Extrem pietätlos

Leserin Ruth Ullrich ist über ein Schreiben des Ordnungsamtes der Stadt Flörsheim verärgert: Einen Tag nach dem zweiten Todestag ihres Mannes, nämlich am 18. Februar, wurde sie an die fehlende Grabplatte erinnert und aufgefordert, die auf dem Grab niedergelegten Gegenstände binnen einer Woche zu entfernen.

Ihre postwendende Stellungnahme möchte sie der Öffentlichkeit nicht vorenthalten; es folgt eine gekürzte Fassung.

Sehr geehrte Damen und Herren des Ordnungsamtes der Stadt Flörsheim!

Ich muss Ihnen gratulieren: Das ist doch mal ein richtig netter Gruß! Sie lassen mir darin mitteilen, dass ich auch nach über einem Jahr noch keine Grabplatte auf dem Grab meines Mannes habe setzen lassen und dass ich die Gegenstände, die dort niedergelegt wurden, binnen einer Woche zu entfernen habe. Sie waren besonders aufmerksam: Sie haben sogar ein datiertes Beweisfoto hinzugefügt! Ein Detail scheint Ihrer Behörde entgangen zu sein. Oder ist es gewollt, eine Familie, die auch zwei Jahre nach dem Tod des Ehemannes, Vaters, Opas und Schwiegervaters, einen Tag nach dem Todestag, der auch heute noch sehr schwer für uns ist, mit solch liebevollen Zeilen zu erfreuen? Dies hätte Ihnen auffallen können, denn noch steht das Kreuz und das Datum ist auf dem Foto gut zu erkennen. Ich frage mich, ob die Stadt Flörsheim generell über ein getrübtes Augenlicht verfügt? In Ihrem Schreiben weisen Sie darauf hin, dass der Zustand der Grabstätte der Rasenpflege entgegensteht. Allerdings fragen wir uns, wenn wir das „Beweisfoto“ ansehen: Was ist mit dem restlichen Zustand des Friedhofs?

Zu der noch nicht gesetzten Grabplatte lässt sich Folgendes anmerken: Vor über einem Jahr empfahl der Bürgermeister meiner ältesten Tochter, dass man ja das Grab ihres Vaters problemlos verlegen könne, falls sie Bedenken bezüglich der Verbreiterung der Keltenstraße habe. Dies empfanden wir damals schon als extrem pietätlos. Wir setzen in die Stadt Flörsheim kein Vertrauen mehr, dass diese Bauarbeiten ohne Beschädigung der Gräber vonstattengehen. Die Kreuze wurden damals einfach entfernt. Der Bauzaun, welcher alles andere als einladend ist, still zu gedenken, ist bis heute nicht durch eine dauerhafte Einzäunung, die auch eine gewisse Privatsphäre bietet, ersetzt! Gefragt wird man ja nicht, wo man das Grab gerne hätte. Den uns zugewiesenen Platz direkt an der Straße hätte sich sicherlich niemand ausgesucht.

Komischerweise scheint die Stadt hierbei alle Zeit der Welt zu haben. Ich muss insgesamt feststellen, dass sich der Umgang mit Trauernden seitens der Stadt Flörsheim stark verbessern lässt! Aus anderen Gemeinden kenne ich eine solche Vorgehensweise nicht. Ich muss auch feststellen, dass ich mich wirklich mit dem Gedanken trage, ob ich nach meinem Tod dort begraben sein möchte. Ein zweites Mal möchte ich meinen Angehörigen solch unnötige Aufregung ersparen. Ich habe bereits bei der letzten Wahl keine Wahlmöglichkeit mehr gesehen, denn im Moment fühle ich mich von der Flörsheimer Stadtpolitik mehr als verraten und verkauft.

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