Hallenstreit und Häuserkampf

Drei Großprojekte: Gewerbegebiet West V.1 – Baugelände „Meierhof“– Innenstadtzentrum Axthelm

FLÖRSHEIM (noe) – In weniger als drei Monaten werden die Flörsheimer bestimmen, wer in Zukunft ihr Bürgermeister sein wird. Der sich unaufhaltsam auf die Stadt zuwälzende 3. Juni hat mittlerweile im Sichtfeld der beteiligten politischen Akteure seine kritische Größe erreicht. Die Reaktionen werden dünnhäutiger, die Spitzen spitzer, die Wortwahl drastischer, um nicht zu sagen derber. Hiervon konnte man sich bei der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bau-, Verkehrs- und Umweltfragen (BVU) überzeugen, der am 7. März gemeinsam mit den Ortsbeiräten Stadtmitte und Keramag/Falkenberg im hinteren Saal der Stadthalle tagte.

 

Besagter Mittwochabend begann recht freundlich, möglicherweise wegen des noch schwach lebendigen Eindrucks von Einigkeit beim Besuch der Anti-Fluglärm-Demo am Hessischen Landtag. Bürgermeister Antenbrink sprach jedenfalls den Organisatoren der Protestkundgebung, namentlich vor allem der Stadtverordneten Renate Mohr (Galf), sowie allen Flörsheimer Demonstranten seinen Dank aus. Seine Mitteilung, dass es im Einkaufszentrum Flörsheim Kolonnaden nach Rücksprache mit der Deutschen Post keinen zusätzlichen Briefkasten geben werde, konnte noch niemandem die Laune verderben. 
Das sollte sich beim ersten harten Thema, das „Gewerbegebiet West V.1“ betreffend, allerdings ändern. Die Stimmberechtigten der beiden Ortsbeiräte und des BVU hatten diesbezüglich über die erneute öffentliche Auslegung und Behördenbeteiligung zu entscheiden. Antenbrink betonte gleich zu Beginn das relativ frühe Stadium des Entscheidungsprozesses, es gehe vor allem darum, den Weg für weitere Maßnahmen zu ebnen, um Verhandlungen mit potentiellen Investoren führen zu können. Ein Vertreter des Planungsbüros für Städtebau berichtete über den aktuellen Stand der Rodungsarbeiten und gewährte mit seinen Ausführungen Einblick in mögliche Nutzungsformen und Bebauungsarten des Geländes. Er stellte für das Areal zwischen Hochheimer Straße, Eisenbahnlinie und Hafenstraße die für Gewerbegebiete typische Errichtung großer Hallen mit Fassaden von bis zu 20 Metern Höhe in Aussicht, die sich, um es vorwegzunehmen, schließlich als unüberwindbare Hindernisse erweisen sollten. Daran konnten auch die Beteuerungen, dass alles naturschutzrechtlich abgesichert und abgesegnet sei, nichts ändern. Weder die angesprochenen alternativ geschaffenen respektive noch zu schaffenden Nist- und Zufluchtsmöglichkeiten für Flug- und Nagetiere, noch die nordwestlich der Deponie Wicker ausgewiesene ökologische Ausgleichsfläche führten zu einem Meinungsumschwung. Auch die Anmerkung Antenbrinks, dass immerhin 50 Prozent der Dachflächen begrünt werden müssten, wurde nicht gerade umjubelt.
Stattdessen nannte Gerald Benisch (CDU) die Dringlichkeit der Beschlussfassung „nicht zielführend“, sie sei unverständlich. Antenbrink verwehrte sich daraufhin „gegen diese Unterstellung, vor dem Ausschuss etwas durchpeitschen“ zu wollen, Anmerkungen dieser Art seien wohl dem Bürgermeisterwahlkampf geschuldet. „Wo liegt das Problem? Noch einmal: es wird hier nicht über einen Bebauungsplan entschieden“, rief Antenbrink in Erinnerung. Gleichwohl kündigten die Christdemokraten an, sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten zu wollen. Die CDU sei keineswegs gegen das Gewerbegebiet, der Zeitpunkt sei aber nicht der richtige. „Der Bebauungsplan ist unser Kind“, behauptete schließlich Norbert Hegmann mit Blick auf den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes West V aus dem Jahre 1995. Die Antwort Antenbrinks erfolgte prompt, indem er der CDU vorwarf, das eigene Kind soeben umzubringen.
Galf und dfb erwiesen sich als entschiedene Gegner des Gewerbegebiets West V.1. Thomas Probst (dfb) sah keine Notwendigkeit zur Erschließung eines zusätzlichen Gewerbegebiets, die vorhandenen Flächen seien aus seiner Sicht vollkommen ausreichend. Probst gab zu bedenken, dass sich die LKW keineswegs zwingend Richtung Opelbrücke orientieren müssten, um auf die Autobahnen zu gelangen. Er befürchte vielmehr, dass die Existenz dieses neuen Gewerbegebiets eine noch höhere Verkehrsbelastung für den Ortsteil Weilbach bedeuten würde. In dieselbe Kerbe schlug Sven Heß, der Bürgermeisterkandidat der Galf, zusätzlicher LKW-Verkehr bleibe für Flörsheim und die Ortsteile ein unkalkulierbares Risiko. Auch seien die geplanten Hallen auf dem Gelände des Gewerbegebiets ein Graus, zudem hätten durch die Rodungsarbeiten zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt bereits viele Bäume ihr unnötiges Lebensende finden müssen.
Martina Pokowietz (SPD) verteidigte die Rodungen, diese seien auch für sie schmerzhaft, jedoch leider notwendig gewesen. Das Gewerbegebiet nicht zu realisieren, wäre in ihren Augen ein großer Fehler. Flörsheim müsse seinen Standortvorteil im Speckgürtel Rhein-Main nutzen und aus der Nachbarschaft zum Frankfurter Flughafen das Beste machen. Es war vorauszusehen, dass eine solche Äußerung in der „Fluglärm-Hochburg“ Flörsheim nicht unkommentiert bleiben konnte. „Wenn man heute Nachmittag noch vor dem Landtag in Wiesbaden gegen den Flughafenausbau demonstriert, um sich wenig später zum Zulieferer der Fraport machen zu lassen, dann beißt sich das. Wir sollten uns nicht verkaufen wie eine Hure“, lautete die ziemlich deftige Kritik von Thomas Probst, der sich daraufhin zu Wort gemeldet hatte. Pokowietz fühlte sich missverstanden, sie habe sich in puncto wirtschaftlicher Kooperation keineswegs auf die Fraport, sondern auf die Unternehmen des Rhein-Main Gebiets bezogen.
Die Abstimmung fiel letztlich für niemanden überraschend aus, der Antrag wurde vom BVU und von den Ortsbeiräten durch die Nein-Stimmen von Galf und dfb sowie durch die Enthaltung der CDU abgelehnt.
Als etwas weniger hitzig, jedoch keineswegs lau, erwies sich die Beratung und Beschlussfassung zur Aufstellung des Bebauungsplans „Meierhof“. Das Gelände in der Wickerer Straße 86 wurde neben einer Wohnbebauung bisher ausschließlich gewerblich genutzt. Durch einen Bebauungsplan soll nach dem Willen des Antragsstellers eine geordnete Wohnbebauung ermöglicht werden. Ein privater Investor werde den Bebauungsplan übernehmen und für die Durchführung der anfallenden Arbeiten sorgen, auf die Stadt würden keine weiteren Kosten zukommen, so der Bürgermeister. Außerdem würde sich das Erscheinungsbild des Flörsheimer Ortseingangs durch die Neubauten erheblich verbessern. Sven Heß stimmte der Ansicht des Bürgermeisters zu, die Galf werde das Vorhaben unterstützen. Auch Thomas Probst sprach sich für eine Bebauung des „Meierhof“-Geländes aus, nachdem die Antwort auf seine Frage nach der Umsetzung entsprechender Schallschutzmaßnahmen bei den Neubauten zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war. „Schlimmstenfalls stehen einige Häuser und Wohnungen leer, das ist noch immer besser als Wildwuchs und Zerfall“, sagte Probst.
Frank Neugebauer (CDU) entgegnete, dass bereits jetzt auf dem Gelände gebaut werden könne, nur nicht in verdichteter Form. Ein Bebauungsplan, der eine geballte Errichtung von Häusern auf engstem Raum zum Ziel habe, werde von seiner Partei abgelehnt. Bürgermeister Antenbrink erwiderte, dass von einer besonders verdichteten Bebauung, so wie die CDU sie darstelle, nicht die Rede sein könne. Vielmehr würden vornehmlich Reihenhäuser errichtet, der Raum müsse eben wirtschaftlich optimal ausgenutzt werden. Die CDU blieb bei ihrer Haltung, man könne außerdem angesichts der gegenwärtigen Situation nicht einerseits über die hohen Belastungen durch Lärm und Schadstoffe klagen und andererseits gleichzeitig für einen Umzug nach Flörsheim werben, zumal das ausgewiesene Gebiet direkt unter der Einflugschneise liege. Norbert Hegmann verschoss mit seinem Einwand, Flörsheim werde mit einem solchen Signal von den Gerichten, die über die Fluglärm-Klagen zu entscheiden haben, künftig nicht mehr ernstgenommen werden, seine letzte Patrone – doch auch sie traf ihr Ziel nicht, BVU und Ortsbeirat Stadtmitte nahmen den Antrag mehrheitlich an.
Keinerlei Einwände wurden laut, als es unter dem Tagesordnungspunkt Bebauungsplan „Innenstadtzentrum Axthelm“ um den Beschluss zur Durchführung der vorgezogenen Bürgerbeteiligung und die Anhörung der Behörden auf der Grundlage des Bebauungsplanentwurfes vom Januar 2012 ging. Der Antrag wurde sowohl vom BVU als auch vom Ortsbeirat Stadtmitte einstimmig angenommen.
Bei der zuvor erfolgten Präsentation des Projekts durch den Vertreter des beauftragten Planungsbüros „BS+ städtebau und architektur“ konnte man erfahren, dass das Gelände mit durchweg hochwertigen Objekten besetzt werden soll. Das alte Rathaus werde inmitten einer parkähnlichen Anlage stehen, die neuen Bauten würden sich mit einer Firsthöhe von maximal dreizehn Metern und einem Baustil, der sich an der in Flörsheim üblichen fränkischen Hofbauweise orientieren werde, harmonisch in das bestehende Stadtbild einpassen. Es soll ein „Platzbereich mit Aufenthaltsqualität“ entstehen. Sven Heß sprach sich dafür aus, den Platz so zu gestalten und zu nutzen, dass er Begegnungs- und Feierstätte der Flörsheimer werden könne. Thomas Probst teilte mit, dass seine Partei bereits eine Umfrageaktion auf den Weg gebracht habe, bei der die Bürger ihre Ideen zum Thema Innenstadtzentrum formulieren könnten. Die besten Ideen sollten, so Probst, bei dem Projekt Berücksichtigung finden. Antenbrink zeigte sich gesprächsbereit. „Immer her mit den Ideen“, lautete seine Aufforderung.
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