Ich weise ganz entschieden zurück, dass es in unserer Städtepartnerschaft nur um gemeinsames Feiern, gemeinsames Essen und Trinken geht. Wir hatten in den vergangenen Jahren zu einigen sehr informativen Vorträgen und Veranstaltungen eingeladen. Erinnern möchte ich nur an einige wenige wie zum Beispiel an den Auftritt des deutsch-türkischen Kabarettisten Sinasi Dikmen (bekannt vom Frankfurter Kabarett „Die KÄS“), an den Vortrag von Volker Dreike, Diplomat und ehemaliger Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität in Izmir, an die Musikveranstaltung mit dem Duo Morgenwind, an die Veranstaltung mit Dr. Lale Akgün und der Journalistin Canan Topçu, an die Veranstaltung mit dem Institutsleiter des Goethe-Instituts Izmir, Roland Schmidt, an eine Lesung mit dem Thema „Meine Erlebnisse in Güzelbahçe – Geschichten aus dem Alltag“ mit Bruni Stroh (Ehefrau von Wolf Stroh, ehemaliger deutscher Generalkonsul in Izmir) und nicht zuletzt an unser Jubiläumskonzert mit der „Unterbiberger Hofmusik“.
Auch unsere alljährlichen Gruppenreisen (in diesem Jahr schon die 15.!) sind keine Vergnügungsreisen (auch wenn das Essen und das Feiern nicht zu kurz kommt). Fragen Sie einfach mal unsere Mitreisenden, welche Fülle an Programmpunkten unsere Reisen aufzubieten hatten. Dabei ist es für uns immer noch selbstverständlich, dass die Stadt Güzelbahçe mit ihren Menschen Vorrang hat. Und wie bei uns hier in Flörsheim ist es auch in Güzelbahçe ähnlich: Die besten und schönsten Kontakte knüpft man auf dem Wochenmarkt, auf einem Bauernmarkt, beim Bummel durch die Altstadt oder bei einem Gläschen Tee auf dem Rathausplatz.
Dass türkische Freunde uns inzwischen seit über einem Jahrzehnt in ihrem Weinberg bewirten oder der Hotelbesitzer für uns Konzerte und anderes organisiert, zeigt welche Freundschaften sich im Laufe der Jahre entwickelt und gefestigt hat.
Seit Anbeginn, seit sechs Jahren, nehmen wir auch alljährlich am Deutschen Weihnachtsbasar in Güzelbahçe teil. Die Einnahmen werden für soziale Zwecke verwendet. Derzeit ist ein einmaliges Projekt in Planung (der Spatenstich erfolgt in Kürze): Das „Behindertenzentrum mit Werkstätten der Partnerstädte Güzelbahçe und Flörsheim am Main“. Mit diesem Projekt, das durch die Europäische Union und den beiden Partnerstadtvereinen Güzelbahçe und Flörsheim am Main unterstützt wird, wird eine Behindertenwerkstatt für die in Güzelbahçe und in unmittelbarer Umgebung wohnhaften geistig und/oder körperlich leicht Behinderten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren errichtet; zunächst für 25, später jedoch für insgesamt 100 Personen. Projektpartner ist übrigens die EVIM Behindertenhilfe (Schlocker-Stiftung) in Hattersheim.
Seit vielen Jahren ist es für uns auch zur Tradition geworden, im Umland von Izmir türkische oder Deutsch-Türkische Unternehmen zu besuchen. Interessant war dabei die Besichtigungen einer Gewürzfabrik und einer Olivenmühle in Güzelbahçe. Mit der Deutschen Stabsgruppe beim NATO CC-Air Hauptquartier verbindet uns nach einem zweiten Besuch inzwischen eine kleine Freundschaft. Besichtigt haben wir auch die Efe-Raki Brennerei und die Tuborg-Brauerei. Ein Besuch im Goetheinstitut und die Besichtigung der „Pfalz- Flugzeugwerke GmbH (PFW)“ in Izmir zählte ebenfalls zu den Programmpunkten wie Europas größte Sammlung alter Dampflokomotiven in Çamlık. Aufzuzählen sind neben dem Feuerwehr FIRE und Naturkatastrophen Training Center (IYDEM) auch die Urla ŞSarapçılık und UZBASŞ mit seinen Palmen, „Hugo Boss“ in der Freihandelszone Gaziemir, die „Deutsche Schule Izmir“, das Deutsche Generalkonsulat, das „MEBA-Outlet“, Dr. Oetker in Pancar-Torbalı und der Trailer (Sattelauflieger)-Hersteller Krone. In diesem Jahr wird es – nach 2008 – nicht nur zum zweiten Male zur Efe-Raki Brennerei gehen, sondern auch zu ProDentAl (Fertigung von Zahnersatz) in Çigli und zur deutschen Karma Bäckerei in Karsıyaka.
Dass der kulturelle Teil bei unseren Gruppenreisen aber ebenso nicht zu kurz kommt, garantiert schon die Nähe zu den Ausgrabungen von Efesus und dem Haus Mariens. Aber auch im direkten Umfeld von Güzelbahçe gibt es Erwähnenswertes, das wir besichtigen konnten. Direkt neben unserem Hotel liegt sowohl der älteste Hafen der Antike wie auch die älteste Olivenöl-Mühle der Antike. Gegenüber unserem Hotel konnten wir die sogenannte „Lepra“-Insel besichtigen; ein Schiffsanlegeplatz, an dem sich noch bis in die Fünfziger Jahre nicht nur alle Schiffe, die Izmir anliefen, sondern auch deren Passagiere und Besatzung einer Desinfektion unterziehen mussten.
Mitglieder der CDU habe ich übrigens bei unseren zuvor genannten Veranstaltungen und bei unseren Gruppenreisen – bis auf wenige Ausnahmen – keine gesehen. Für mich verständlich, war es doch die CDU, die diese Städtepartnerschaft unter keinen Umständen wollte. Nur, um den ehemaligen Bürgermeister Ulrich Krebs nicht im Regen stehen zu lassen, hat man sich 2004 für eine „Städtefreundschaft“ entschieden. Dabei vergesse ich nicht, dass mir der damalige Fraktionsvorsitzende Michael Kröhle die Unvereinbarkeit vom Stadtverordnetenvorsteher-Mandat und eines Vorsitzenden des Deutsch-Türkischen Freundeskreises klar machen wollte und mich auch danach noch aufforderte, mein Engagement für eine Städtepartnerschaft zu unterlassen.
Auch ein Schüleraustausch kam bis heute – obwohl von türkischer Seite her immer noch gewünscht – nicht zustande. Das Graf-Stauffenberg-Gymnasium hat mit dem Hinweis bereits vorhandener Austauschprogramme im englischsprachigen Bereich keine Möglichkeit für einen türkischen Schüleraustausch gesehen; für die ehemalige Leiterin der Sophie-Scholl-Schule war das Tragen von Kopftüchern der Hinderungsgrund.
Dass die CDU, was die Ausführungen von Herrn Dr. Blisch vermuten lassen, jetzt endlich die Wichtigkeit von Städtepartnerschaften – auch der türkischen Partnerschaft – erkannt hat, sehe ich als großen Fortschritt – auch gegenüber unserer türkischen Bevölkerung.
Anton Geisinger, Vorsitzender Deutsch-Türkischer Freundeskreis Flörsheim e. V.