800 Eier und fünf Kilogramm Speck

Kerbeborsch führen alte Tradition fort/ Vierstündige Sammelaktion durch Wicker

WICKER (ak) – Am Kerbemontag waren die „Woibomber“ schon um 7 Uhr in den noch stillen Wickerer Straßen unterwegs. Die Wickerer Kerbeborsch des Jahres 2012 erfüllten ihre traditionelle Pflicht und klapperten mit einem Leiterwagen die Haustüren ab und baten auch in diesem Jahr um „Eierspenden“. 

 

„Wir sind heute Morgen fast vier Stunden durch Wicker gelaufen und haben Eier gesammelt – klar, manche haben von nix gewusst, einige waren vielleicht schon auf der Arbeit und nicht mehr zu Hause. Aber diejenigen, die Zuhause waren, wussten, dass heute Morgen die Kerbeborsche zu ihnen kommen und haben meist ein Zehnerpäckchen Eier gegeben“, erzählte Michael Diener. Ihm gefällt es sehr gut, Kerbeborsch in Wicker zu sein. Für ihn ist es bereits das zweite Mal – dabei ist er gar kein Wickerer, sondern kommt aus Hattersheim. 
„Freunde aus Wicker haben mich dazu gebracht, hier mitzumachen. Ich finde es gut, diese Tradition zu erhalten!“ Ihm und seinen „Woibomber-Kollegen“ ist nicht bewusst, dass das Eieressen wohl auf einen über hundert Jahre alten Brauch zurückgeht, nach dem sich junge Männer am Tag nach ihrem Eintritt ins Militär zum gemeinsamen Eieressen trafen. Das „Outfit“ der Kerbeborsche erinnert aber auch heute noch daran, denn damals trugen die „Gemusterten“ ebenso Bänder in den Farben ihres zukünftigen Regiments.
Fast 800 Eier haben die „Woibomber“ in diesem Jahr für das traditionelle „Eieressen“ beim Frühschoppen am Kerbemontag gesammelt. Das Kerbezelt auf dem Schulhof der alten Goldbornschule war um 12 Uhr bis auf den letzten Platz besetzt. Aus den vielen Eiern und etwa fünf Kilogramm fein geschnittenem Speck hatte der „Chefkoch“ Ralf Langer, vom veranstaltenden Club Fidelio, in einer enorm großen Eisenpfanne Rührei für die ganze Kerbegesellschaft zubereitet. Der appetitliche Duft erfüllte das komplette Zelt.
„Wir haben schon um 10.30 Uhr angefangen Eier aufzuschlagen – man muss ja immer aufpassen, dass die Eier auch in Ordnung sind. Es kommt auch heute immer noch mal vor, dass faule Exemplare dabei sind, die kommen bei uns natürlich nicht in die Pfanne“, berichtete Peter Ripperger von der großen „Eierrühraktion“ am Kerbemontag. 
Bald türmten sich an vielen Tischen die großen Portionen der liebevoll mit Kräutern dekorierten Eierspeise auf den Tellern. Begleitet von einer Scheibe herzhaftem Brot mit Butter kostete die traditionelle Wickerer Kerbespeise 2 Euro. „Wir haben uns nur eine Portion geholt für uns beide. Die sind ja so groß, da wäre uns ein Teller für jeden einfach zu viel“, schmunzelte Ursula Sennewald, die sich mit ihrem Mann Thilo eine Rühreiportion teilte. Beide sind Mitglied im Historischen Verein von Wicker. Thilo Sennewald war Wickerer Kerbeborsch im Jahr 1959 und erinnert sich, dass es auch damals schon das „Eieressen“ am Kerbemontag gab.
Der Ehrenvorsitzende des Historischen Vereins, Theo Heimbuch, war bei der „Kerbegesellschaft Rebenblut“ 1953 Kerbeborsch. Er denkt noch heute gerne an diese Zeit zurück. „Wir mussten damals jeder zwei Lose für den Kerbebaum und den Kerbehammel nehmen – wer die nicht wieder weiter verkaufen konnte, musste sie selbst bezahlen. Das war damals für uns viel Geld. Heute kann man sich leichter vom Loseverkauf 'freikaufen'. An eine Kerb in den schlechten Zeiten kann ich mich erinnern – da bekam man für seine Eintrittskarte in die Wickerer 'Schöne Aussicht' einen Teller Erbsensuppe.“
Auch wenn die alten Zeiten unwiederbringlich vorbei sind, freut sich Theo Heimbuch, dass die Tradition der Wickerer Zeltkerb seit 19 Jahren wieder aufgegriffen wird und offensichtlich am Leben ist. Denn dass die Kerbeborsch der letzten Jahre ebenfalls stolz darauf sind, ein Teil der Wickerer Kerb gewesen zu sein, konnte man an Aufschriften zahlreicher T-Shirts erkennen: Dort saßen „Stützestemmer“, „Reberatzer“, „Rebestumper“, „Rieslingreider“, „Rieslingpanscher“, „Trauwelutscher“ und „Pergelpligger“ – alles Namen für Kerbeborsche der vergangenen Jahre. Weiterhin konnte man auch schon mal ein stolzes „Echt Wickerer Mädche“ am T-Shirt erkennen. 
Für die Kerb im nächsten Jahr haben sich immerhin schon acht „Vize“ (so werden die Kerbeborsch des nächsten Jahres genannt) gemeldet. Einige der „Woibomber“ aus diesem Jahr werden mit Sicherheit auch wieder dabei sein.
Einiges zur besonders guten Stimmung im Kerbezelt trug auch die Musik der Band „Echt Guat“ bei. Es wurde nicht nur gegessen und getrunken, sondern auch gut gelaunt geklatscht, geschunkelt und sogar mitgesungen.
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