Bilderreise hin zur Stadterhebung Vor 50 Jahren erhielt Hattersheim die Stadtrechte / Ausstellung in der Galerie des Nassauer Hofes

Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler erläuterte anhand der ausgestellten Bilder das Aussehen von Hattersheim vor 50 Jahren. Hier verweist er auf die große Freifläche, auf der zwei Jahre später die Stadthalle stehen sollte.

Vor 50 Jahren erhielt Hattersheim die Stadtrechte / Ausstellung in der Galerie des Nassauer Hofes

50 Jahre Stadtrechte Hattersheim: Das Jubiläum eines derart hochbedeutenden Ereignisses sollte eigentlich im ganz großen Rahmen gefeiert werden. "Aber in Coronazeiten ist alles anders", stellte der Erste Stadtrat im Rahmen seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung "Hattersheim wird Stadt" am vergangenen Freitag in der Galerie des Nassauer Hofes fest. Deshalb habe man auch auf Einladungen zur offiziellen Ausstellungseröffnung verzichtet, um keinen "Ansturm" zu einem bestimmten Zeitpunkt heraufzubeschwören. Besser sei es, wenn sich die Hattersheimerinnen und Hattersheimer die Ausstellung nach und nach anschauen, unter Einhaltung der Abstandsregeln und Kapazitätsgrenzen.

Die Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum sollten ursprünglich erheblich größer ausfallen - bis die Pandemie den Planungen einen gehörigen Strich durch die Rechnung machte. So ist die Ausstellung in der Galerie des Nassauer Hofes, die ursprünglich nur ein kleineres Puzzlestück im gesamten Jubiläumsablauf sein sollte, plötzlich - neben der Feierstunde im Vorfeld zur Stadtverordnetenversammlung am heutigen Donnerstag im Okrifteler Haus der Vereine - die zentrale öffentliche Veranstaltung zu diesem Anlass schlechthin.

In zwei Jahren jährt sich der Zusammenschluss von Hattersheim, Okriftel und Eddersheim zum 50. Mal. Dann hofft man, nach hoffentlich überstandender Coronavirus-Pandemie, dieses wichtige Eckdatum der Stadtgeschichte und zusätzlich auch die Verleihung der Stadtrechte noch einmal umso ausführlicher würdigen zu können.

Die Ausstellung in der Galerie des Nassauer Hofes besteht nicht nur aus Fotos, sondern auch aus Urkunden und einer kleinen Filminstallation. Zwei Kurzfilme sind dort zu sehen, unter anderem eine Dokumentation des Hessischen Rundfunks aus dem Jahre 1970. So werden in bewegten Farbbildern die Feierlichkeiten vor 50 Jahren heute noch einmal lebendig. "Ältere können sich in den alten Bildern wieder entdecken, und Jüngere können eintauchen in das Jahr 1970: Wie war das damals? Wie haben die Leute ausgesehen? Wie viele Fahrzeuge waren auf der Straße?", macht Spengler den Besuch der Ausstellung schmackhaft.

1970 - Hattersheim wird Stadt

Vor 50 Jahren, am 11. September 1970, wurde Hattersheim zur Stadt. Als an diesem Abend dem damaligen Bürgermeister Norbert Winterstein die Stadterhebungsurkunde überreicht wurde, hatte dies einen hohen symbolischen Wert: Es war der Lohn für die harte Arbeit, die in der Gemeinde seit Ende des Zweiten Weltkriegs geleistet worden war.

Hattersheim zeichnete sich seit jeher durch seine besonders verkehrsgünstige Lage aus. Schon seit Jahrtausenden siedelten hier Menschen. 1132 wurde der Ort als „Heider(e)sheim" erstmals urkundlich erwähnt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb das Dorf jedoch relativ klein, bevor das Industriezeitalter in Hattersheim Einzug hielt. Die Gemeinde wuchs, wurde zum Industriestandort und zum Wohnort für Fabrikarbeiterfamilien. Doch erst nach 1945 setzte in Hattersheim eine Entwicklung ein, die schließlich zur Stadterhebung führen sollte.

Nach dem Kriegsende waren Städte und Infrastrukturen in Hessen, wie überall in Deutschland, in hohem Maße zerstört. Hessenweit wurden fast eine Million Zwangsmigranten aus den ehemals deutschen Ostgebieten aufgenommen. Neben den Kriegsschäden und dem Mangel an Versorgungsgütern jeder Art, waren die Wohnungsnot und die Integration der neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger die entscheidenden Herausforderungen in diesen Jahren. So ließ auch in Hattersheim der Zuzug von Evakuierten, Ausgebombten und Flüchtlingen die Bevölkerungszahl von 1944 bis 1949 um 1.077 Personen ansteigen. Bis 1963 hatte sich Einwohnerzahl auf 8.019 nochmals fast verdoppelt und bis Mitte 1970 sollte die Zahl weiter auf 9.435 steigen

Innerhalb kurzer Zeit musste viel und möglichst attraktiver wie günstiger Wohnraum geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund wurde im Januar 1948 die Gemeinnützige Gesellschaft für Siedlungs- und Kleinwohnungsbau der Gemeinde Hattersheim GmbH gegründet, später in Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH (HaWoBau) umbenannt. Von 1952 bis 1958 konnten jährlich etwa 60 Wohnungen fertiggestellt werden. Diese Zahl stieg bis Ende 1963 auf 1.070.

Eine andere Entwicklung, die die Stadterhebung begünstigte, war der nach Kriegsende - nicht nur in Hattersheim - einsetzende Wandel der Wirtschaftsstruktur; weg von der Landwirtschaft, hin zu Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. "Den Grundstein des Wachstums von Hattersheim legte Bürgermeister Alfred Embs", so Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler. Unter Bürgermeister Embs stieg der Zahl der gewerbesteuerpflichtigen Betriebe von 176 (1951) auf 255 (1962). Als Beispiel kann hier die Graphische Kunstanstalt Albert Horn Söhne genannt werden, welche 1954/1955 eine Fabrik in Hattersheim erbaute und zu einem bedeutenden Arbeitgeber des Ortes wurde.

"Nach dem Krieg fanden viele von Flucht und Vertreibung Betroffene in Hattersheim, aber auch in den umliegenden Gemeinden eine Heimat und einen Arbeitsplatz. Als Arbeitgeber sind hier beispielsweise die Sarotti-Schokoladenfabrik, die Taunus Glashütte oder die Papier- und Cellulosefabrik in Okriftel zu nennen", ruft Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler in Erinnerung.

All dies begünstigte eine Verbesserung und Neugestaltung der Infrastruktur. Der (Aus-)Bau von Straßen, der Kanalisation und weitere Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität wie die Errichtung des Schwimmbades und des Sportplatzes (beides 1954) sind hier beispielhaft zu nennen. In der Gemeinde entwickelte sich ein neues Selbstverständnis, ein Selbstbewusstsein, das vor dem Hintergrund der weiter steigenden Einwohnerzahlen dazu führte, dass am 2. Februar 1970 beim Land Hessen die Verleihung des Rechts zur Führung der Bezeichnung "Stadt" beantragt wurde.

Noch im gleichen Jahr wurde diesem Gesuch entsprochen. "All das, was in den letzten Jahren geschehen ist, hat sich allmählich zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt", so Norbert Winterstein in seiner Rede anlässlich der Stadterhebung am 11. September 1970. Die Feierlichkeiten dauerten ganze vier Tage: Mit Musik, Tanz, Feuerwerk und vielem mehr feierten die Hattersheimer Bürgerinnen und Bürger ihre Stadt.

Hattersheim wollte Stadt werden

Die Stadterhebung vor 50 Jahren war eine Bekräftigung des Bedürfnisses Hattersheims nach Selbst- und Eigenständigkeit. Nicht nur die Erweiterung der Infrastruktur, sondern gerade auch die Intensivierung des Kultur- und Freizeitangebots wurde im Vorfeld über viele Jahre hinweg gezielt betrieben, um mehr Menschen von Außerhalb nach Hattersheim zu locken und so der Gemeinde ein "städtisches Gepräge" zu verleihen. Hattersheim sollte zu einem Mittelpunkt gemacht werden, berichtete Stadtarchivarin Anja Pinkowsky im Rahmen der Ausstellungseröffnung. "Das wurde ganz gezielt schon seit mindestens Anfang der sechziger Jahre betrieben", so Pinkowsky. Und so fokussiert sich die Ausstellung auch auf die rasante Entwicklung in Hattersheim im Vorfeld der Stadterhebung zwischen 1945 und 1970.

Ausstellung an diesem Wochenende

Anlässlich des 50. Jubiläums zeigt die Stadt Hattersheim am Main an diesem Wochenende vom 12. bis 13. September erneut in der Galerie des Nassauer Hofs die (Foto-)Ausstellung mit dem Titel "Hattersheim wird Stadt".

Die Ausstellung kann an beiden Tagen jeweils von 15 bis 18 Uhr besucht werden.

Es gelten die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln gemäß den Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus des Landes Hessen (aktuelle Fassungen). Beim Besuch der Galerie muss ein Mund-Nasenschutz getragen werden.

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