Positive Aspekte der Begegnung

Trio spielte Werke, die für Verknüpfung zwischen jüdisch und christlich geprägter Musik stehen

Die Pianistin Monica Gutman und Ramon Jaffé am Violoncello waren bei Beethovens Interpretation des Händel-Stückes "Judas Makkabäus" zusammen auf der Bühne.

Trio spielte Werke, die für Verknüpfung zwischen jüdisch und christlich geprägter Musik stehen

Eigentlich muss es für einen jüdischen Musiker ein hartes Brot sein, Stücke des rheinischen Komponisten Max Bruch (1838-1920) zu spielen. Von dem Mann sind kernige Aussagen über Juden überliefert, so die despektierliche Bezeichnung des Komponisten Gustav Mahler als „Wiener Judenbengel“. Nach dem Ersten Weltkrieg, ist zudem überliefert, machte der tiefgläubige Protestant die Juden für die schlechte Lebensmittelversorgung in Deutschland verantwortlich.

Und doch – oder gerade deshalb – war Bruch der Komponist, von dem am Sonntagabend in der Flörsheimer Stadthalle ein Werk zum Auftakt des Konzerts „Christlich-jüdischen Begegnungen vom Barock bis Jazz“ zu hören war. Vielleicht, weil dieses Werk „Kol Nidrei“ – so heißt ein Gebet, das Juden am Vorabend des höchsten Feiertags Jom Kippur beten – Anlass für die Nationalsozialisten war, die Aufführung von Werken Bruchs zu verbieten.

Das Konzert zeige das gebrochene Verhältnis der christlich-jüdischen Geschichte, betont Willi Schelwies im Programmheft zu der Aufführung. Der Schwalbacher evangelische Pfarrer ist Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus Kreis“ (CJZ). Einer der drei Beisitzer des Vorstands ist der Flörsheimer Franz Kroonstuiver, der diese jährlichen Konzertabende initiiert. „Es ist wichtig zu zeigen, dass sich trotz des Antijudaismus die Kulturen gegenseitig befruchtet haben“, erläutert er die Auswahl der Stücke.

Das Programm werde „die positiven Aspekte der christlich-jüdischen Begegnungen auf musikalisch unterschiedliche Weise“ unterstreichen, versprach Schelwies. Die Flörsheimer Pianistin Monica Gutman als künstlerische Leiterin und der Berliner Cellist Ramón Jaffé bilden bei den Flörsheimer Konzerten ein Duo, das in diesem Jahr Jaffés Tochter, die Harfistin Serafina Jaffé hinzunahm. Geplant war in diesem Jahr zudem ein Saxofonpart. Dem Musiker mussten die Veranstalter allerdings absagen, weil das Instrument in geschlossenen Räumen derzeit nicht einsetzbar ist.

Die drei renommierten Musiker traten der Abstandsregeln wegen zudem statt in der Kulturscheune, wo Platz für gut 100 Zuhörerinnen und Zuhörer gewesen wäre, in der Stadthalle vor nur 87 Gästen auf. Von den 104 gestellten Stühlen mussten einige leer bleiben, weil auf den Stuhlpaaren nur Personen aus demselben Haushalt nebeneinander platziert werden durften, „es gab einige Anfragen nach Karten, die wir nicht erfüllen konnten“, betonte Kroonstuiver, der zudem von einer positiven Resonanz auf den Abend berichtet.

Sieben Stücke von sieben Komponisten aus fünf Jahrhunderten Musikgeschichte kamen in der Besetzung Monica Gutman (Klavier), Serafina Jaffé (Harfe) und Ramón Jaffé (Violoncello) zur Aufführung, beginnend mit Bruch. Sie schufen nach Georg Friedrich Händels „Suite d-moll HVV 437“ für die Harfe den Übergang von dessen Barockmusik zur Wiener Klassik mit Ludwig van Beethovens „Variationen über Händels ,Judas Makkabäus‘“, an Klavier und Violoncello vorgetragen.

Ramón Jaffés Vater, Don Jaffé, 1933 im lettischen Riga geboren und, wie der Sohn berichtete, auch im hohen Alter noch quickfideler ehemaliger Musiker der Bremer Philharmoniker und Kammermusiker, begann sich gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn dem Komponieren zu widmen. Seine „Klavier Suite op. 24“, ein ruhiges Stück für Violoncello und Harfe und für Sohn und Enkeltochter komponiert, kam in der Stadthalle zur Aufführung.

Der 1984 in Prag geborene, experimentelle jüdische Komponist und Revolutionskämpfer Erwin Schulhoff ist der modernen Musik zuzurechnen. Aus seinen 1926 entstandenen Jazz-Etüden trug Schulhoff-Expertin Gutman die Toccata über den Shimmy (ein Jazztanz) "Kitten on the Keys" von Zez Confrey vor.

Junge Komponisten bildeten den Abschluss, so der 1979 geborene Weißrusse Leon Gurvitch, dessen bemerkenswerte Leistung es war, dass er Klezmer-Musik und Jazz zusammenbrachte, mit seiner „Anne Frank Suite“ für Violoncello und Klavier. Das „Niggun für Violoncello, Klavier und Harfe“ der 1974 geborenen, aus der Ukraine stammenden und in Israel lebenden Anna Segal ist von der Komponistin erst kürzlich für das Trio geschrieben worden und vereinte alle drei Musiker so noch einmal auf der Bühne.

Für das kommende Jahr, kündigt Kroonstuiver an, sind angesichts des Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ in Flörsheim mehrere Veranstaltungen in der Planung, unter anderem ein größeres Konzert mit Orchester, das Werke jüdischer Komponisten aufführt und das zentrale jüdische Thema „Exodus“ in den Mittelpunkt stellt.

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