Bürgerinnen oder Bürgern, die den Entschluss zur Sperrung stützen könnten, seien nicht dargelegt worden, ebenso wenig Zahlen über Unfälle zwischen Rad- und Autofahrern oder eine polizeiliche Stellungnahme zu Unfallschwerpunkten in diesem Bereich. Im Fazit sei „die Anordnung der Verkehrszeichen und der Verkehrseinrichtung nicht zwingend erforderlich“.

Nach dieser Argumentation freilich könnten Kommunen Veränderungen in Verkehrsführungen – in der Jahnstraße mit dem Ergebnis, dass manche, nahe der Pfosten wohnende Anwohner mit dem Auto Umwege nehmen mussten – zumindest grundsätzlich nicht alleine deshalb beschließen, weil sie es für gut und richtig halten, etwa um einen Straßenabschnitt durch das Aussperren des Durchgangsverkehrs zu beruhigen. Denn dass das in der mit und ohne Pfosten eher wenig befahrenen Jahnstraße nicht „nötig“ im Sinne der Verkehrssicherheit war, ist offensichtlich. Gewollt sein kann so ein Schritt von Verwaltung oder auch der Politik dennoch, das ist dann aber offenbar nicht ausreichend als Motivation.

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