Zum Thema: „Kein Kulturprogramm mehr in Flörsheim“

Ich war vorab informiert, dennoch hat es mich geschockt, als ich es in der Zeitung lesen musste. Fremdschämen liegt mir eigentlich fern, aber als Flörsheimer habe ich mich dennoch geschämt, dass das jetzt auch in den Nachbarstädten gelesen wird, dass wir mit dem Flörsheimer Kulturprogramm jetzt eine derartige politische Pleite hinlegen. Das Kulturprogramm fällt aus, ebenso die Förderung des kulturellen Vereinslebens und das vielleicht sogar noch bis ins nächste Jahr hinein. Das ist für mich der absolute Tiefpunkt der stadtentwicklungsmäßigen Zeit seit dem Beginn der 1970er Jahre.

Und warum? – Weil es hauptamtliche Magistratsmitglieder nicht schaffen, einen Haushalt so vorzulegen, dass er von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden kann. Hausaufgaben wurden nicht gemacht.

Um Missverständnissen vorzubeugen, werde ich die Frage, was das mit Stadtplanung zu tun hat in dem Sinne beantworten, wie ich das immer wieder in meinen Vorträgen dargelegt habe: Die bisherige Qualität sowie die Vielfalt der Kurse und Veranstaltungen waren für mich als Stadtplaner immer äußerst wichtige Begleiter auf dem Weg zu einer unverwechselbaren, attraktiven und erfolgreichen städtebaulichen Entwicklung. Kurz wiederhole ich die Kernthese: Bei aller Lagegunst ist die Stadt erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt, die als harte Faktoren entgegenwirken. Dem gilt es kompensierend weiche Standortqualitäten entgegen zu stellen und eine der wichtigen Säulen stellt das vielfältige – insbesondere städtische – Kulturprogramm dar.

Ich selbst habe mich immer wieder am Kulturprogramm beteiligt, durch Vorträge, Führungen, Kulturfahrten. Auch durch Musik- und Satireveranstaltungen, die für mich nicht nur Hobby waren, sondern durch eigene Texte zu Flörsheimer Besonderheiten auch das Ziel hatten, ein Flörsheimer Selbstbewusstsein zu verstärken. Wie ich das auch immer durch städtebauliche und stadtgestalterische Maßnahmen angestrebt habe. Als kleine Mittelstadt im polyzentralen Rhein-Main-Ballungsraum muss eine Stadt erst einmal genügend wahrgenommen werden. Sie muss als „Persönlichkeit“ mit ihren Besonderheiten herausgearbeitet werden, um ihre eigene Identität zu entwickeln. In diesem Ziel sah ich mich einig mit den beiden wichtigsten Bürgermeistern meiner Tätigkeitszeit, Josef Anna und Dieter Wolf.

Obwohl unterschiedlicher Parteizugehörigkeit, haben wir an diesem Ziel erfolgreich über drei Jahrzehnte zusammen gearbeitet. Zur Wichtigkeit der Kultur habe ich Rückmeldungen erhalten. Ich habe bei Kulturfahrten manchmal gefragt, wie man aus anderen Städten zur Teilnahme am Flörsheimer Kulturprogramm gekommen sei. „Weil es bei uns nichts Vergleichbares in dieser Vielfalt gibt“, war die Antwort. Qualität spricht sich herum und das trägt bei zum angestrebten Profil einer Stadt. Es hilft parallel auch der Stadtplanung und führt zu Übersummenwirkungen.

Ich erinnere mich an den mühevollen Aufbau seit Beginn meiner Tätigkeit. Bereits Josef Anna hat berichtet, wie schwer es anfangs war, entsprechendes Publikum zur Teilnahme zu motivieren.

Dieter Wolf hat dann mit persönlichen Anschreiben – nach der Einrichtung des Flörshe mer Kellers, später des Kunstforum Mainturm Fortschritte gemacht. Es war harte Arbeit und hat über Jahrzehnte schließlich zur einem städtischen Kulturleben geführt, wie wir es bis jetzt erlebt haben. Das liegt aber natürlich auch an der Qualität und den außergewöhnlichen Leistungen des Kulturamts mit ihrer Leiterin Haidi Schilling und ihrem Team, die gemeinsam Attraktivität und Vielfalt der Angebote entwickelt haben. Für die Stadt ist hier ein Alleinstellungsmerkmal entstanden, das wesentlich zur Identität Flörsheims beigetragen hat.

Wenn jetzt durch welche Gründe auch immer diese Kontinuität im Kulturbereich abgebrochen wird, ist das unverantwortlich und stellt für mich eine Krise der Stadt weit über das Kulturelle hinaus dar. Ich benenne nicht einzelne Gründe und klage auch keine Personen an. Hier wurde kein Haushalt durch die Kommunalaufsicht genehmigt, einfach deshalb, weil hoch bezahlte Leute ihre „Hausaufgaben“ nicht gemacht haben oder – schlimmer – sich gegenseitig ärgern wollen und den Schwarzen Peter weiterschieben wollen. Hier wird jahrzehntelange, erfolgreiche Arbeit kaputt gemacht und Porzellan zerschlagen, dessen Ersatz nicht einfach wieder zu beschaffen sein wird.

Das Ganze hat dann noch ein populistisches Trostpflästerchen: die Kerb wird als einzige Kulturveranstaltung stattfinden. Viel Kultur bleibt aber damit nicht. Hier muss dringend ein kurzfristiger Ansatz zur Abhilfe gefunden werden. Die Stadt kann nicht monatelang warten.

Dem drohenden Niedergang der städtischen Kultur entspricht – schon wesentlich früher beginnend – der Niedergang der Baukultur. Ich spreche nicht von der Neuen Mitte in der Innenstadt. Dazu habe ich Positives zu sagen. Der Niedergang betrifft die Altstadt sowie die städtischen Freianlagen, die sich in einem grausa- men Zustand der Vernachlässigung befinden. Der erste geplante Kahlschlag war Programm für eine neue Amtsperiode, die Ziele wurden aber von den Wählern nicht geteilt.

Der mühevolle Aufstieg der Altstadt von einem – von Manchem so gesehenen – Abbruchviertel zu einem weit über die Stadt hinaus anerkannten, aufgewerteten, historischen Ortskern sowie der inzwischen unübersehbare, beginnende Niedergang durch mangelnde Befassung werde ich in einem zweiten Teil meiner Ausführungen zeitnah vorlegen.

Prof. Horst Thomas, Flörsheim

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