Nicht zögern und die Hilfen annehmen Was der Flörsheimer Unternehmensberater Hans Emge den in Not geratenen Betrieben empfiehlt

Unternehmensberater Hans Emge mit Onkel Dagobert, der es auf das Cover seines Ratgeberbuches geschafft hatte, Der Geizhals aus Entenhausen würde wohl jede Coronakrise finanziell locker wegstecken, gerade bei Jungunternehmen sieht das oft anders aus.

Was der Flörsheimer Unternehmensberater Hans Emge den in Not geratenen Betrieben empfiehlt

Der richtige Umgang mit den Bedrohungen durch die Coronakrise – diese Diskussion besteht zu einem guten Teil aus dem Kampf von Unternehmensvertretern um die Debattenhoheit in Deutschland. Die übernahmen mit der Ankunft des Virus in unseren Breiten sehr schnell die Virologen und Mediziner, deren Empfehlungen zu einem konsequenten Unterbinden enger Kontakte zwischen den Menschen die Bundes- und Landesregierungen ebenso konsequent folgten. Inzwischen – auch angespornt von dem offensichtlichen Erfolg der Maßnahmen – verlagert sich die Diskussion deutlich. Sowohl der Drang der Bürger nach Bewegungsfreiheit als auch der Überlebenskampf der Betriebe bekommen mehr Gehör.

„Wenn der Umsatz wegbricht, löst das natürlich Verunsicherung aus. Und bei 80 Prozent bricht er zu einem großen Teil oder auch völlig weg – 20 Prozent profitieren aber auch von der Krise“, schätzt der Flörsheimer Unternehmensberater Hans Emge. Er hat „in den vergangenen Wochen so viel zu tun wie noch nie“ mit dem Gründernetz „Route A 66“, einem aktuell sechsköpfigen Non-Profit-Zusammenschluss von Experten, die sich vornehmlich der Begleitung von Unternehmensgründern widmen.

Emge ist für seine klaren, bisweilen schmerzhaften Ansagen an die Gründer bekannt, die derzeit eine besondere „Leidenszielgruppe“ sei, denn solche jungen Unternehmen sind naturgemäß besonders anfällig gegen Krisen, einfach weil noch keine Zeit war, ein Polster aufzubauen. „Es dauert unterschiedlich lange, bis man richtig im Geschäft ist“, erläutert Emge. „Gaststätten können sofort Geld verdienen, ein Statikbüro braucht eher zwei, drei Jahre um sich zu etablieren.“ Deshalb erstaunt es ihn auch etwas, wie derzeit gerade die Restaurants unter der Situation zu leiden scheinen.

„Wenn nach zwei Wochen geschlossener Gaststätte kein Geld mehr da ist, dann ist das Geschäftsmodell nicht in Ordnung“, stellt Emge klar. Ja, Krisen schaffen Momente der Wahrheit und Klarheit, jetzt zeigt sich, wer was drauf hat. „Wir erkennen jetzt, wer die Halben sind und wer die Ganzen.“ Die „Halben“ meint diejenigen, die nicht mit vollem Herzen und/oder Verstand ihr Gewerbe betreiben. Das merkt ein Unternehmensberater im Gespräch etwa daran, dass der Firmenchef von ihm gerne wissen will, wie er es trotz der Krise schafft, seinen Sommerurlaub zu retten.

In normalen Zeiten ist die Linie Emges bei seinen Beratungen, das Unternehmen von Beginn an auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. „Wir versuchen den Gründern zu sagen, es ist ein Marathon, den sie vor sich haben, deshalb raten wir zu einer höheren Finanzierung.“ Davon hat er zu Coronazeiten nichts zurückzunehmen, im Gegenteil. „Jetzt ist es angesagt, Geld zu pumpen, um die Krise zu überstehen.“ Kein Zögern beim Schritt also, die Kredite der staatlichen Förderbank KfW anzunehmen, zwar mit einer Verzinsung, aber bei voller Risikoübernahme des Staates, wenn es dennoch schiefgeht.

Umfassende Analysen der Unternehmensstruktur und wie sie angepasst werden könnte brauchen Zeit, zu viel Zeit in der aktuellen Situation. „Es geht jetzt um Schnelligkeit, wir raten die Kredite anzunehmen und nicht Zeit damit zu verlieren, lange Konzepte aufzustellen.“ Die Höhe des Kredits, der stets über die Hausbank abgewickelt wird, kann bis zu 800.000 Euro betragen, bei Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten. Bei Emges Klientel, den kleinen Jungunternehmen, ist der Zugriff auf die Corona-Kredite durch Bedingungen wie Gewinnnachweise etwas eingeschränkt – hier gibt es spezielle Gründerkredite mit 90 Prozent Risikoübernahme durch die KfW.

Ist das Überleben durch die Finanzspritze erst einmal gesichert, kann der nächste Schritt folgen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) finanziert Unternehmen, die nicht vor dem 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten gekommen sind, derzeit eine umfassende Unternehmensberatung – zu 100 Prozent. Wer mit seinem Betrieb durch die besondere Situation in Probleme geraten ist, für den gibt es auch bei diesem Punkt keine andere Ansage als zuzugreifen, findet Emge.

Mit Aussagen zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Cornakrise hält der Betriebswirt sich dagegen zurück – nicht seine Baustelle. Aber er sieht Parallelen zwischen dem Kampf der Mediziner um das Überleben ihrer Patienten und den der Unternehmer um den Fortbestand des Betriebes. „Corona entlarvt die hygienische Situation in unseren Heimen und die ökonomische der Unternehmen.“ Wie bei den infizierten Menschen wird es auch unter den Unternehmern die schwächsten treffen, die auch mit staatlicher Unterstützung nicht gerettet werden können.

Die Handlungsmöglichkeiten, die Mediziner haben, um einen Coronakranken zu behandeln, sind eng umschrieben. Unternehmer können dagegen, angepasst an ihre Branche und den jeweiligen Marktbedingungen, der Phantasie freien Lauf lassen, wie sie die Krise bewältigen. Dazu kennt Emge einige Beispiele. So stellte sich ein Zahnlabor völlig neu auf, denn „Zähne werden derzeit nicht produziert“. Also produziert das Unternehmen nun FFP-2-Masken, wie sie das Robert Koch Institut bei der Pflege von Corona-Infizierten einzusetzen empfiehlt. Zu den 20 Prozent Gewinnern der Krise zählt auch ein Online-Biervertrieb, der jedem Kunden seine Lieblingssorte beschafft, „deren Umsatz hat sich verdreifacht“, berichtet Emge. Dies auch, weil es sich im Angesicht des gestiegenen Interesses, aber auch reichlich Konkurrenz auf dem Markt einige besondere Angebote einfallen ließ.

Dagegen fällt ihm auf, dass viele Gaststätten den Umstieg auf Abhol- oder Lieferservice nur sehr halbherzig betreiben, „die sollten besser dichtmachen und warten, bis es vorbei ist“. Solche Betriebe gingen mit einer gewissen Arroganz an die Aufgabe heran, „sie denken, dann mache ich halt einen Lieferservice, aber es ist etwas ganz anderes, da muss man zum Beispiel die richtigen Verpackungen und Auslieferer haben“ – und wissen, ob sich die eigenen Gerichte überhaupt dafür eignen, durch die Gegend transportiert zu werden. Auch in der Restaurantbranche gilt eben: „Jetzt zeigt sich, was ein Unternehmer ist – unsere Hoffnung lautet, dass die falschen Gaststätten Pleite machen und die richtigen überleben.“

Ein gewisses Sterben im Einzelhandel und der Gastronomie wird sich nicht vermeiden lassen. „Es ist eine Ausnahmesituation, die nur vergleichbar ist mit einem Krieg“, betont er. „Sie wird auch eine Zäsur bringen wie ein Krieg und eine Nachkriegssituation.“ Emge tut sich allerdings schwer damit zu prognostizieren, wie sich die Lage weiterentwickeln wird, wenn die Beschränkungen aufhören. „Die Frage ist, wenn wieder geöffnet wird, wie die Leute es annehmen, mit Begeisterung oder Vorsicht?“, fragt er sich und gibt zu bedenken, dass „danach“ längst nicht alles wieder wie gewohnt anlaufen muss.

Emge bekennt, sehr erstaunt zu registrieren, „was dieser Staat in den vergangenen vier Wochen hinbekommen hat – das hat er in zehn Jahren nicht geschafft“. Er findet es „äußerst überraschend, wie unbürokratisch und schnell dieser sonst so behäbige, bürokratische Staat die Maßnahmen eingeleitet hat“. Über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Krise, sprich die Verschuldungslage des Staates, da hält er sich mit einer Einschätzung zurück, weil es in seiner Arbeit um Geldbeträge im sechs- bis siebenstelligen Bereich geht. Hier dreht sich alles längst um Billionen.

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