Hattersheim als "schattige Schwammstadt"?

"Hattersheim 2050": Autor Toralf Staud zählte konkrete Maßnahmen zum Umgang mit dem Klimawandel auf

mpk

Das Thema Klimawandel verspricht leider bekanntermaßen keine gute Unterhaltung und taugt auch kaum zur Aufbesserung der eigenen Laune. Dennoch bestand erfreulich großes Interesse an der Veranstaltung "Hattersheim 2050" in der Stadthalle, hinter der sich eine Lesung des Wirtschaftsjournalisten und Spiegel-Bestsellerautors Toralf Staud verbarg. Stolze 130 kostenlose Tickets konnten im Vorfeld abgesetzt werden, verkündete der Hattersheimer Klimaschutzmanager Andreas Flettner bei seiner Begrüßung. Eine Zahl, die ihn positiv überraschte, und auch trotz der hochsommerlichen Temperaturen und der nicht gerade kühlen Stadthalle wirkte es keineswegs so, als hätten es sich nennenswert viele Karteninhaber kurzfristig doch noch anders überlegt.

In seinem Buch „Deutschland 2050“ zeigt Staud auf, wie sich unser aller Alltag in den nächsten 25 Jahren angesichts der globalen Erderwärmung verändern wird. Und, wie der Titel der Veranstaltung bereits versprach, bezog er am Dienstagabend auch insbesondere eine Prognose für Hattersheim und den Main-Taunus-Kreis mit ein.

2°C mehr bis 2050

In Deutschland ist dem Deutschen Wetterdienst zufolge seit 1881 die Durchschnittstemperatur bereits um 1,8°C gestriegen. In Hattersheim sind es den lokalen Klimadaten zufolge sogar schon 2°C, allein ein Grad davon ist seit den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hinzugekommen.

Deutschlandweit hat seit 1951 die durchschnittliche jährliche Anzahl an sogenannten "heißen Tagen", also Tagen, an denen das Thermometer die 30°C-Marke überschreitet, um 170 Prozent zugenommen. Schneetage gibt es seitdem 42 Prozent weniger. Das sind Trends, die jeder (ausreichend alte) Mensch aus eigener Erfahrung bereits selbst wahrgenommen hat. Ebenso wie die Verschiebung der Vegetationsperiode im Frühjahr: Im Vergleich zu 1961 fängt diese mittlerweile drei Wochen früher an. "Der Klimawandel ist da, und wer nicht mit Absicht wegschaut, leugnet das auch nicht mehr", stellte Toralf Staud unmissverständlich fest.

Staud attestierte dem Deutschen Wetterdienst auch, dass dieser durchaus sagen könne, wie es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weitergeht. Immer ausgefeiltere Klimamodelle und immer leistungsfähigere Großrechner erlauben immer verlässlichere Blicke in die Zukunft. Ebenso hätten diverse Institute und Forscherteams bergeweise Studien zum Klimawandel in Deutschland vorgelegt. Dies gilt zumindest für den physikalischen Blick auf den Klimawandel - der Umgang mit diesem hat selbstverständlich auch soziologische, politische und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte. Das Mögliche ist deshalb längst nicht immer das, was letztendlich auch getan wird oder umgesetzt werden kann. Staud stellte zum Eingang seiner Lesung klar, dass für sein Buch die Physik der Ausgangspunkt war. Und die Physik sagt, dass es bis 2050 in Deutschland durchschnittlich rund 2°C wärmer sein wird.

Hitzige Wortmeldungen

Dieser Blickwinkel sorgte für ein geteiltes Echo aus dem Publikum, beziehungsweise verdeutlichten die Reaktionen aus jenen Reihen, wie vielfältig und energisch oftmals über dieses Thema diskutiert wird. Toralf Staud versteht seine Lesungen als eine Art "Townhall Meeting", eine Bürgerversammlung, und dementsprechend waren Fragen und Anmerkungen auch ausdrücklich willkommen und erwünscht.

Dem einen war dabei der Ausblick zu pessimistisch, man hätte sich mehr hoffnungsvolle Ansätze von diesem Abend gewünscht. Der andere wiederum widersprach der Möglichkeit einer CO2-neutralen Gesellschaft und forderte mehr "Realismus", ohne hierzu jedoch konkreter werden zu können oder passende Quellen parat zu haben. Und ein Meteorologe aus dem Publikum näherte sich dem Thema ausgesprochen besonnen und zeigte sich hoffnungsvoll bezüglich kommender Durchbrüche in Sachen Speicherung von Energie, die aus Photovoltaik und Wind erzeugt wird. Zudem hielt dieser es auch für sehr gefährlich für die Gesellschaft, wenn lautstarke Pessimisten ohne wirkliches Know-how andere Leute mitreißen.

Die aufgeheizte Stimmung in der mangels funktionierender Klimaanlage nicht minder aufgeheizten Stadthalle zeigte deutlich auf, welche Diskussionen und Positionen einem konzentrierten und bestmöglichen Umgang mit dem Klimawandel im Wege stehen können. Dabei wäre es so wichtig, wenn man sich der Abwendung oder optimalen Abmilderung dieser Katastrophe mit Mann und Maus widmen würde.

Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels

Für Hattersheim empfiehlt Staud in Sachen Stadtplanung eine Wandlung in eine kühlere, schattigere Stadt. Bauweisen, die man aus südlicheren Ländern kennt, sollten bzw. müssen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch in Nordeuropa Einzug halten. Von der hiesigen traditionellen Bauweise mit schönen, großen Fenstern und Balkonen in Richtung Süden müsse man sich Staud zufolge verabschieden. Früher wollte man aus guten Gründen im Winter und größtenteils auch in der warmen Jahreszeit die Wärme in die Häuser holen - dieser Ansatz wird künftig nicht mehr sinnvoll sein.

Zudem müsse man erheblich mehr dämmen, und das nicht nur, um im Winter Heizenergie zu sparen, sondern auch um im Sommer die Wärme draußen zu halten. Ein gut gedämmtes Haus bleibt auch im Sommer länger kühl. Auch eine wirksame Außenverschattung von Fenstern wird vom großer Bedeutung sein.

Und trotzdem werden all diese Maßnahmen und Veränderungen nicht verhindern können, dass viele Häuser eine Klimaanlage benötigen werden, weil man in dort in Zeiten von längeren und intensiveren Hitzewellen ansonsten ernste Gesundheitsschäden riskiert. Das gilt insbesondere für ältere und kranke Menschen.

Staud empfiehlt deshalb Investitionen in den Umbau der Stadt zu einer "schattigen Schwammstadt", also einer Stadt, in der Regenwasser lokal gespeichert wird, anstatt es zu kanalisieren und abzuführen. Jedoch bringt der Klimawandel auch hier vielfältige Problematiken mit sich: Fühlt sich die Tigermücke in einem solchen Umfeld besonders wohl, wäre das auch nicht so gut. Ingenieure werden in den kommenden Jahren also genug Chancen haben, um sich mit guten und praktikablen Ideen rund um die Stadtplanung in Zeiten der Erderwärmung auszuzeichnen.

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