„Schlimmste Zeit der letzten 500 Jahre“

Vortrag: Heimatforscher Thomas über Flörsheim im 30-jährigen Krieg

Die Stadtmauer gibt für Dr. Bernhard Thomas Rückschlüsse auf die Zeit des 30-jährigen Krieges in Flörsheim.?(Foto: R. Dörhöfer)

 

FLÖRSHEIM (drh) – „Der 30-jährige Krieg war für Flörsheim der schlimmste Krieg der letzten 500 Jahre“, so die Schlussaussage von Dr. Bernhard Thomas, der am Dienstagabend in der Kulturscheune seine Forschungsarbeiten zum Leben in Flörsheim in der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618–1648) vorstellte. Dass Dr. Bernhard Thomas sich stets sehr analytisch der Heimatgeschichte nähert, wissen die Flörsheimer bereits aus vorangegangen Vorträgen und Bucherscheinungen zur Dorfrekonstruktion im Jahr 1656. 

 

Gemeinsam mit Reinhard Lehrig hat Thomas die an sich spärliche Quellenlage detailliert analysiert und dafür beispielsweise die ersten Kirchenbücher Flörsheims abfotografiert und die Geburten und Todesfälle gezählt. Auch Gerichtsbücher und vor allem die Bürgermeisterrechnungen halfen Thomas sich ein Bild der Zeit zu machen.

Einen Chronisten, der über die Ereignisse geschrieben hätte, gibt es nicht und so blieb dem Heimatforscher meist nur der Rückschluss aus Rechnungen und faktischen Aufzeichnungen. Lediglich ein persönliches Protokollbuch des Gerichtsschreibers Johannes Hart wich von den sonst eher nüchtern gehaltenen Aufzeichnungen über Ausgaben und Einnahmen, Beurkundungen, Geburten und Todesfällen ab. Selbst die Kirchenbücher machten es Thomas aber nicht leicht, gab es doch Pfarrer im Ort, die von ordentlicher Buchführung nicht viel hielten und stattdessen auswärts lieber Kinder im Namen des Teufels tauften, anstelle sich um das Seelenheil der Flörsheimer zu kümmern: „Da fehlen die Einträge dann fast gänzlich.“
Dr. Bernhard Thomas rechnete beispielsweise kriegsbedingte Ausgaben, Reparaturkosten der Stadtpforten und Prozessionskosten zusammen und konnte so Rückschlüsse auf die Lebensumstände der Flörsheimer schließen: „Wenn die Kriegskosten stiegen, sanken die Ausgaben für die auswärtigen Fahnenträger der Prozessionen. Man konnte sich Prozessionen nicht mehr leisten“, erklärte Thomas. 1635 gab es in Flörsheim beispielsweise gar keine Prozession mehr, litt die Bevölkerung doch da schon an extremer Hungersnot. 1620, so vermutet Thomas, hätten die Flörsheimer wohl die ersten Kriegskontakte gehabt, hätten sie vermutlich doch die Leichen der vielen bei Höchst im Main ertrunkenen Soldaten der Braunschweigischen Truppen vorbeitreiben sehen. Höchst wurde 1620 niedergebrannt und 10.000 Mann hätten dort gelagert. „Dann gab's auch in Flörsheim nicht mehr viel zu essen“, so Thomas, der in jenem Jahr bereits doppelt so viele Todesfälle in Flörsheim als üblich ausmachte. Die Unterernährung hätte die Menschen besonders anfällig für Soldatenkrankheiten wie Cholera, Pest und Typhus gemacht.
Mit dem Einzug der Schweden werden die Flörsheimer dann auch zu Frondiensten herangezogen und so müssen sie beispielsweise beim Bau der Gustavsburg helfen, wohin sie auch ihr Getreide und Wein abzuliefern hatten. „Dass Flörsheim aber von den Schweden belagert wurde, ist dummes Zeug“, so Thomas, der nicht glauben kann, dass sich eine Stadt wie Mainz kampflos den Schweden ergibt, die Flörsheimer aber acht Tage lang belagert worden sein sollen. Die Schweden hätten zumindest zu Anfang auch eine gute Moral an den Tag gelegt und für das, was sie sich von den Bauern genommen hätten, bezahlt. „Gustav Adolph hat auch nur die verlassenen Klöster und Kirchen in Mainz annektiert. Die noch bewohnten blieben verschont“, erzählte Thomas.
Nach dem Fall des Schwedenführers Gustav Adolph wird Flörsheim 1633 von einem Frankfurter Verwalter namens Hepp besetzt, der Flörsheim finanziell bis auf den letzten Gulden auspresste. Die Flörsheimer hatten dem Herren Pasteten, Kuchen und Speck zu liefern und hatten erst Ruhe, als Hepp sich nach Frankreich absetzte. Als die Schweden 1634 in der Schlacht bei Nördlingen geschlagen werden, ist Flörsheim nicht mehr in der Lage überhaupt Steuern zu erheben, muss aber die dissertierenden, umherstreunenden schwedischen Soldaten ertragen. 1635 erreichen die kaiserlichen Truppen Flörsheim, die die Eroberung Mainz im Auge haben. Als sich dann noch die Franzosen ins Kriegsgeschehen einschalten und in Hochheim ein riesiges Lager errichtet wird, explodieren in Flörsheim die kriegsbedingten Ausgaben. Manch Flörsheimer sucht gar Zuflucht in der Rüsselsheimer Festung, steckt sich dort aber mit der Pest an und verstirbt so am vermeintlich sicheren Zufluchtsort. „Eddersheim gibt es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr“, verdeutlicht Thomas die prekäre Lage. Auch der Gerichtsschreiber Hart flieht aus Flörsheim nach Frankfurt.
Nach diesem Schreckensjahr beruhigt sich die Situation ein wenig, bis 1643 die härtesten Jahre kommen sollten. Kardinal Richelieu ließ Mainz erobern und die kaiserlichen Truppen sind darüber so verärgert, dass sie ihre eigenen Dörfer plündern ließen. Sämtliches Vieh, Getreide und Saatgut wird den Flörsheimern genommen. Ein Feldanbau ist nicht mehr möglich und so verlor das etwa 500 Einwohner starke Flörsheim ein Viertel der Bevölkerung. „Flörsheim überlebte nur, da 1660 eine große Zuwandererwelle einsetzte“, erklärte Thomas. Er fand bei all seinen Forschungsarbeiten keinerlei Hinweis darauf, dass die Flörsheimer selbst als Soldaten eingezogen worden wären. „Die paar Flörsheimer hätten bei der Verteidigung von Mainz auch nichts genutzt. Aber Fronarbeit mussten sie in jedem Fall leisten“, erklärte Thomas seinem interessierten Publikum auf Nachfragen.

 

 

 

 

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