Zurück zum Referenzjahr 2019

Im Hauptausschuss erläuterten Vertreter von Fraport und Landesregierung die Situation am Flughafen

Mit der letzten Ruhestätte ist der Neue Friedhof in Flörsheim nicht gerade treffend umschrieben, solange die Flieger die Nordwestlandebahn des Frankfurter Flughafens ansteuern.

Wenn in Flörsheim über das Thema Flughafen Frankfurt geredet wird, interessiert vor allem ein Thema: Wie der Lärmteppich, der seit der Eröffnung der Nordwestlandebahn über der Stadt liegt, eingegrenzt und spürbar abgebaut werden kann. So gesehen, war der bestellte Besuch von Fraport-Mitarbeiter Thomas Schäfer und der Fluglärmschutzbeauftragten der Hessischen Landesregierung, Regine Barth, im Haupt- und Finanzausschuss doch etwas am Thema vorbei – aber nur scheinbar.

Als Schäfer über die Pläne der Fraport AG zur allmählichen Rückkehr zum Normalbetrieb referierte, malte er ein Hoffnungsbild des Flughafenbetreibers, das bei den Flörsheimer Kommunalpolitikerinnen und -politikern als Drohszenario ankommt.

Grundlage der Diskussion ist ein von der GALF initiierter Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, der – man muss es halt immer wieder mal probieren – die Forderung eines (echten) Nachtflugverbots von 22 bis 6 Uhr einfordert, dazu den Stopp des Baus des Terminals 3 mit Ausarbeitung einer Neukonzeption sowie die dauerhafte Stilllegung der Nordwestlandebahn.

Der Zusammenbruch des Flugverkehrs mit dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 hat Flörsheim auf den Geschmack gebracht: Ach, könnte es doch immer so schön leise am Himmel über der Stadt bleiben. Dass dem nicht so sein würde, war zwar abzusehen, aber Basis des GALF-Vorstoßes war die Erwartung, dass die prognostizierte lange Erholungsphase bei den Passagierzahlen den Spielraum gibt, auf die Landebahn jedenfalls vorerst wieder zu verzichten.

Auch wenn GALF-Vertreter Peter Kluin die Einlassungen der beiden Referenten mit der Bemerkung zurechtstutzte, dass Ausführungen etwa zur wirtschaftlichen Entwicklung in Flörsheim wenig interessierten und die Diskussion auf die Nachtflugthematik umlenkte, zeigte Schäfers Präsentation, die er vermutlich derzeit häufiger vorführen darf, doch eines deutlich auf: Die Fraport will so schnell wie möglich die Verluste des Passagieraufkommens durch Corona wieder aufholen und denkt gar nicht dran, auf das Terminal 3 zu verzichten. Allerdings wurde das Tempo der Bauarbeiten deutlich reduziert, erläuterte Schäfer, weil es nun später benötigt wird als vor der Pandemie erwartet – Zielvorgabe für die Eröffnung ist nun 2026. Das Jahr, in dem Fraport eine Rückkehr auf das Niveau der Flugbewegungen vor der Krise erwartet.

Diese Erwartungen wirken sich natürlich auch auf die Pläne des Flughafenbetreibers für die Zukunft der Nordwestlandebahn aus. Das Jahr 2019, zu dem die Fraport zurückkehren will, war ein Rekordjahr für den Flughafen, mit 70,6 Millionen Passagieren und 514.000 Flugbewegungen. Nicht nur die Nordwestlandebahn, die vom März bis 8. Juli 2020 und erneut vom 14. Dezember 2020 bis 31. Mai 2021 stillgelegt war, musste der Betreiber nach Ausbruch der Pandemie vorübergehend ausloggen.

Inzwischen sind wieder 50 Prozent der Passagierzahlen und 70 Prozent der Flugbewegungen vom Referenzwert 2019 erreicht – die Auslastung der Flieger lässt also noch zu wünschen übrig, was Flörsheim aber keine Entlastung einbringt. „Weil wir an die Zukunft glauben, halten wir am Ausbau unserer Infrastruktur fest“, schreibt Schäfer all denen ins Stammbuch, die auf ein Umdenken bei der Fraport hofften.

Dann versuchte der Umweltmanager des Konzerns dem Ausschuss zu erläutern, dass sich die Fraport auch um das Thema Klimaschutz kümmert, für das Jahr 2050 den klimaneutralen Flughafen anvisiert. Schöne Ziele, die aber auch mit dem Lärmteppich über Flörsheim eher wenig zu tun haben. Zumal das Ganze dem Unternehmen auf keinen Fall im Ranking Schaden zufüge darf. „Wir unterstützen grundsätzlich die Zielsetzung der EU-Kommission – aber die Maßnahmen müssen wettbewerbsneutral umgesetzt werden“, erklärte Schäfer.

Konkret auf die Forderungen des ausgedehnten Nachtflugverbots ging Regine Barth ein. Sie erläuterte, dass der Planfeststellungsbeschluss zur Nordwestlandebahn, der Flugbewegungen zwischen 22 Uhr und 23 Uhr zulasse, bestandskräftg sei, durch die Pandemie nicht seine Rechtskraft verliere und folglich nicht ausgesetzt werden könne.

Die in dieser Stunde ankommenden Flüge seien allesamt Kontinentalflüge mit Urlaubern an Bord. Diese Flugzeuge flögen zwei-, dreimal am Tag auf ihrer Strecke hin und her und müssten daher nach Frankfurt, weil sie am nächsten Morgen wieder gebraucht würden. Bei den Ankünften zwischen fünf und sechs Uhr handle es sich um Folgen der Zeitverschiebung zu den Startländern der Flüge, ergänzte Barth. Während bei den Abflügen jeder Start außerhalb der erlaubten Zeiten eine Sondergenehmigung benötige, deren Vergabe auch recht restriktiv gehandhabt werden, gebe es diese Genehmigungspflicht bei den Ankünften nach 23 Uhr nicht, Verspätungen sind erlaubt – jedenfalls bis 24 Uhr. „Sie dürfen sich nur nicht aus der Flugplangestaltung ergeben“. Da spricht sicher dafür, dass auch verspätete Flieger nun einmal landen müssen.

Ob die Landesregierung wegen der Klimaziele an eine Umsteuerung denke, die den Flugverkehr reduziere? In Frankfurt betrage der Anteil der Kurzstreckenflüge nur rund zehn Prozent, verdeutlichte Barth. Die Energieeffizienz der Gebäude auf dem Flughafen ist für das Land das lohnendere Thema, klimafreundlichere Treibstoffe seien jedenfalls für Langstreckenflüge noch nicht in Sicht. Zusammengefasst: Der Flughafenbetrieb wird seinen Weg gehen, das Flörsheimer Thema ist besonders nach den Verwaltungsgerichtsurteilen gegen die Klagen gegen die Planfeststellung wohl kein Thema mehr.

Peter Kluin sieht bei Fraport wie Landesregierung einen Mangel an Willen. Thema Kurzstreckenflüge: die würden in anderen Ländern längst konsequent auf die Schienen verlegt, „obwohl das Netz dort auch nicht besser ausgebaut ist als bei uns“. Nicht die Logisitk und Zeitverschiebung löse es aus, dass um 5 Uhr Flugzeuge in Frankfurt ankämen, „da geht es nur ums Geld“. Mit etwas Grips seien Umplanungen, die Ruhe am Flörsheimer Himmel von 22 bis 6 Uhr schaffe, durchaus möglich, vermutet Kluin. Er forderte Überlegungen von Fraport, Fluggesellschaften und Landesregierung ein, wie die Flörsheimer entlastet werden könnten.

Auch CDU-Fraktionschef Marcus Reif hält die aktuelle Situation für nicht tragbar und sieht die Ursache für die Überschreitungen der Ankünfte in den Randstunden hausgemacht durch die viel zu eng getakteten Flugpläne, „da können die Landezeiten gar nicht eingehalten werden. Die Unzufriedenheit mit der Linie der Fraport und wie die Landesregierung diese mitträgt, ist in Flörsheim weiter groß, aber der Abend endete realistisch betrachtet mit der Erkenntnis, dass es kleinen Anlass gibt anzunehmen, dass sich an der „Weiter so“-Haltung etwas ändern wird. Dass Schäfer darauf verwies, es werde versucht, über empfindlich höhere Gebühren für die Landungen in den Randstunden etwas zu steuern, mag zwar ein Ansatz sein. Was das einbringt an tatsächlicher Entlastung, dass konnte der Fraport-Vertreter allerdings nicht benennen.

Noch keine Haushaltsdebatte

Auch über den in der vorausgegangenen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung von Bürgermeister Bernd Blisch eingereichten Haushalt 2022 sollte eigentlich geredet werden. Da erklärten sich die Fraktionen allerdings als noch nicht bereit für das Vortragen von Fragen an die Finanzabteilung. Üblicherweise gehen diesen Festlegungen Klausurtagungen der Fraktionen voraus, die erst später anstanden. In der kommenden Sitzung des Ausschusses sollten die Fraktionen eigentlich schon Anträge vorlegen, damit über diese in der übernächsten und letzten HauFi-Sitzung des Jahres am 9. Dezember abgestimmt werden kann. Dann kann der Etatentwurf noch in der Dezembersitzung der Stadtverordnetenversammlung (14.) verabschiedet werden. Den Termin wollen die Fraktionen sicherlich nicht sprengen, es kann aber sein, dass sie nun eine Extrasitzung einlegen müssen.

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