Die Hoffnung auf einen barrierefreien Ausbaus des Hattersheimer Bahnhofs bewegt schon seit vielen Jahren die hiesige Bevölkerung - und beschäftigt seit nicht minder langer Zeit die städtische Verwaltung sowie die Kommunalpolitik. Da eine Lösung nun endlich greifbar erscheint, bot sich dieses Thema an für die Bürgerversammlung, die in der vergangenen Woche am Mittwochabend, 19. November, in der Stadthalle stattfand und erfreulich viele interessierte Bürgerinnen und Bürger anlockte.
Ein weiteres Thema des Abends war das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) für Hattersheim, das unter dem Motto "Hattersheim – Zukunft findet Stadt“ läuft und nach der Auftaktveranstaltung in der Scheune des Alten Posthofs am 7. November auch an dieser Stelle noch einmal ausführlich vorgestellt wurde.
Doch zurück zum Bahnhof: Bürgermeister Klaus Schindling berichtete, dass die aktuelle Treppenanlage am Bahnhof, mit ihren fehlenden barrierefreien Möglichkeiten für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Kinderwägen, "einfach nicht zumutbar" sei. Und nach langer Zeit konnte man nun endlich mit der Deutschen Bahn eine Übereinkunft treffen, und allein schon die Kostendimension von über 20 Millionen Euro zeigt auf, dass es sich hierbei um ein Großprojekt mit hohem planerischen Aufwand handelt, gerade wenn man bedenkt, dass in Deutschland alle Bahnhöfe sukzessive barrierefrei werden sollen.
Die Stadt Hattersheim hat dabei auch diverse Wünsche der Bürgerinnen und Bürger im Ausbauplan unterbringen können, wobei diese zuweilen kostenmäßig von der Stadt getragen werden, weil die Pläne der Deutschen Bahn sie nicht beinhalten würden und deshalb seitens der Bahn auch kein Wille besteht, die Kosten hierfür zu tragen. Hierzu zählt beispielsweise die Überdachung auf dem Mittelbahnsteig, wo man seitens der Hattersheimer Verwaltung die Pläne der Bahn nicht als ausreichend erachtet: Würde man sich hier auf die vorgeschriebene Überdachung von fünf Metern Länge beschränken, bei einer deutlich längeren Zuglänge, würde man auch wissentlich in Kauf nehmen, dass bei regnerischem Wetter viele Fahrgäste nass werden und in den immer heißer werdenden Sommermonaten nicht jeder beim Warten auf den Zug einen Schattenplatz findet - und das will man in Hattersheim so nicht haben.
Zudem erachete es die Stadt als wichtig, dass man nicht nur eine barrierefreie Querungsmöglichkeit des Bahnhofs zu den Gleisen bekommt, sondern dass man auch den Hessendamm im Bereich des Bahnhofs fußläufig barrierefrei überqueren kann, stellte Schindling fest. Kommt man also beispielsweise vom Rathaus und will zu den Läden in der Straße "An der Taunuseisenbahn", soll man künftig zu Fuß über den Bahnhof bis hinüber auf die andere Seite barrierefrei gelangen und die dortigen Einkaufsmärkte erreichen können. "Das war uns wichtig, weil das städtebaulich einfach sinnvoll ist", so Schindling.
Entwicklung der Planungen seit 2018
Wolfgang Molzberger, Leiter des Hattersheimer Stadtplanungsamtes, präsentierte sodann die Pläne zum barrierefreien Übergang des Hattersheimer Bahnhofes nochmal im Detail, ebenso wie den Prozess, der nun zu diesem Ergebnis geführt hat. Ursprünglich gab es viele Jahre lang den Plan, den bestehenden Treppenabgang am Bahnhof barrierefrei umzubauen und eine Aufzugsanlage hinzuzufügen. Die dortigen Leitungsverläufe machten diesen Überlegungen jedoch einen Strich durch die Rechnung, und man kam zu dem Schluss, dass es keinen Sinn ergebe, in diesem Bereich des Bahnhofs weiter eine Lösung zu suchen. Also rückte man planungstechnisch ein wenig weiter nach Westen, in Richtung Wiesbaden, und prüfte, was dort mit einer neuen Überführung so möglich sei.
Im Jahre 2018 kam die Deutsche Bahn mit einer Machbarkeitsstudie auf die Stadt Hattersheim zu, verschiedene Varianten mit Aufzügen, Treppen und Rampen wurden erörtert, und die Stadt sollte prüfen, was für sie dort, am Standort in der Verlängerung der Rathausstraße, am ehesten in Frage käme. Dort ist auch in Sachen Bauentwicklung einiges geplant, und deshalb stellte man sich die Frage, wie man das am besten alles unter einen Hut bekommt, sprich: Wie ein barrierefreier Bahnhofsausbau der geplanten baulichen Planung dort nicht im Wege steht.
Hier hat man sich dann seitens der Verwaltung relativ schnell für eine Überführung entschieden, angesichts des Höhenversprungs von der Rathausstraße nach unten, so dass man diesen aufgreift und direkt von der Rathausstraße geradeaus weiterführt auf eine Rampe, die dann auf der anderen Seite wieder herunterführt, beschrieb Molzberger den favorisierten Plan.
Die Bahn nahm diesen Vorschlag mit einer Überführung wohlwollend an, weil damit auch sämtliche potenziellen Probleme mit Leitungsverläufen vom Tisch wären. Ein Nachteil von derartigen Überführungen sind stets etwas längere Rampen, die man in diesem Zusammenhang in Kauf nehmen müsse, so Molzberger. Aber zum einen habe man so "nicht irgendein dunkles Loch, in das man rein muss", und man habe ja auch immer noch die bestehende Unterführung mit den Treppenanlagen.
Die Bahn ist dann in die Vorplanung gegangen und war der Ansicht, dass es eigentlich nur um die Rampe auf dem Mittelbahnsteig gehen müsse, die anderen Rampen könnten eigentlich stehen bleiben. Die Vorplanung in 2019 sah dann so aus, dass man auf dem Mittelbahnsteig mit einer Kombination aus Aufzug und Treppe arbeitete, sowie mit Rampen in den Randbereichen. Zudem entfernte man sich von einer barrierefreien Rampe und schwenkte um auf eine "Schweizer Rampe", die über eine nicht unerhebliche Steigung von zehn Prozent verfügt und dadurch entsprechend kürzer ist. Zusätzlich dazu wollte man aber einen Aufzug schaffen, um eine absolute Barrierefreiheit zu erreichen, berichtete Wolfgang Molzberger. Die Rampe sei dann primär für Radfahrende und Kinderwägen eine gute Option, während Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer auf den Aufzug ausweichen können - wenn dieser denn funktioniert, denn das sei bekanntermaßen an Bahnhöfen oftmals ein Problem. Zuständig für Wartung und Reparaturen wäre auch in Hattersheim hierfür die Deutsche Bahn. Seitens der Stadt will man sich aber in der Praxis insbesondere an umliegenden Kommunen orientieren, die besonders wenig Probleme mit Betriebsstörungen und Vandalismusfällen rund um die jeweilige Aufzugsanlage haben, um in Hattersheim diese potenzielle Problematik möglichst gering zu halten.
Es folgte dann eine entsprechende Entwurfsplanung, und aktuell befindet man sich nun im Planfeststellungsverfahren, das Ende letzten Jahres eingeleitet wurde. Insgesamt 22 Punkte enthält die technische Planung zum barrierefreien Umbau des Hattersheimer Bahnhofs, angefangen mit der Anhebung der Bahnsteige, damit auch ein barrierefreier Einstieg in die Züge künftig gewährleistet ist. In diesem Zuge muss auch das komplette Dach demontiert und angehoben werden, damit am Ende die Höhenabstände wieder stimmen. Insgesamt entstehen drei Aufzüge: Einer auf der Nordseite in Richtung Rathausstraße, einer auf dem Mittelbahnsteig und einer im Süden. Zudem kommen zwei Schweizer Rampen hinzu, auf der Verlängerung der Nordseite sowie hinunter zur Voltastraße.
Nach aktuellen Berechnungen, die sich natürlich noch verändern können, liegen die Kosten für das gesamte Projekt bei 22,5 Millionen Euro, die auf die Deutsche Bahn, den RMV, das Land Hessen und die Stadt Hattersheim verteilt werden. Bürgermeister Klaus Schindling rechnet damit, dass die finalen Kosten für den barrierefreien Bahnhof etwas höher liegen werden und die Stadt Hattersheim letztendlich zwischen 900.000 und 1,5 Millionen Euro davon selbst bezahlen muss. Der Baubeginn ist derzeit für Herbst 2027 geplant, die Fertigstellung prognostiziert die Deutsche Bahn aktuell auf das Jahresende 2029. "Also gehen wir mal davon aus, dass wir Anfang 2030 einen barrierefreien Bahnhof in der Stadt haben werden", erwartet Wolfgang Molzberger.
Fahrstuhlgröße und Steigungsgrad
Natürlich kamen im Rahmen der Bürgerversammlung auch die Bürgerinnen und Bürger selbst zu Wort. So wollte eine Bürgerin beispielsweise wissen, wie groß die Fahrstühle am Bahnhof sein werden - aus leidvoller Erfahrung kann sie berichten, dass ihr E-Bike heutzutage nicht in alle Fahrstühle horizontal hineinpasst. Wolfgang Molzberger berichtete, dass es vorgesehen sei, dass die Fahrstühle ausreichend groß sind und es sich um Durchlader-Aufzüge handeln soll, sprich: Man kann vorwärts hinein- und auch wieder herausfahren. Und Bürgermeister Klaus Schindling ergänzte noch eine "politische Antwort": Man könne sich darauf verlassen, dass man mit seinem Fahrrad bequem in die neuen Fahrstühle reinkommt. "Wir werden uns nicht eine Lösung aufdiktieren lassen, die praxisfremd ist und die den Gegebenheiten, wie sie heute technisch möglich sind, nicht entspricht", so der Rathauschef.
Kritisch sieht man seitens des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs den Steigungsgrad der "Schweizer Rampen". Thomas Thiemeier, Beisitzer des ADFC Main-Taunus, zeigte sich zwar "sehr angetan" von der insgesamt plausiblen Planung, zehn Prozent Steigung seien jedoch nicht zu unterschätzen und erscheinen ihm in Hinblick auf Barrierefreiheit als nicht konsequent, so dass sich ihm die Frage stelle, ob der Begriff "Schweizer Rampe" auf einen alpinen Schwierigkeitsgrad hinweisen soll.


Kommentare