Bebauung der "Vorderen Voltastraße" rückt näher

Beteiligung der Öffentlichkeit beschlossen / Debatten über Mietpreise und einen ungewöhnlichen Kita-Standort

Um dieses Areal geht es: Der Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. N 100 „Vordere Voltastraße“.

Eine umfangreiche Debatte wurde im Rahmen der jüngsten Stadtverordnetenversammlung am 23. September ausgefochten, als es um die Beschlussfassung zur Öffentlichkeitsbeteiligung bezüglich des Bebauungsplanes zur "Vorderen Voltastraße" ging. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Lediglich die Parteien der in Hattersheim regierenden Koalition aus CDU, FDP und FWG stimmten dafür. Die Grünen stimmten dagegen, Enthaltungen gab es seitens der SPD und von Corinna Abel, die für DIE PARTEI im Stadtparlament sitzt.

Am 6. Februar 2020 hatte die Stadtverordnetenversammlung die Aufstellung des Bebauungsplanes für das besagte Areal beschlossen, das im Norden durch die Voltastraße begrenzt wird. Im Osten grenzt das Plangebiet an das "Nahversorgungszentrum Hattersheim-Süd" und das Neubaugebiet "Schokoladenfabrik", im Westen an das Gewerbegebiet südlich der Voltastraße und den Graspfad. Jenseits des südlichen Rands verläuft der Wasserwerkswald.

Ziel des Ganzen ist die weitere städtebauliche Entwicklung des Geländes, das westlich von Nahversorgungszentrum und Schokoladenfabrik liegt. Man verspricht sich davon eine funktionale und gestalterische Ergänzung für den Stadtteil Hattersheim-Süd. Entlang der Voltastraße und in der Verlängerung zum Nahversorgungszentrum sollen weniger lärmempfindliche Nutzungen angesiedelt werden, zum Lärmschutz des dahinter liegenden Plangebietes und des Baugebietes "Schokoladenfabrik" vor der Geräuschkulisse, die sonst von den Bahngleisen und der Voltastraße herüberschallen würde.

In Ergänzung zum Baugebiet „Schokoladenfabrik“ soll dabei auch die Wohnbebauung "in Richtung Westen fortgesetzt werden und einen funktional städtebaulich angemessenen Lückenschluss zum angrenzenden Gewerbegebiet südlich der Voltastraße sicherstellen", heißt es in der entsprechenden Vorlage des Magistrats.

SPD wittert "Zweitwagenverbot"

Dr. Marek Meyer, der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, äußerte diverse Kritikpunkte an den Plänen. So hält es seine Fraktion für unklug, dass die komplette Erschließung des Plangebietes allein über die Straße An der Taunuseisenbahn laufen soll. Deshalb wäre es aus Sicht der SPD sinnvoll, wenn nicht gar notwendig, dass eine zusätzliche Erschließungsstraße von der Voltastraße im Westen aus in das Gebiet hineinführt. So hätte man die Möglichkeit, von zwei Seiten in das Areal hineinzufahren, was die Verkehrssituation insgesamt entlasten würde, so Meyer, der einsieht, dass sich die Durchführung einer derartig bedeutsamen Änderung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig gestalten würde. "Eigentlich hätten wir eine Gesamtplanung für das Gebiet gebraucht", mahnte er deshalb an. Statt dessen habe man nun "Grundstück für Grundstück" geplant, wodurch vermeidbare Engpässe in der verkehrstechnischen Planung entstanden seien.

Die SPD bemängelte ebenfalls punktuelle Abweichungen von den Vorgaben der Stellplatzsatzung in den Planungen. De facto würde dies Meyer zufolge bedeuten, dass man einem Teil der sich im neuen Baugebiet ansiedelnden Menschen und Familien den Zweitwagen verbietet, weil die dafür nötigen Stellplätze erst gar nicht erst gebaut werden. Und hierfür packte der SPD-Fraktionsvorsitzende ein Argument aus, das sonst in erster Linie zur rhetorischen Klaviatur der Hattersheimer CDU gehört: Man solle nicht mit Verboten, sondern lieber mit Anreizen arbeiten. Anstelle von Stellplatzeinsparungen sollte man lieber den ÖPNV und das Radfahren attraktiver machen, so dass die Leute freiwillig auf ein zweites Automobil verzichten.

Ebenfalls nicht überzeugt sind die Sozialdemokraten von den Plänen, eine neue Kindertagesstätte auf dem Dach eines Discounters entstehen zu lassen. "Wenn man ein ganzes Quartier neu plant, dann muss man die Kita nicht auf das Dach eines Supermarktes setzen", stellte Dr. Meyer fest. Er hätte Verständnis für einen solchen Schritt, wenn man einen bestehenden Stadtteil auf solch kreativem Wege mit einer zusätzlichen Kita versehen würde - aber hier hätte man aktuell noch alle Möglichkeiten, eine Kita von Anfang an auf einem eigenen Grundstück einzuplanen. Dass die Kinder nur treppauf in die Kita kommen beziehungsweise treppab wieder hinaus oder in den angrenzenden Spielgarten sei alles andere als optimal. Auch für Eltern, die einen Kinderwagen dabei haben, wäre eine solche Einrichtung mit dazugehörigem Erdgeschoss deutlich praktischer.

Und schließlich äußerte Dr. Meyer noch Kritik am Übergang von Wohnbebauung zum angrenzenden Rechenzentrum: Die Planungen seien hier "ziemlich dicht", einige Menschen würden demnach künftig "vor einer großen, grauen Wand wohnen". Eine rechtzeitig vorgeschriebene Fassadenbegrünung hätte diese Problematik ein gutes Stück weit entschärfen können.

"Insgesamt sehen wir da Licht und Schatten", resümierte Dr. Meyer und begrüßte, dass hoffentlich bald neuer Wohnraum entsteht und "die Bagger rollen können". Dennoch habe man sich in Reihen der SPD-Fraktion dafür entschieden, sich "diesmal noch zu enthalten", was aber nicht als Votum gegen dieses Vorhaben zu verstehen sei - man sehe einfach nur innerhalb der Planungen noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Diskrepanz zwischen Kaufkraft und Mietpreisen

Auch die Grünen sind "generell dafür, dass das Baugebiet Vordere Voltastraße auch bebaut wird", stellte die Fraktionsvorsitzende Nathalie Ferko fest. Man brauche in Hattersheim neue Wohnungen - jedoch sei man der Meinung, dass diese Wohnungen auch für Hattersheimerinnen und Hattersheimer erschwinglich sein sollten. Danach sehe es derzeit nicht aus, so Ferko, da "die ganzen Neubaugebiete, die jetzt fertiggestellt worden sind, sehr hohe Mietpreise haben, die sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht leisten können".

Bezüglich der Stellplatzproblematik widersprach die Grünen-Fraktionsvorsitzende ihrem SPD-Kollegen: Dieser Mangel sei kein Punkt, den ihre Partei kritisieren würde. Jedoch würde man es sehr wohl begrüßen, wenn bestimmte Punkte städtebaulich festgeschrieben wären, wie zum Beispiel die Schaffung von E-Ladestationen an den Stellplätzen, eine Fassadenbegrünung und Photovoltaik-Anlagen an der Fassade. Das dort entstehende Rechenzentrum sei nicht das erste (und womöglich auch nicht das letzte) in Hattersheim, und angesichts des sehr hohen Energieverbrauchs müsse man sich mehr Gedanken darüber machen, wie man dem entgegenwirken kann. Das sei zum Beispiel durch eine sinnvolle Nutzung der Abwärme möglich - im städtebaulichen Vertrag nach Ansicht von Ferko leider "sehr weich geschrieben".

In Sachen Kita schloss sich Ferko der Kritik von Dr. Meyer an: In Großstädten leuchtet es ein, dass es sehr wenig Platz für neue Kindertagesstätten gibt. Aber wenn man ein derart großes Areal wie hier vorliegend komplett neu plant und baut, hätte man durchaus ein Grundstück für eine neue Kita fest einplanen können, zum Beispiel direkt am Wald der Wasserwerkchaussee, wo die Kinder mit Leichtigkeit naturnah draußen spielen könnten - "und nicht an einer stark befahrenen Straße direkt an einem Rechenzentrum mit Lärmschutzwänden vor der Tür", so Ferko. In dieser Lage erkennen die Grünen "keinen pädagogischen Mehrwert".

Ohne hohe Mieten weniger Wohnraum?

Andreas Endler (CDU) wunderte sich über die Haltung der Grünen-Fraktion im Stadtparlament und warf die Fragen auf: Wie definiere sich denn ein "Hattersheimer"? Müsse man dafür hier geboren sein?

Jedem, der in Hattersheim wohnen und Wohnraum erwerben möchte, solle man dazu die Gelegenheit geben. Und hierfür sei die Schaffung von neuem Wohnraum die beste Möglichkeit. Den kritischen Hinweis der Grünen auf hohe Mieten erachtete Endler als "ideologische Frage". Nicht die Stadt errichtet die Häuser auf dem Plangebiet, sondern ein Investor, "der seine Kosten irgendwie decken muss", so Endler, der weiter argumentierte: "Wären die Mieten nicht so hoch wie sie hier sind, hätte kein Investor daran Interesse, hier Häuser zu bauen und wir hätten insgesamt weniger Wohnraum."

"Was ist zu teuer?"

Auch Bürgermeister Klaus Schindling stellte klar, dass niemand einen Hattersheimer verdrängen wolle. Jeder Hattersheimer wohne ja bereits hier, und keiner wird aus seiner Wohnung geworfen. Man könne höchstens sagen, dass das neue Wohnangebot für Hattersheimer zu teuer ist, was zur großen Frage führen würde: "Was ist zu teuer?"

Schindling stellte fest, dass man für ein prosperierendes Hattersheim, das den Fürsorgeanspruch der eigenen Bevölkerung gegenüber aus eigener Kraft heraus bewältigen kann, eine sozialökonomische Balance finden müsse. Die Hawobau habe derzeit 1.800 Wohnungen im Besitz mit einem Mietpreisdurchschnitt von 5,75 Euro pro Quadratmeter. "Damit sind wir im Main-Taunus-Kreis in diesem Bereich führend", stellte der Bürgermeister fest. Um den besagten Fürsorgeanspruch der Stadt finanzieren zu können, brauche man jedoch auch "die Solidarität derer, die etwas bezahlen". Deshalb würde es in Hattersheim nicht mehr passen, Bauträgern einen hohen Anteil an Sozialwohnungsbau aufzubürden. Der Anteil der fürsorgebedürftigen Menschen dürfe nicht vergrößert werden, wenn man nicht wieder unter den Schutzschirm geraten will, so Schindling, der zusätzlich darauf verwies, dass die Bauhabenträger im Plangebiet ohnehin nur Wohnungen und Häuser zum Kauf schaffen wollen, nicht zur Vermietung. Und der Markt gebe dies her: Schindling ist überzeugt davon, dass die künftig dort angebotenen Objekte "ratzfatz weg" sein werden.

In Sachen "Kita auf dem Dach" gab der Rathauschef zu bedenken, dass seitens des Bauvorhabenträgers noch nicht endgültig beschlossen sei, dass diese Einrichtung tatsächlich dort entstehen wird. Im Plangebiet müsse eine Kita mit sechs Gruppen entstehen, Platz für bis zu 125 Kinder wird also benötigt. Auf den Vorschlag der Errichtung einer Kita auf einem Supermarkt reagierte man seitens der Verwaltung auch erst skeptisch. Deshalb hat man sich auf den Weg nach Alt-Niederursel gemacht, wo eine solche Kombination bereits existiert. Und die dortige Einrichtung hat sich dabei als "wunderbare Kindertagesstätte mit einer Freispielfläche mit Bäumen und Grünem oben auf dem Dach" entpuppt. Die Kita müsse entstehen, aber man solle sich auch der Diskussion mit dem Bauvorhabenträger über deren Standort stellen.

Mit den Ja-Stimmen von CDU, FDP und FWG wurde die Beschlussvorlage mehrheitlich angenommen.

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