Im kleinen Kirchenraum der Evangelischen Gemeinde Flörsheim wurde es am Samstagnachmittag deutlich voller als gewöhnlich. Das war allerdings auch angesagt. Denn der Evangelische Kirchenchor feierte seinen 100. Geburtstag selbstverständlich nicht nur bei Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus, sondern auch mit einen Jubiläumskonzert in der Kirche.
Die funktionierende Gemeinschaft der Chöre aus der Stadt und zu den Sangesfreunden in den Nachbarkommunen zeigte sich bei dem rund zweistündigen Konzert unter der Moderation von Dieter Ahlers. Zur Unterstützung seiner Auftritte hatte der Kirchenchor sich die Zusammenarbeit mit Vox Vallis Eppstein gesichert, der von Kristel Neitsov-Mauer geleitet wird, die bis Ende 2022 den Evangelischen Kirchenchor vier Jahre lang geleitet hatte – zum Großteil ausgebremst durch Corona.
Auch dabei waren die Flörsheimer Chöre G.V. Volksliederbund und Flörsheimer Kantorei sowie der Edderheimer Gemeindechor, die eigene Blöcke im Programm bekamen.
Wo ein ehrwürdiger Geburtstag gefeiert wird, gilt es auch viele Gratulanten zu Wort kommen zu lassen. Der Evangelische Kirchenchor wählte den Weg, die Redebeiträge nicht hintereinander, sondern zwischen den Auftritten der einzelnen Chöre einzustreuen. Die Prominenz aus den kirchlichen Gremien war mit Dekan Martin Fedler-Raupp und Dekanatskantorin Katharina Bereiter gleich zweimal vertreten. Der ehemalige Pfarrer der Kirchengemeinde, Karl Endemann, hatte ein Lobgedicht auf den Jubilar verfasst. Alle gratulierten den Sängerinnen und Sängern nicht nur pflichtgemäß, sondern hoben ihre persönliche, enge Verbundenheit zu dem Chor hervor.
Zunächst aber war Bürgermeister Bernd Blisch gefragt, der dem Chor die mit dem rundesten aller Geburtstage verbundene Stadtplakette in Gold überreichen durfte. „Ich war fast überrascht, dass es erst 100 Jahre sind“, sagte er, denn „Singen und die Evangelische Kirche, das gehört einfach zusammen“. Immerhin 23 Jahre war es im Gründungsjahr des Chores her, dass die kleine protestantische Gemeinde im tiefkatholischen Flörsheim ihr eigenes Gotteshaus erhalten hatte. Bemühungen zur Gründung eines Hauschores hatte es zwar bereits im Jahr nach dem Bezug der Kirche, also 1902 gegeben, die scheiterten aber am mangelnden Interesse.
Die Gründung am 6. Juli 1924 geschah dann „in einer sehr weltlichen Kneipe“, wie Blisch hervorhob, dem Gasthaus „Zum Taunus“. So, wie Dekan Fedler-Raupp es sieht, verwundert das Anlaufproblem noch mehr. „Jeder kann singen, und ein Chor ist unheimlich wichtig für das Gemeindeleben in einer Stadt“, betonte er. Im Namen des Verbandes der evangelischen Chöre in Hessen und Nassau überreichte er Ehrennadeln an die langjährigsten Chormitglieder. Paulina Triner erhielt die Nadel in Gold für 60 Jahre aktives Sängerinnenleben. Birgit Blaha, Gisela Engelke und Albert Simon sind alle schon mindestens 25 Jahre dabei und erhielten die Nadel in Silber.
Auch der Kirchenchor selbst erhielt die Nadel in Gold, „den kann man vielleicht abwechselnd tragen“, war dem Dekan bewusst, dass es etwas rätselhaft bleibt, an welchem Revers die Nadel stecken soll – nur Paulina Triner hat da wenig Bedarf.
Chorleiterin Annegret Sternagel durfte einen silbernen Notenschlüssel mit nach Hause nehmen. Sie ist zwar erst seit gut eineinhalb Jahren Leiterin des Evangelischen Kirchenchors, gehört ihm aber schon seit dem Jahr 2000 an. Sie war beim Jubiläumskonzert auch die am häufigsten am Dirigentenpult zu sehende Taktgeberin, denn neben den Auftritten des Evangelischen Kirchenchors dirigierte sie auch die gemeinsamen Blöcke, wenn mehrere Chören zusammen im Einsatz waren. So begann das Jubiläumskonzert mit dem Jazz-Kanon von Uli Führe „Singen macht Spaß“, bei dem Sternagel neben ihrem eigenen Chor auch dem Eddersheimer Gemeindechor und der Flörsheimer Kantorei das Einsatzzeichen gab und sich dafür strecken musste, denn die Gäste hatten zu beiden Seiten der Empore ihre Plätze. Was, weil der Treppenabgang aus der Kirche herausführt, den kleinen Vorteil bot, dass sie mit einem Einmarsch durch den Haupteingang eindrucksvoll zu ihren Auftritten schreiten durften.
Der Evangelische Kirchenchor selbst besteht im Jubiläumsjahr aus sieben Alt- und acht Sopranstimmen bei den Frauen, sowie aus drei Bass- und drei Tenorsängern und kommt so auf einen Bestand von 21 aktiven Sängerinnen und Sängern plus Dirigentin Sternagel. Beim Jubiläumskonzert war daher der Chor Vox Vallis Eppstein mit dabei. Dem Grußwort Blischs folgte der erste Block mit je einem Stück von Melchior Franck, Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn und Felix Mendelssohn Bartholdy, Andreas Hammer begleitete am Klavier, Nataliya Hammer sang die Solostimme.
Sabine Theobald führte danach die Männer des G.V. Volksliederbund Flörsheim durch vier sehr unterschiedliche Stücke. Beginnend mit dem Kirchenlied „O Herr, welch ein Morgen“, folgten das traditionelle kreolische Spiritual „Kumbaya“ und „Siyahama“ aus Südafrika. Zum Abschluss wurde es mit Bob Dylans „Blowin’ in the Wind“ modern, gesungen in einer deutschen Übersetzung.
Als nächstes war der Eddersheimer Gemeindechor unter der Leitung von Esther Hock an der Reihe, mit englischsprachiger Popmusik, so der Soulsong „Lean on Me“ von Bill Weithers, „You are my God and King“ von Tom Fettke und das einst von Bill Clinton zum Wahlkampfsong erkorene „Don’t Stop“ von Fleedwood Mac.
Andreas Großmann, Leiter der Flörsheimer Kantorei, setzte sich anschließend ans Klavier und stimmte den Kanon „Magnificat“ von Jacques Berthier an, diesmal war aber die gesamte Gemeinde aufgefordert einzusetzen.
Beim zweiten Block des Evangelischen Kirchenchors und Vox Vallis Eppstein kamen mit Klavierbegleitung von Andreas Hammer unterschiedlichste Stücke der neuesten Zeit zu Gehör, so Markus Nickels modernes Arrangement des auf einem Text von Martin Luther basierenden geistlichen Lieds „Die beste Zeit im Jahr ist mein“. Aus Südafrika stammt „Sanna, sannanina“, Michael Schätz hatte das Stück „Hevenu schalom alejchem“ arrangiert, schließlich gab es das „Jubilate“ nach Johannes M. Michel zu hören.
Die Flörsheimer Kantorei wurde bei ihrem Auftritt von Andreas Großmann dirigiert. Am Klavier saß Annegret Sternagel, geboten wurden in der gewohnt hohen Qualität des Ensembles zwei Stücke von John Rutter, dazu Anton Bruckner und Bob Chilcott.
Anschließend rückte die Kantorei aus Zuschauersicht etwas nach links und machte so Platz für den Evangelischen Kirchenchor und Vox Vallis Eppstein, denn alle drei zusammen präsentierten mit Andreas Großmann am Klavier und Annegret Sternagel am Pult John Rutters geistliches Stück „Alle Dinge dieser Welt“.
Nach dem Grußwort des Dekans bestand das Finale aus dem Stück „Amazing Grace“, an dem sich alle Chöre gemeinsam beteiligten, bei der fünften und letzten Strophe stimmte das Publikum auf den gut besetzten Kirchenbänken mit ein. So endete der Nachmittag mit einem aktiven Part aller Gäste dieses Jubiläumskonzerts, die Kirchenglocken ertönten mit den letzten Worten des bekannten Kirchenliedes. Im benachbarten Gemeindehaus ging es in die Verlängerung der Feier mit Kaffee, Kuchen und anderen Genüssen.