Die zehn Ausschlusskriterien Gegenwind 2011 führt die Punkte auf, die die Erkenntnisse der vergangenen Monate zusammenfassen

Dieses Thema wird die Flörsheimer und Hochheimer durch die Belastungen aus vergangenen Zeiten noch lange nach der Beendigung der Deponienutzung in Wicker beschäftigen; Ein Schema der unterirdischen Wasserflüsse rund um die einst als Müllhalde genutzten Deponiekörper.

Gegenwind 2011 führt die Punkte auf, die die Erkenntnisse der vergangenen Monate zusammenfassen

Nachdem die Kreiskoalition sich dazu entschlossen hat, den Überlegungen zum Projekt "Deponie auf Deponie" eine Absage zu erteilen, wäre der dritte und letzte "Offene Brief" des Vereins "Gegenwind 2011" an den RMD-Aufsichtsrat eigentlich obsolet. Doch er bietet eine Zusammenfassung der von Dr. Hans-Peter Huppert zusammengestellten fachlichen und rechtlichen Probleme bei der Umsetzung des Vorhabens und bleibt daher in vielen Belangen relevant - auch im langen Nachsorgezeitraum auf der Deponie werden einige der aufgeführten Punkte eine Rolle spielen.

Die Ausschlusskriterien

Eine Vielzahl geltender Richtlinien, Gesetze, Vorschriften und Verordnungen führen zu den nachfolgenden zehn Ausschlusskriterien, die das Vorhaben „Deponie auf Deponie“ in Flörsheim Wicker genehmigungsrechtlich und juristisch auch ohne weitere Gutachten heute schon ad absurdum führen.

Ausschlusskriterium 1

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Bei der UVP sind per Gesetz alle Auswirkungen des Erweiterungsvorhabens zu untersuchen und zu bewerten. Insbesondere muss die Vorbelastung des Standortes durch den vorhergehenden Deponiebetrieb berücksichtigt werden.

Bereits an dieser Stelle müsste man als Genehmigungsbehörde aufgrund der im vorliegenden Arbeitspapier unter Punkt 2 ausführlich dargelegten Tatsachen das UVP-Verfahren einstellen.

Ist-Zustand Wicker:

  • Jahrzehntelange Ablagerung von hoch belasteten Industrie- und Sonderabfällen mit einem sehr hohen Gefährdungspotenzial.
  • Sehr hohe Sickerwasserbelastung.
  • Eine geologische Barriere fehlt ebenso wie eine Basisabdichtung.
  • Deshalb ist bereits der größte mögliche Schaden eingetreten, der bei jeder Deponie unbedingt verhindert werden muss: Das Grundwasser ist und wird auch in Zukunft kontaminiert und muss deshalb dauerhaft (minimal bis 2075) sehr aufwendig behandelt werden.
  • Die Kontaminationen liegen deutlich über dem Sanierungsschwellwert.
  • Trotz umfangreicher „Sanierungsmaßnahmen“ seit den 1990er Jahren gibt es keine Entwarnung bei der Grundwasserbelastung.
  • Die biochemischen Prozesse im Deponiekörper sind noch lange nicht abgeschlossen.

Ausschlusskriterium 2

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Zwischen der alten und der neuen Deponie muss eine multifunktionale Dichtung eingebaut werden. Diese muss laut Deponieverordnung sowohl den deponierechtlichen Anforderungen an ein Oberflächenabdichtungssystem als auch den Anforderungen an ein Basisabdichtungssystem genügen. Dabei ist der vorhandene natürliche Untergrund (geologische Barriere) im Sinne der Deponieverordnung zu berücksichtigen.

Ist-Zustand Wicker:

  • In Flörsheim-Wicker gibt es keine geologische Barriere.
  • In den Teilbereichen A, C, D, F, G, besteht unmittelbarer Kontakt zwischen Mülleinlagerung und Grundwasser.
  • Auch durch eine noch so aufwendige multifunktionale Dichtung kann dieser Missstand nicht behoben werden.
  • Die Baumaßnahmen können zu einer zusätzlichen Belastung des Grundwassers führen.

Ausschlusskriterium 3

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Gemäß Deponieverordnung müssen der Altkörper und dessen Basis als Untergrund der neuen Deponie geeignet sein. Ein permanenter Abstand der Oberkante der geologischen Barriere vom höchsten zu erwartenden freien Grundwasserspiegel von mindestens einem Meter ist laut DepV zu gewährleisten.

Ist-Zustand Wicker:

  • In Flörsheim-Wicker reicht der Müll in Teilbereichen bis in den Grundwasserleiter hinein. Somit fehlt der in der DepV geforderte Mindestabstand zum Grundwasser.
  • Fachlich mittlerweile unstrittig ist die Tatsache, dass der geologische und hydrogeologische Untergrund in Flörsheim-Wicker für eine Deponie (welcher Klasse auch immer) völlig ungeeignet ist.

Ausschlusskriterium 4

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Zur Umsetzung des Konzepts „Deponie auf Deponie“ ist eine entsprechende behördliche Zulassung für die neue Deponie sowie eine entsprechende Änderung der Zulassung für den Altkörper durch die zuständige Behörde erforderlich.

Ist-Zustand Wicker:

  • Da der Planfeststellungsbeschluss von 1979 auf nachgewiesenermaßen völlig falschen Voraussetzungen beruht, könnte eine Änderung der Zulassung für den Altkörper nur dessen sofortige Stilllegung zur Folge haben.
  • Eine Änderung der Zulassung für den Altkörper dürfte aufgrund der Historie nahezu ausgeschlossen sein.

Ausschlusskriterium 5

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Die Setzungen des unteren Deponiekörpers müssen soweit abgeklungen sein, dass das Basisabdichtungssystem des überlagernden Deponiekörpers keine schädlichen Verformungen erfahren kann.

Ist-Zustand Wicker:

  • Die Setzungen sind laut Eigenkontrollbericht gerade auf der Fläche B noch erheblich und werden aufgrund der im Deponiekörper ablaufenden Zersetzungsprozesse auch noch Jahrzehnte andauern.
  • Die enormen Mengen an Hausmüll, die in den Jahren 2003 bis 2005 in der Fläche B abgelagert wurden, machen gerade diesen Bereich noch für viele Jahre extrem anfällig für Setzungen und Sackungen.
  • Erschwerend kommt hinzu, dass genau unter der geplanten Erweiterungsfläche (Altflächen A, B und C) zwei Verwerfungslinien des Falkenberg-Grabens verlaufen, die ebenfalls zu unkalkulierbaren Setzungen und Sackungen führen können.

Ausschlusskriterium 6

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Die durch die weitere Ablagerung von Abfällen zu erwartende Auflasterhöhung darf keine Verformungen des unteren Deponiekörpers verursachen.

Ist-Zustand Wicker:

Aufgrund der Ausgangssituation ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass genau das in Fläche B passieren wird (siehe Nr. 5).

Ausschlusskriterium 7

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Werden ehemalige Deponien erweitert, auf denen unvorbehandelte Siedlungsabfälle abgelagert wurden, müssen belastbare Setzungsabschätzungen insbesondere hinsichtlich ungleichmäßiger Setzungen vorgelegt werden.

Ist-Zustand Wicker:

  • Eine belastbare Setzungsprognose ist in Flörsheim-Wicker (insbesondere für die Fläche B) fachlich nicht leistbar.
  • Ein entsprechendes Gutachten wäre sehr leicht angreifbar.

Ausschlusskriterium 8

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Aufgrund der technischen Anforderungen müssen der untere Altkörper und die Deponiebasis als Untergrund des neuen Deponiekörpers geeignet sein, was insbesondere die bodenmechanischen Belastungen und das Setzungsverhalten betrifft.

Ist-Zustand Wicker:

In Flörsheim-Wicker völlig ausgeschlossen, wie die vorherigen Ausschlusskriterien bereits zeigen.

Ausschlusskriterium 9

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Es ist zu gewährleisten, dass keine nennenswerte Freisetzung gebundenen Porenwassers durch die zusätzliche Auflast bei der Überbauung von Deponien ohne Basisabdichtung und Sickerwasserfassung auftritt (sofern derartige Standorte überhaupt in Frage kommen).

Ist-Zustand Wicker:

  • Man muss davon ausgehen, dass das Porenwasser in Flörsheim-Wicker teilweise hoch kontaminiert ist und somit eine große Gefahr für das Grundwasser darstellt, sollte es durch zusätzliche Auflast freigesetzt werden.
  • Niemand kann in Flörsheim-Wicker garantieren, dass kein kontaminiertes Porenwasser freigesetzt wird.
  • Da das Grundwasser bereits jetzt erheblich kontaminiert ist, muss jede weitere Belastung vermieden werden.

Ausschlusskriterium 10

Fachlich/Rechtliche Voraussetzung:

Aufgrund der nachweislich großen Mengen von Industrie- und Sondermüll geht von der Deponie Wicker nach wie vor eine als groß zu bezeichnende Umweltgefahr aus (insbesondere für das Grundwasser).

In der Stilllegungsphase muss der Betreiber einer Deponie unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen durchführen, um negative Auswirkungen der Deponie auf die in § 10 Abs. 4 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes genannten Schutzgüter zu verhindern.

Ist-Zustand Wicker:

  • Jederzeit können durch chemische Prozesse, Setzungen und Sackungen im Deponiekörper Schadstoffe freigesetzt werden, die ungehindert das Grundwasser verunreinigen.
  • Durch eine „Deponie auf der Deponie“ wären in einem möglichen Schadensfall notwendige Sanierungsmaßnahmen im unteren Deponiekörper nur noch schwer oder gar nicht mehr möglich.
  • Die „Deponie auf Deponie“ stellt somit ein zusätzliches Risiko dar, welches sich nicht mit dem § 10 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vereinbaren lässt.

Fazit

Zieht man auf der Grundlage, der in diesem Papier aufbereiteten Daten und Fakten sowie den politischen Rahmenbedingungen ein Fazit, so kommt man zu folgendem Ergebnis:

  • Gegen die Deponie auf der Deponie gibt es einen breiten Widerstand in der Bevölkerung.
  • Das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der RMD ist massiv beschädigt.
  • Die oben aufgeführten Ausschlusskriterien 1 bis 10 zeigen mehr als deutlich, dass eine „Deponie auf der Deponie“ in Flörsheim-Wicker nach dem Stand der Technik und den genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Deponieverordnung nicht genehmigungsfähig ist.
  • Aufgrund der Historie, der Fakten und der Gefährdungssituation ist es politisch wie gesellschaftlich unverantwortlich, ein neues Planfeststellungsverfahren in Flörsheim-Wicker mit dem Ziel einer „Deponie auf der Deponie“ einzuleiten.

Anmerkung

Zur Erstellung der Expertise in Form einer vorgezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung wurden mehr als 4000 Seiten an Material (unter anderem Bilanzen, Kontrollberichte, Gutachten, Gesetze, Fachberichte, Genehmigungen, Presseartikel, Schriftverkehr) von den 1970er Jahren bis heute ausgewertet, katalogisiert sowie digitalisiert und können bei Bedarf eingesehen werden. Der Autor hat über das Thema Altlastensanierung promoviert und war unter anderem Mitglied des Umweltausschusses der IHK des Saarlandes, Umweltexperte der EU, Aufsichtsratsvorsitzender der BUL Brandenburg (Bergbausanierung und Landschaftsgestaltung Brandenburg). Als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Ecosoil Holding hat er mit seiner Firmengruppe und deren Tochtergesellschaften – zu der auch die ESM in Wicker gehörte – europaweit zahlreiche Deponien geplant, gebaut, betrieben und saniert. So war er unter anderem auch an den viel beachteten Sanierungsprojekten der US Air Base in Ramstein und an der Sanierung der Sonderabfalldeponie in Kölliken (Schweiz) beteiligt

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