Mäßiger Zuwachs und nur begrenzt Sozialbau

Stadtverordnetenversammlung diskutiert und beschließt mehrheitlich die Zielbilddefinitionen auf ISEK-Basis

Wer in Flörsheim baut, darf dies nicht höher als der Kirchturm von St. Gallus tun. Was bisher mehr oder weniger eine ungeschriebene Vorgabe für Planer war, ist nun offizielle Beschlusslage.

Es war eine doch ziemlich vertrackte Antragslage entstanden um diese „Zielbilddefinitionen“ für Flörsheims Zukunft, die die Stadtverordnetenversammlung in der jüngsten Sitzung festlegen sollte. Eine Grundsatzentscheidung zu den wichtigsten Punkten der Stadtentwicklung bis 2040, die sich aus dem Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) herausfiltern ließen und in der AG ISEK vorbereitet worden waren, dazu einige Konkretisierungen.

Diskussionsgrundlage für diese Detailbeschlüsse war der gemeinsame Antrag der CDU/GALF-Koalition „betreffend Entwicklung des Areals ,Prälat Müller’“, der sich seit seiner ersten Präsentation in der AG ISEK etwas weiterentwickelt hatte. Die SPD hatte zudem als Ergänzung ihren Vorschlag für Wicker zum Umbau der Alten Goldbornschule zu altersgerechten Wohnungen und (nach dem Neubau des Gerätehauses) des Feuerwehrgeländes zum öffentlichen Parkplatz und Wohnungsbau ins Rennen geworfen. Der Magistrat sollte aufgefordert werden, dazu ein Konzept zu entwickeln.

Am Ende stand, zugegeben sehr verkürzend, fest: Flörsheim soll im Jahr 2050 nicht mehr als 25.000 Einwohner groß sein. Und die ungeschriebene Regel für Bauherren, dass der Kirchturm von St. Gallus das höchste Gebäude der Stadt zu sein hat, wird zur offiziellen Leitlinie. Den grundsätzlichen Zielbildfestlegungen stimmten neben CDU und GALF auch die Freien Bürger zu. Die FDP enthielt sich, die SPD votierte dagegen. Die Sozialdemokraten hatten zuvor vergeblich versucht, einen Punkt dieser „Zielbilddefinitionen“ abzuändern.

Punkt 4 von 9 dieser Festlegungen definiert, dass der Anteil des öffentlich geförderten Wohnraums (in den geplanten Neubaugebieten) bei 15 bis 20 Prozent liegen solle, der soziale Wohnungsbau bei zehn bis 15 Prozent in kleinen Einheiten. Pro Hektar Wohnbaufläche sollen im gesamten Mix zudem nicht mehr als 50 Wohneinheiten untergebracht werden.

Diese Vorgabe bezeichnete Markus Ochs (SPD) als „Armutszeugnis und politische Bankrotterklärung“. Die Vorgabe der Einwohnerzahl werde schon 2035 erreicht sein, „auf Grundlage der Verdichtung“, die in den Planungen des Koalitionspapiers überhaupt kein Thema, aber jetzt schon vielfach in der Stadt zu beobachten seien. So entstünden auf Grundstücken, auf denen einst ein Einfamilienhaus stand, teilweise vier Reihenhäuser. Diese Grundstücke seien dann „zu hundert Prozent betoniert“, die neuen Eigenheime würden „nicht von jungen Familien gekauft“.

Die im Paper genannten 15 Prozent Sozialwohnungsanteil seien nicht schlecht, aber schon das ISEK halte einen Mangel von 230 geförderten Wohnungen in der Stadt fest, weitere Wohnungen werden in den nächsten Jahren aus der Sozialbindung fallen. Die SPD strebe daher 250 zusätzliche Wohneinheiten "bezahlbaren Wohnraums" an. Festgeschrieben werden sollte dazu unter Punkt 4 der Zielbilddefinition 200 zusätzliche solcher Wohneinheiten für die nächsten zehn Jahre.

Eine Abstimmung über diese Forderung sollte es am Ende der Debatte nicht geben, die Sozialdemokraten hätten dem Papier auch mit diesem Zusatz wohl kaum zugestimmt. Die Zufriedenheit in der Koalition zu den neun Punkten war hingegen groß. Luana Schnabel (CDU) lobte, es habe in der Stadt „selten so viel Klarheit über die Zielvorstellungen“ gegeben. Dies machte sie an der Zustimmung der Freien Bürger fest, auch die FDP könne den meisten Punkten folgen. Die laut Punkt 2 der Zielbilddefinition angestrebten „150 neuen Wohneinheiten durch neue Baugebiete je Fünfjahreszyklus“ würden auf den 3,8 Hektar der geplanten nächsten Neubauflächen in Wicker und Weilbach auch den Vorstellungen der SPD entsprechen.

Thomas Probst (dfb) lobte, dass der Weg über das ISEK genommen wurde, „jeder konnte daran teilnehmen“. Er sprach sich dafür aus, neuere Themen wie den Bau von „Tiny-Häusern“ in den Fokus zu nehmen. Die SPD-Vorstellungen von 250 zusätzlichen Sozialwohnungen seien dagegen „nicht umsetzbar“. Der Staat sei gefordert dafür zu sorgen, dass die Kommunen genügend Baugrundstücke zur Verfügung haben.

Marcus Reif (CDU) hob hervor, dass auch im Koalitionskonzept das Thema bezahlbarer Wohnraum berücksichtigt werde, die Forderung der SPD sei aber total überdimensioniert, „dann verliert die Stadt ihren Charakter“. Die letzten Sozialwohnungen in Flörsheim seien zudem unter Bürgermeister Ulrich Krebs gebaut worden. Dem widersprach Ochs in einem Einwurf. Er verwies darauf, dass je sechs solcher Wohnungen in der Amtszeit Antenbrink/Fercher und Antenbrink/Ochs entstanden seien.

Reif ergänzte, dass in den beiden geplanten nächsten Baugebieten Prälat-Müller-Weg und Im Krimling 45 Sozialwohnungen beziehungsweise 60 geförderte Wohnungen beschlossen würden. Die 200 von der SPD angestrebten Sozialwohnungen dagegen „sind für uns nicht zu machen“. Auch hier korrigierte Ochs, dass er von bezahlbarem, nicht von sozialem Wohnraum gesprochen habe.

Laut Tobias Luger (dfb) gibt es „in 65439“ tatsächlich kaum bezahlbaren Wohnraum, er verwies auf den Verkaufspreis von über 800.000 Euro für die erwähnten vier Reihenhäuser. Dass es viele leerstehende Wohnungen in Flörsheim gebe zeige sich darin, dass in Flörsheim derzeit viele ukrainische Flüchtlinge privat untergebracht seien. Auf Dauer vermieten wollten die Eigentümer die Wohnungen aber offenbar nicht mehr, „es sind oft Ältere“.

Für Frank Laurent (GALF) sind die vorgelegten Beschlussvorschläge und die geplanten Neubaugebiete ein guter Kompromiss angesichts der Ziele. „In der Mehrzahl entstehen dort Mehrfamilienhäuser“, betonte er, dies biete auch Chancen für bezahlbaren Wohnraum. Auch er betrachtet die 60 geförderten Einheiten unter den 150 im Fünfjahreszyklus als hohen Anteil. Die 200 Einheiten, die die SPD fordere, sieht auch er als nicht machbar an. Die Verdichtungen in der Stadt finde er „nicht toll“, sie schüfen aber ebenso neuen Wohnraum. Er gab zu bedenken, dass die Umsetzung der ISEK-Vorschläge noch in der Entwicklung sei, es handle sich um einen dynamischen Prozess.

Thorsten Press bekannte, dass die FDP sich mit den Zieldefinitionen schwertue, manche der Ideen seiner Fraktion seien angenommen worden, andere nicht. Er unterstrich die Forderung nach einem moderaten Zuzug, der den Charakter der Stadt bewahre. Zudem müsse die Infrastruktur mitwachsen. Alles wäre einfacher, wenn die Stadt über genügend Flächen verfüge, dies sei jedoch nicht der Fall, „wir sind einfach Marktteilnehmer“.

Abgestimmt wurde anschließend nicht nur über die Zielbilddefinitionen, sondern auch über das mit aufgerufene Koalitionspaper zur Entwicklung des Areals „Prälat Müller", sprich das geplante Wickerer Wohnbaugebiet auf dem Acker hinter der Goldbornhalle, ebenso über den SPD-Antrag zur Alten Goldbornschule und zum Feuerwehrgelände in Wicker. Letzterer fand lediglich die Zustimmung der Sozialdemokraten selbst. Die wiederum lehnten die Zielbilddefinitionen ab, die FDP enthielt sich. Die neun Punkte in der Kurzfassung:

  • 1. Einwohner-Zielgröße: maximal 25.000 bis zum Jahr 2050 durch neue Baugebiete.
  • 2. ca. 150 neue Wohneinheiten durch neue Baugebiete je Fünfjahreszyklus.
  • 3. Bebauungsmix für die Stadtteile: 10 Prozent freistehende Einfamilienhäuser.
  • 40 bis 50 Prozent Doppel- und Reihenhäuser, 40 bis 50 Prozent Mehrfamilienhäuser.
  • 4. Anteil des öffentlich geförderten Wohnraums 15 bis 20 Prozent.
  • 5. Mitwachsende Infrastruktur (Kitas etc.) parallel zur Entwicklung neuer Baugebiete. Sie soll möglichst schon vorausschauend entwickelt werden.
  • 6. Kein Gebäude wird höher als der Turm von St. Gallus, nicht mehr als sechs bis acht Wohneinheiten pro Gebäude.
  • 7. In den nächsten zehn Jahren Entwicklung neuer Baugebiete: erste Abschnitt „Prälat-Müller-Quartier“ und „In der Krimling“.
  • 8. Gute Anbindung neuer Baugebiete an den ÖPNV, das Rad- und Fußwegenetz.
  • 9. Flörsheimer Bürger berücksichtigen durch „Einheimischenmodell“.

Als Protokollnotiz wurde angefügt, dass sie schnellstmögliche Realisierung der kleinen Umgehung Weilbach angestrebt wird.

Die vier Unterpunkte des konkretisierenden Antrags der Koalition zum Prälat-Müller-Weg wurden auf Antrag der FDP einzeln abgestimmt. Einstimmig angenommen wurden daraufhin die ersten beiden Punkte:

  • 1. Vorbereitung der Entwicklung eines neuen Baugebiets nördlich der Goldbornhalle. Etwaige Änderungen des Regionalen Flächennutzungsplans sollen frühzeitig in die Regionalversammlung eingebracht werden.
  • 2. Neubau der Feuerwache der Freiwilligen Feuerwehr Wicker in direkter Nachbarschaft zur DRK-Rettungswache an der B40.

Umstritten waren dagegen die beiden weiteren Punkte. Nur mehrheitlich angenommen mit je 18 Jastimmen wurden die beiden weiteren Punkte zum Prälat-Müller-Weg:

  • 3. Etablierung eines Supermarkts/Nahversorgung. Ein externes Büro soll die Standort-Optionen einer konkreten Bewertung unterziehen. Dabei werden drei Flächen vorgegeben, neben beiden im Gebiet Prälat-Müller-Weg auch der aktuelle Standort der Feuerwehr Wicker.
  • 4. Machbarkeitsstudie zur Alten Goldbornschule für eine Umwidmung als Wohnraum, Prüfung auf Nutzung für seniorengerechtes Wohnen. Nutzungsmöglichkeiten für Wickerer Vereine sowie für den Ortsbeirat sollen erhalten und idealerweise aufgewertet werden. Die städtebauliche Aufwertung der Parkflächen soll Bestandteil der Studie sein.

Der letzte Punkt scheint den Antrag der SPD aufzugreifen, fand aber nicht die Zustimmung der Sozialdemokraten, weil sie auf eine Kombination mit der Umwidmung des jetzigen Feuerwehrgeländes bestehen. Auch beim Maß der Nutzung des Vorplatzes als Parkfläche unterscheiden sich die Vorstellungen von Koalition und SPD - auch hier blieb die Koalition daher ohne Unterstützung der anderen Fraktionen.

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