Reichlich Knaller ganz ohne rauchende Colts

Der FCV öffnete am Samstag zum ersten Mal in der ausverkauften Stadthalle den Westernsaloon

Viele Gäste hatten sich bei der Premierensitzung mit ihrer Verkleidung an dem Motto der Sitzung orientiert.

Wenn man sich drei Jahre lang nicht getroffen hat, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich beim Wiedersehen das eine oder andere geändert hat. Die Stammgäste der Fastnachtssitzungen des Flörsheimer Carneval Vereins (FCV) bekamen es so in der ersten Sitzung in der Stadthalle mit einem neuen Ansatz bei der Moderation zu tun. Statt des Sitzungspräsidenten, den zuletzt 2020 Hans-Joachim Kunz gab, hat nun ein Moderatorenpaar das Mikrofon in der Hand und damit das Wort: Sabine Roth und Christian Greb stellen das neue Duo, das am Samstagabend durch das mit Pause knapp vierstündige Programm führte.

Damit, erklärt der Verein in seinem Programmheft, solle provokant die These auf die Probe gestellt werde, dass Männer und Frauen nicht zusammenpassten – wobei sich die Frage stellt, wer immer das ernsthaft abstreiten wollte. Aber Roth und Greb belehrten alle, die auf einen zünftigen Geschlechterkrieg vor hunderten Augenzeugen in der ausverkauften Stadthalle gesetzt hatten, hielten bei ihrem Job sittlichen Abstand zueinander, strahlten von der ersten bis zur letzten Minute eine positive Kraft aus und vermieden auch verbal die alltagsüblichen Gemeinheiten zwischen den Geschlechtern.

War vielleicht auch besser so, denn das Paar arbeitete in einer Szenerie, in der schnell mal der Colt gezogen und die Luft bleiern wird. Entwarnung für alle, die Karten für die drei weiteren FCV-Sitzungen erworben haben: Niemand wurde bei der Premiere des Programms unter dem Titel „Hall die Gail im Westernstyle“ (Untertitel: „Ein Indianer kennt kein’ Scherz“) verletzt oder ist gar verblichen. Scharf geschossen wurde an der einen oder anderen Stelle zwar mit Worten, aber auch das doch eher auf die verträgliche Art.

Zunächst war Sabine Roth noch als Mitwirkende des Eröffnungsspiels gefordert, das dafür sorgte, dass das Publikum direkt in die Westernthematik eintauchen konnte, unterstützt von der enorm detailreichen und aufwendig gezimmerten Bühnenkonstruktion. Die zeigt eine Saloonszenerie, die von unten bis oben und links bis rechts interessante Utensilien zu bieten hat. Das Eröffnungsspiel stammte aus der Feder von Hans-Joachim Kunz, der somit bewies, dass der seine durch die Abgabe der Moderation eingesparte Vorbereitungszeit sinnstiftend zu nutzen versteht.

Die Närrinnen und Narren im Publikum dürfen sich trotz der Zwangspause auf jede Menge vertraute und bewährte Akteure auf der Bühne freuen. Unverrückbar auch nach zwei entfallenen Live-Sitzungen ist der Auftritt von Gregor Stark als Protokoller, der in seiner inzwischen 25-jährigen Erfahrung in dieser Aufgabe noch nie nicht nur ein Jahr, sondern eine lange Krisenzeit aufzuarbeiten hatte, aber natürlich auch die aktuellen Themen aufgriff.

Die hochkarätigen Einzelredner füllen auch in dieser Kampagne wieder einen großen Teil des Programms, allesamt den Närrinnen und Narren bestens bekannt. Patricia Lowin etwa tritt bereits seit 2008 beim FCV auf. Die Mischung aus „Quatsch und Klatsch" ist auch 2023 ihr Markenzeichen. Jutta Schlosser ist in der Rolle der "Betty Berzel" als Berichterstatterin aus dem turbulenten Leben einer Großfamilie zu sehen. Und auch Jürgen Wiesmann, den seit 1996 in verschiedensten Rollen beim FCV zu sehenden Sitzungspräsident des MCC, sowie den einstigen Flörsheimer Pfarrer Sascha Jung haben die Saalfastnachter erneut für diese Kampagne gewonnen.

Nach der Pause ging es in der ochsenhornigen Bütt, die das Kampagnenmotto äußerst stilecht umsetzt, direkt mit einem weiteren in Flörsheim bestens bekannten Mainzer Einzelredner weiter. Alexander Leber schlüpft diesmal in die Rolle als Mitarbeiter der „Polizei Meenz“ und berichtete, was einem Ordnungshüter in unserer Zeit alles so an seltsamen Menschen in die Quere kommt.

Auf vielen Bühnen ist seit einigen Jahren Johannes Bersch zu finden, der seine Wurzeln im von ihm maßgeblich geprägten "Narrenkäfig" in Bischofsheim hat, schon seit 2016 aber auch beim FCV zu sehen ist. Diesmal brachte er einen alten Wegbegleiter aus seinen Anfangszeiten mit, Sebastian Kraus musiziert für Bersch an der Gitarre bei dessen Auftritt als „Kammersänger“, der dabei die Steifheit dieser Gattung persifliert, beginnend mit der deutschen Übersetzung des örtlichen Grußes, also „Haltet die Pferde!“.

Kaum von der Bühne, kehrte der Bischemer Barde wieder zurück, diesmal solo als fesch gestylter „Motivationstrainer“, der seine Methodik vorzutragen ansetzte. Ziel: „Sich in Alltagssituationen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.“ Statt der angedrohten dreieinhalb Stunden kam er dann aber doch mit gut 20 Minuten aus.

Das Recht des letzten Beitrags hatte am Premierenabend Hans-Joachim "Hansi" Greb in seiner unverzichtbaren Figur des Hobbes, der diesmal von seinen Erlebnissen als „Second Hand Opa“ berichtete, unter anderem auch von einem ganz knapp gegen eine ungeliebte Mainzer Bardenformation verlorenen Sangeswettbewerb.

Zwischen den Solisten gibt es natürlich auch immer wieder Auflockerung und Stimmungsschübe durch die Showband sowie die Tanzformationen. Von weither angereiste Westernhelden, aus dem staubigen Südwesten über den großen Fluss angeritten gekommen, sind die “Horny Hornets“. Das Männerballett orientiert sich in seiner Kostümierung sogar an dem FCV-Motto. Aber die Kleidung ist bei den zehn Tänzern des rheinhessischen TJV Biebelnheim nicht ganz so entscheidend wie die galante Schrittfolge zu fetzigen Rhythmen.

Der wilde Westen hat auch seine weiblichen Reize zu bieten, wenn die Rockmode seinerzeit auch etwas ausufernd war. Sehr revolutionär wären im Wilden Westen des 19. Jahrhundert sicherlich die Tanzkostüme der FCV-Showtanzformation „Cassiopeia“ gewesen. Die bereits 1983 gegründete und seit 2001 unter diesem Namen auftretende Gruppe befasst sich in diesem Jahr unter dem Titel „Welcome to Burlesque" mit dem Kampagnenthema. Und auch die Gruppe „Inkognito“ hatte sich trotz recht aktueller Kleidermode ganz dem Motto verschrieben.

Für die Livemusik bei den FCV-Sitzungen ist in der Kampagne natürlich weiterhin die siebenköpfige Showband mit ihrem Chef Jens Meireis zuständig, die seit 2016 die Flörsheimer Saalfastnachter begleitet. Meireis hat für das diesjährige Saallied dem „Maledos“-Klassiker „Jetzt trink ich erst emol en Woi“ einen neuen Text verpasst, der den Refrain "Au au au au... Das ist die große Westernschau" erhalten hat.

Vor dem großen Finale auf der Bühne luden Sabine Roth und Christian Greb die vielfach in Westernkleidung erschienenen Zuschauer zum Ausklang, einer After-Show-Zusammenkunft im Foyer der Stadthalle ein. Wer noch keine Karten für eine der weiteren FCV-Sitzungen hat, braucht sich keine weiteren Gedanken darum machen, sie sind allesamt ausverkauft. Der Verein hat mit seiner frühzeitigen Entscheidung, sich auf vier Sitzungen zu beschränken, offenbar die richtige Entscheidung getroffen, dass ein voll besetzter Saal für die gute Stimmung wichtiger ist als die übliche Anzahl der Sitzungen unbedingt zu verteidigen. Auch der FCV spürte die Zurückhaltung bei der Kartennachfrage, kann aber mit dem Preis, dass der eine oder andere Interessent dieses Jahr leer ausging, ausgelassene Stimmung garantieren – nicht nur durch die vollen Säle, sondern auch das gebotene Programm, versteht sich.

Was die Närrinnen und Narren nicht mitbekommen: Auch in der Regie hat es einen Wechsel gegeben, die verantwortet nunmehr Michael Brons, mit Unterstützung von Melanie Peschke. Insgesamt werden im Programmheft des FCV 94 Mitwirkende aufgeführt. Das zeigt: Damit so eine Fastnachtssitzung gelingt, sind Dutzende von Aktiven auf und hinter der Bühne gefordert, das kann der FCV auch nach zwei verlorenen Kampagnenjahren weiterhin gut stemmen.

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