Die Grünen im Posthofkeller

Großer Andrang beim politischen Aschermittwoch der Grünen

HATTERSHEIM (ak) – In der deutschen Parteienlandschaft ist es mittlerweile Tradition, dass man am politischen Aschermittwoch mal so richtig auftrumpfen und die „Fehler“ der politischen Gegner in bester Stammtischmanier mit offenen Worten auf den Tisch bringen kann. Die Hattersheimer Grünen pflegten diese Tradition im Posthofkeller allerdings ohne „Freibier und Brezen“, dafür mit einem Heringsbuffet. Es waren wesentlich mehr Zuhörer gekommen, als der Posthofkeller fassen konnte, viele drängten sich schließlich stehend bis die Treppe ?hinauf, um doch etwas von den Redebeiträgen mitbekommen zu können. 

 

Die Fraktionsvorsitzende der Hattersheimer Grünen, Hedi Bender, machte resolut die „Ansage“, musikalisch stimmungsvoll und natürlich in Sachen Fluglärm auch kämpferisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Heribert Schlosser und Chris Savage. Hattersheims grüne Erste Stadträtin Karin Schnick freute sich in ihrer Rede darüber, dass Bündnis 90/Die Grünen bei den letzten Kommunalwahlen in Hattersheim viele Stimmen dazu gewinnen konnten und dass sich ihre Fraktion im Kreistag sogar verdoppeln konnte: „Die Wähler haben es honoriert, dass die Grünen kontinuierlich für Energiewende und Atomausstieg stehen – andere sind ja erst seit Fukushima mit auf dieser Spur.“ Die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen bezeichnete sie unter großem Beifall als „größten Fehler“, der im Kreis keine neuen Arbeitsplätze schaffe. „Eher werden hier welche abgezogen und in Flughafen-Nähe angesiedelt“, vermutete sie und rief – besonders für den Fall, dass das Planfeststellungsverfahren in Frage gestellt wird – zum weiteren Kampf gegen die Fraport auf. Regina Vischer, die Bürgermeister-Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Wahl am 4. März in Kriftel, stellte sich kurz vor, sie wäre nach eigenem Bekunden gerne die siebte von zwölf weiblichen Bürgermeistern im Main-Taunus-Kreis und hoffe daher auf ihr „Wunder von Kriftel“. Für ihren Partei-Kollegen Sven Heß, der in Flörsheim den Bürgermeister-Sessel anstrebt, drücke sie ebenfalls die Daumen, sie sei sicher, dass bei der Wahl in Flörsheim dessen Engagement als Flughafen-Ausbau-Gegner honoriert werde. 
Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag und Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Kordula Schulz-Asche, betrat unter großem Beifall demonstrativ strickend die kleine Bühne des Posthofkellers; jeder wusste sofort, an was sie da arbeitet: sie beteiligt sich nämlich am Hattersheimer „Strickmob“ für eine Soziale Stadt. „In Hattersheim wurde mit dem Projekt Soziale Stadt hervorragende Arbeit geleistet – dass dies nun auslaufen soll, zeigt auf, dass Bouffier nichts mehr vorhat in Sachen sozialer Gerechtigkeit“, kritisierte sie die Sozialpolitik der Hessischen Landesregierung. „Der Flughafenausbau ist ein Beispiel dafür, dass die Regierung auch von Wirtschaftspolitik keine Ahnung hat – es ist hirnrissig, einen Flughafen hier mit einem Wüstenflughafen in Konkurrenz zu setzen.“ 
Den nächsten Redner, Omid Nouripou, als Bundestagsabgeordneter Obmann und Mitglied im Verteidigungsausschuss und sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, machte Hedi Bender „sprachlos“. Bender unterzog den bekennenden „Hessischbabbler“ einem „Sprachtest“: die „Konditorfrikadelle“ und die „Salatschnecke“ waren ihm zwar fremd, aber was „des Stöffche“ und was ein „Berzel“ ist, wusste er zum Ergötzen der Zuhörer natürlich. Nouripour überbrachte Grüße von Rosemarie Heilig, der grünen Bürgermeister-Kandidatin für Frankfurt. Seine Rede war gespickt mit Spitzen gegen den Frankfurter CDU-Bürgermeister-Kandidaten Boris Rhein und gegen die FDP, „die Partei, die die Demoskopen nicht mehr finden“. Außerdem beschäftigte sich Nouripour mit Joachim Gauck, für den er, angesichts aufkommender kritischer Stimmen in der aktuellen Diskussion um den zu wählenden Bundespräsidenten, eine Lanze brach: „Gauck hat Unfreiheit erlebt und weiß, was er darüber sagt, Freiheit ist für Gauck das Thema, deshalb werde ich ihn wählen.“
Auch Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, ebenfalls grüner Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Rentenpolitik, kündigte an, für Gauck stimmen zu wollen – obwohl er nicht hundertprozentig zufrieden sei, er habe sich eine Bundespräsidentin gewünscht. „Ich hätte mit Petra Roth leben können“, erklärte er unter Beifall. Strengmann-Kuhn widmete sich hauptsächlich der Wirtschafts- und Schuldenkrise, aber auch für die Flughafengegner hatte er einen Tipp. „Der Main-Taunus-Kreis sollte an seiner Skyline arbeiten“, empfahl er den erstaunten Zuhörern. „Es wäre wichtig, in Flörsheim, Hofheim und Hattersheim ein paar Hochhäuser zu bauen. In der Neuen Zürcher Zeitung habe ich dazu eine Notiz gelesen: ein Ort bei Brüssel will zu dieser Maßnahme greifen, um die Flugzeuge in Richtung Brüsseler Flughafen am Überfliegen des Dorfs zu hindern, das Hochhaus soll die umlenken.“ Ein Einwurf aus dem Publikum an dieser Stelle wäre sicher auch eine Diskussion wert: „Alternative Windräder“ wurde da vorgeschlagen. 
Die Energiewende war auch ein Thema für Albrecht Kündiger, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Main-Taunus-Kreis. „Von allen wird drüber geredet und es gibt schlummernde Programme, aber im Kreis wird noch nichts Konkretes in diese Richtung gemacht, es wird spannend, ob der Kreis tatsächlich mit einsteigt in regenerative Energien, ob zum Beispiel Windräder tatsächlich gebaut werden“, sinnierte er. „Dort wo Grün mit an der Regierung ist, ist man in den Dingen schon viel weiter. Hier müssen die Grünen an ihren Inhalten festhalten und unbequem bleiben.“
Der Höhepunkt und Abschluss des politischen Aschermittwochs der Grünen bildete der mit Spannung erwartete Vortrag des „Echten Protokollers des politischen Geschehens“, des Hattersheimer Stadtverordneten Ulrich Schuster. Er amüsierte die Zuhörer mit trockenen Worten, vorgetragen mit ernstem, unschuldigem Blick. Bei ihm bekamen Guttenberg, Brüderle, Rösler, die FDP, die Griechen, die Banker, die Atom-Befürworter, die CDU, Christian Wulff und seine Gattin, die Kanzlerin und einige andere manchmal unter jubelndem Beifall der Zuhörer „ihr Fett weg“ – wobei er nicht alles schlecht fand, was so im letzten Jahr passierte: „Und wenn man sich in der CDU fragt, wer hat die Angie an die roten Themen gelassen? Weil sie sich immer mehr von den schwarzen Thesen entfernt – da sagen wir Kompliment Angela, du hast dazu gelernt!
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