Hattersheim hat eine „Babbelbank“

Feierliche Einweihung im Hof der Altmünstermühle / Beitrag gegen gesellschaftliche Isolation

Die "Babbelbank" wird nun in Hattersheim der Ort für viele interessante Gespräche sein.

In früheren Zeiten war das noch wohlbekannt: Menschen trafen sich - meist nach getaner Tagesarbeit – zum Plaudern entweder an bestimmten Treffpunkten im Ort oder auch einfach in der eigenen Straße, sogar von Fenster zu Fenster wurde dann eifrig „gebabbelt“. Heute ist der direkte menschliche Kontakt mit den Nachbarn etwas in den Hintergrund gerückt, man sieht fern, schaut auf den Computer-Bildschirm oder das Handy und ist, während man Kontakt mit der ganzen Welt haben kann, dabei doch meist alleine. Vereinsamung wird, auch gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen durch Corona, immer mehr zum Thema, nicht nur bei älteren Menschen.

„Einsamkeit ist ein Tabu-Thema“, weiß Jürgen Leichtfuß, der Seniorenberater der Stadt Hattersheim, „niemand gibt es gerne zu, einsam zu sein. Dabei hat sich jeder schon mal einsam gefühlt. Gerade im Alter ist die Gefahr der Vereinsamung groß, Corona hat das beschleunigt.“ Nach seiner Ansicht wird es ein langsamer Prozess sein, nun wieder Kontakte aufzunehmen. „Der Vereinsamung entgegen zu treten braucht Eigeninitiative und Mut“, meint der Seniorenberater, „das schafft nicht jeder leicht.“ Um dabei zu unterstützen hat er eine Idee aus England für ein Kontaktangebot nun auch nach Hattersheim gebracht: die „Chat Bench“, die hier am Main nun „Babbelbank“ heißen wird.

Einer englischen Dame fiel vor einigen Jahren bei einem Parkspaziergang auf, dass die meisten Menschen ganz alleine auf einer Bank saßen und einige davon einsam aussahen. Sie überlegte sich, sich einfach dazu zu setzen, wusste aber nicht, welchem Parkbesucher das wirklich recht sein würde, und wer das als Belästigung empfinden wurde. Also ging sie den umgekehrten Weg: sie selbst setzte sich auf eine Bank und legte ein Schild neben sich, auf welchem sie signalisierte, dass sie gerne zu einem Plausch bereit ist. Das solch ein Schild einen Unterschied macht, konnte sie bald merken – viele Leute trauten sich, bei ihr Platz zu nehmen und einfach mit ihr zu reden. Seitdem wurde ihre Idee schon in Städten auf der ganzen Welt aufgegriffen.

Mittlerweile wurde die Idee der „Chat Bench“ noch etwas verfeinert, so gibt es an der Hattersheimer „Babbelbank“ nicht nur das große Schild, welches bekannt gibt, dass dort Menschen Platz nehmen können, die gerne mit jemandem reden möchten, es gibt auch einen Briefkasten, in dem sich laminierte Karten mit verschiedenen Gesprächsthemen finden, falls die Gesprächspartner keine Lust auf „Smalltalk“ oder einfache Unterhaltungen über’s Wetter haben.

Wie das funktionieren kann, führte die Leiterin des Hattersheimer Seniorenzentrums Altmünstermühle, Jutta Steinbach, der kleinen Einweihungsfest-Gemeinde vor: zusammen mit Hartmut Spannagel nahm sie nach dessen mit viel Beifall bedachten humorigen und musikalischen Beitrag auf der „Babbelbank“ Platz. Zu aus dem Briefkasten gezogenen Themen wie „Was war dein erstes Auto?“, „Auf was hast du zuerst gespart?“ oder „Für was hast du dein erstes Geld ausgegeben?“ kamen die beiden zur Freude aller Zuhörer gleich gut ins Gespräch. Dem Publikum war anzumerken, dass auch die Zuhörer zu diesen Themen sofort etwas zu erzählen hätten. Nach einer Weile machte Hartmut Spannagel seinen Platz auf der „Babbelbank“ für Gerta Jost frei, bei der Jutta Steinbach die Gelegenheit ergriff, sie zu fragen, welche Art von Geschenk sie für einen 90. Geburtstag empfehlen würde. Frau Josts schmunzelnde Schilderung des Geschenkes, über welches sie sich am meisten gefreut hat, rief bei ihr Erstaunen hervor und gab sofort Anlass für ein kleines „Gebabbel“. Genau so soll die „Babbelbank“ funktionieren.

„Es gibt 136 Synonyme für das Wort „babbeln“, hat Jutta Steinbach herausgefunden, „allein das zeigt uns, welche Bedeutung das Miteinandersprechen für uns Menschen hat: es ist gesund und baut Stress ab. Also tun sie öfter mal was für ihre Gesundheit, suchen sie die Bank auf und babbeln sie miteinander!“ Dabei gab sie aber auch den Hinweis: „Wir haben einen Mund und zwei Ohren – auch das Zuhören ist wichtig in einem gemeinsamen Gespräch.“

Jürgen Leichtfuß betonte noch, dass die „Babbelbank“ durchaus nicht nur für Senior*innen gedacht sei, sondern alle Generationen seien eingeladen, darauf Platz zu nehmen und miteinander zu sprechen. Einen festen Platz hat man für die Bank noch nicht vorgesehen. „Wir loten das erst mal aus, wo die Babbelbank am besten stehen soll“, meinte der Seniorenberater, „vielleicht stellen wir die Bank auch immer mal woanders hin.“ Und selbstverständlich wird das momentan noch provisorisch laminierte Schild auch noch durch ein „richtiges“, wetterfestes ersetzt werden. Sogar verschiedene „Events an der Bank“ kann sich das Team der Altmünstermühle gut vorstellen – etwa einen Besuch des Therapiehundes „Balou“ von Jana Reuter.

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