Es war ein ungewöhnlicher Vorgang, der sich bei der jüngsten Mitgliederversammlung des Hattersheimer Kulturforums abspielte. Zu jenem Termin standen turnusgemäß auch die Vorstandswahlen an. Die Erste Stadträtin Heike Seibert und die weiteren Vorstandsmitglieder signalisierten frühzeitig ihre Bereitschaft, sich wieder wählen lassen zu wollen. Gerade im Falle von Seibert ist dies in Hattersheim eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit: Dank des Kooperationsvertrages zwischen der Stadt und dem Kulturforum ist es üblich, dass die aktuelle Kulturdezernentin auch den Vorsitz des Kulturforums übernimmt. Allein schon aus organisatorischen Gründen wurde diese traditionelle Personalunion stets als sinnvoll erachtet und war nie ein Streitpunkt. Auch beim direkten Vorgänger von Heike Seibert im Amt, Karl Heinz Spengler, war dies der Fall.
Im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete die Erste Stadträtin, dass es im Vorfeld zur Mitgliederversammlung keine Indizien dafür gab, dass ihre Wiederwahl zur Debatte stand. Keine Kritik an ihrer Arbeit als Kulturforums-Vorsitzende wurde laut, und auch die ungewöhnlich hohe Anzahl an neuen Mitgliedsanträgen (21 an der Zahl) wertete sie nicht als potenziellen Angriff, sondern als Bestätigung für die gute Arbeit des Kulturforums in den letzten Jahren und damit als willkommene Bereicherung. Deshalb habe sie auch jene 21 Antragsteller zur Mitgliederversammlung eingeladen, als "Akt der Wertschätzung", wie sie sagt.
Die Mitgliederversammlung, der Seibert zuvor noch "in froher Erwartung" entgegenblickte, nahm dann jedoch einen erstaunlichen und aus ihrer Sicht unschönen Verlauf: Aus den Reihen der Neumitglieder wurde plötzlich Ralf Meik (CDU) für den Vorsitz des Kulturforums nominiert - und schließlich auch mehrheitlich gewählt. Mit der exakten Stimmenanzahl jener Mitglieder, die über ein CDU-Parteibuch verfügen, so Seibert.
Neue Eskalationsstufe
Heike Seibert berichtet, dass sie bereits seit fast zwei Jahren parteiintern ausgegrenzt wird. So sei sie nach ihrer Remonstration gegenüber der Kommunalaufsicht (wir berichteten) aus allen parteiinternen Gremien ausgeschlossen worden und habe über manch wichtigen Termin erst im Nachhinein erfahren. Dies habe sie "bislang hin- und angenommen", so die Erste Stadträtin.
Nun aber sei durch ihre Abwahl als Kulturforums-Vorsitzende ein Punkt erreicht, der ihr Kulturdezernat geschwächt zurücklässt, so Seibert. Mit diesem Manöver sei nicht nur sie selbst, sondern auch die Stadt Hattersheim geschwächt worden, und deshalb sah sie sich nun dazu veranlasst, ihrer Partei schweren Herzens den Rücken zu kehren. Ein Schritt, der Seibert sicher nicht leicht gefallen sein dürfte, denn ihre Vita lässt darauf schließen, dass es sich bei ihr um eine seit Jahrzehnten leidenschaftliche und überzeugte Christdemokratin handelt.
Befreiende Wirkung
Ihr Amt als Erste Stadträtin will Heike Seibert ohne jeden Zweifel auch weiterhin ausüben. Sie habe einen "Eid geschworen und keinen Arbeitsvertrag geschlossen", als sie ihre Wahl zur Ersten Stadträtin angenommen hat. Sie habe sich nichts vorzuwerfen und stets nach Recht und Gesetz gehandelt, und zudem bereitet ihr ihre Arbeit viel Freude. Deshalb sieht sie auch keinen Grund für eine Amtsniederlegung.
Geradezu überwältigt zeigte sie sich auch vom Zuspruch aus den Bevölkerung, den sie seit der Bekanntgabe ihrer Entscheidung am vergangenen Wochenende in hohem Maße erfahren habe, so Seibert. Und schließlich seien parteilose Amtsträger auch nichts ungewöhnliches - und sie empfindet es sogar als Befreiung, künftig völlig losgelöst von parteilichen Verbindungen und Verpflichtungen agieren zu können.
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, einer anderen Partei beizutreten, stellte sie deutlich fest, dass sie sich über derartige Möglichkeiten keinerlei Gedanken gemacht hat. Die rasante Entwicklung und die Intensität der Ereignisse ließen das überhaupt nicht zu: Noch vor zwei Wochen hätte Heike Seibert es nicht für möglich gehalten, dass sie so zeitnah ihre bisherige parteipolitische Heimat verlassen würde.
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