An der Grenze des Möglichen

Bebauungsplan Ölmühlengelände: Stadtparlament beschließt Offenlage / Koalition sieht „Highlight“, Opposition erneuert Kritik

HATTERSHEIM (noe) – Nachdem sich bereits zwei Tage zuvor der Ausschuss für Umwelt, Bauen und Verkehr mit der Offenlage des Bebauungsplans zum Gelände „An der Ölmühle“ beschäftigt und mehrheitlich die Zustimmung hierzu empfohlen hatte (wir berichteten), war am Donnerstag, 10. Januar, die Stadtverordnetenversammlung als entscheidendes Gremium am Zug. Erwartungsgemäß wurde von den im Ausschuss vertretenen Standpunkten nicht abgewichen, vielmehr bekräftigten die Fraktionen ihre jeweilige Positionierung.

Bürgermeister Klaus Schindling eröffnete die Diskussion mit der Feststellung, dass nun über den nächsten Schritt zur Umsetzung eines ehrgeizigen Bauprojektes von Stadt und Bauvorhabenträger zu entscheiden sei. Letzterer sei aus finanziellen Gründen an einem zügigen Fortgang des Projektes interessiert, die Stadt strebe eine sinnvolle, reibungslose Entwicklung des Areals an. Die Beteiligung der Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt komme beiden Vertragspartnern entgegen, sie sei daher, freilich ohne Rechtspositionen aufzugeben, „Ausdruck flexibler Zusammenarbeit“. Eine Zustimmung zum vorliegenden Beschlussvorschlag sei von beiderseitigem Nutzen, somit sei auch der außerordentliche Sitzungstermin zumutbar, meinte Schindling – bis zur nächsten regulären Stadtverordnetenversammlung am 14. Februar wären immerhin noch fünf Wochen verstrichen. Zwar sei der Durchführungsvertrag zwischen der Stadt und dem Bauvorhabenträger, der Projektverwaltungsgesellschaft Horn 2 mbH & Co. KG, „noch nicht ganz fertig“, die Offenlage werde aber durch einen Vorvertrag möglich. Der Bürgermeister sieht ein „ambitioniertes, gut strukturiertes Bauvorhaben“ in den Startlöchern, von dem nicht nur das Ölmühlengelände, sondern die ganze Stadt profitieren werde: „Hier entsteht ein hoher Faktor des Wohlfühlens in unserer Wohlfühlstadt.“
Dem widersprachen sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen: beide Fraktionen erneuerten ihre Kritik, vor allem hinsichtlich der geplanten Bebauungsdichte und des, aus ihrer Sicht, zu geringen Anteils an bezahlbarem Wohnraum.
„Wo machen wir Pause?“
Die Nachfrage nach bezahlbaren, aber auch größeren Wohnungen sei insbesondere in der Region zwischen Mainz und Darmstadt sehr hoch, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Marek Meyer. In dieser Phase des Siedlungsdrucks müsse „jede Stadt, auch Hattersheim“ die passenden Lösungen finden. Die Stadt Hattersheim habe in der Vergangenheit ihren Beitrag geleistet – Meyer nannte exemplarisch das Schokoladenquartier, das Baugebiet Südwest und das Keltenviertel. Schon bald kämen die bereits vor einigen Jahren ausgewiesenen Neubaugebiete „ehemalige Wellpappe“, „Phrix“ und „Urbansmühle“ hinzu. „Es wäre schön gewesen, wenn auch andere Städte so viel getan hätten“, meinte Meyer. „Wir haben guten Wohnraum aller Art geschaffen. Wir haben unser Soll übererfüllt.“
Mittlerweile sollte man sich überlegen: „Wo machen wir Pause?“ Zwar betone der Bürgermeister, dass man nur das entwickle, was durch frühere Beschlüsse angestoßen worden sei, also „nicht mehr verhindert werden“ könne. „Hier stellt sich jedoch die Frage, ob das in dieser Eile passieren muss“, merkte der SPD-Fraktionsvorsitzende an. Auch sei die Art der Wohnbebauung zu berücksichtigen: „Diese Dichte ist nicht gut.“ 360 Wohneinheiten sollen laut Plan auf dem knapp 4 Hektar großen Ölmühlengelände entstehen, damit werde die Bebauungsdichte der angrenzenden Viertel teilweise um das Dreifache übertroffen. „Man ist im Prinzip an die Grenzen dessen gegangen, was gebaut werden kann“, stellte Meyer fest, der in diesem Zusammenhang auch die (zulässige) Ausweitung des bebauten Geländes – nämlich um 5 Meter in das Überschwemmungsgebiet hinein – ansprach. Zudem wäre es „vielleicht besser“ gewesen, das Gebiet schrittweise, etwa in einem Zeitraum von zehn Jahren, zu entwickeln.
Die Sozialdemokraten sahen sich des Weiteren in puncto Verkehrsgutachten bestätigt; sie hatten die Aussagekraft der seinerzeit ermittelten Verkehrszahlen angezweifelt und deshalb (erfolglos) ein zweites Gutachten beantragt (wir berichteten). Zwar habe es keinen neuen Gutachter gegeben. „Aber der alte Gutachter korrigierte sich“, sagte Meyer. „Immerhin etwas.“ Die zusätzlich in der oberen Voltastraße entstehende Verkehrsbelastung werde allerdings auch in der überarbeiteten Fassung nicht abgebildet.
Gut sei indes die angedachte Aufwertung des historischen Ölmühlengebäudes, etwa in Form einer Gastronomie. Außerdem wurde die zum Hessendamm hin aufgelockerte Front begrüßt. Aus Sicht der SPD-Fraktion überwiegen jedoch die Mängel, weshalb sie sich gegen die Annahme der Magistratsvorlage aussprach.
Verdichtete Wohnbebauung
Vorbehaltlose Zustimmung kündigte dagegen der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert an, die Koalition sei davon überzeugt, dass das gesamte Ölmühlenquartier zu einem „Highlight von Hattersheim“ wird. All die eingeplanten Dinge – etwa die Option, dort eine Landbierbrauerei zu etablieren – seien vielversprechend: „Das Gute überwiegt die kleinen Makel.“ Die Kritik an der überarbeiten Fassung des Verkehrsgutachtens konnte Minnert nicht nachvollziehen, seien doch die Einwände der SPD ernstgenommen und eine Aktualisierung durchgeführt worden. Dass nun die Ergebnisse nicht so ausgefallen seien, wie von der SPD erwartet, dürfe nicht dem Gutachter angelastet werden. Auch könne man nicht einerseits nach neuen Baugebieten rufen und entsprechende Bebauungspläne, so wie im vorliegenden Fall, ablehnen. An einer gewissen Verdichtung komme man nicht vorbei: „Alles andere wäre wirtschaftlich nicht abzubilden“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende.
Alexander Zeier (FDP) sprach von einer „sehr starken Verdichtung“ im Baugebiet. Wenn man dieselbe Zahl an Wohnungen schaffen wolle, müssten allerdings neue Flächen versiegelt werden. Zusammengefasst lautet also der Standpunkt der beiden Koalitionspartner, dass die auf dem Ölmühlengelände geplante Verdichtung in ökonomischer und ökologischer Hinsicht die bessere Alternative sei.
SPD und Grüne kamen freilich zu einem anderen Schluss. Aus Sicht der beiden Oppositionsparteien profitiert nämlich in erster Linie der Investor von einer verdichteten Wohnbebauung. „Es gab keine Nachbesserung in sozialer und ökologischer Hinsicht“, monierte Reinhard Odey (Grüne), „der Investor hat sich, ohne einen Ausgleich leisten zu müssen, durchgesetzt. Hier geht es um teuren Wohnraum, doch was passiert mit den vielen Wohnungssuchenden, die weniger haben? Wenn von großen Bauvorhaben kein Signal ausgeht, dass bezahlbarer Wohnraum wichtig ist, läuft in der Politik etwas schief.“
„Zukunftsfähige Visionen“
Thomas Abicht (SPD) vermisste zudem „zukunftsfähige Visionen“. Die Stadtplanung sei „ein kleiner Bereich“, der aber auch in bewegten, schwierigen Zeiten von einer Kommune beeinflusst werden könne. Dabei müsse man sich von altvertrauten Denkmustern lösen: „Wir werden uns zum Beispiel auch über andere Verkehrsmittel und -wege unterhalten müssen.“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dietrich Muth schaltete sich in die Diskussion ein: „Die Opposition hat ein brennendes Thema entdeckt, den bezahlbaren Wohnraum.“ Er habe einmal nachgezählt, wie viel bezahlbarer Wohnraum von der damaligen rot-grünen Regierungskoalition geschaffen worden sei: „Null.“ Dagegen würden immerhin 6 Prozent der im Ölmühlenviertel entstehenden Wohnungen als bezahlbarer Wohnraum an die Stadt übertragen: „Nun mag man sagen, das ist vielleicht eine mickrige Zahl – aber verglichen mit Null?“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Marek Meyer widersprach umgehend: „Einerseits wurde auf diesem Gebiet angeblich nichts geleistet, auf der anderen Seite wird behauptet, dass die Hawobau mehr als genug bezahlbaren Wohnraum geschaffen hat – das passt nicht zusammen!“
Nun würden Dinge vermischt, entgegnete der CDU-Fraktionschef Michael Minnert, bezahlbarer Wohnraum und öffentlich geförderter Wohnraum seien schließlich nicht dasselbe. „Jetzt wird außerdem mit überraschender Vehemenz eine zukunftsfähige Vision gefordert“, merkte Minnert zum Abschluss an. „Sie hatten 60 Jahre Zeit als Regierende, wir bislang zweieinhalb. Wo ist denn die Planung oder Vision, auf die wir aufbauen können? Bringen Sie doch keine Sachen ein, die Sie selbst nicht auf die Reihe bekommen haben!“
CDU, FWG, FDP und der Stadtverordnete Ralf Depke (WPH) votierten für die Magistratsvorlage, SPD und Grüne stimmten gegen die Annahme. Damit ist die Offenlage des vorhabenbezogenen Bebauungsplans für das viel diskutierte Baugebiet „An der Ölmühle“ beschlossene Sache.

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