„Ein Haus für viele Bücher“

Offizielle Einweihung des 1-qm-Bücherschranks am Weiher – Nur wenige Tage danach Vandalismus

Auch Bürgermeister Klaus Schindling und Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler steuerten Lesestoff für den zweiten Öffentlichen Bücherschrank in Hattersheim bei.
(Foto: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – Mit den Worten „Was wir heute hier enthüllen, wurde ja schon einmal enthüllt“, begann Hattersheims Bürgermeister Klaus Schindling am Mittwoch, 7. Oktober, seine Rede zur Einweihung des zweiten Öffentlichen Bücherschrankes in der Stadt, „für Hattersheim ist dieser zweite Öffentliche Bücherschrank etwas ganz Besonderes.“ Laut Wikipedia gibt es in Deutschland zurzeit mindestens 1225 solcher offener Schränke, die dazu dienen sollen, Bürgern Bücher kostenlos und ohne jegliche Formalitäten zum Tausch oder zur Mitnahme anzubieten. Vor einiger Zeit schon wurde im Schokoladen-Quartier der erste Bücherschrank dieser Art auf öffentlichem Boden platziert, eine kleine „Westentaschen-Variante“ für Reclam-Hefte oder Taschenbücher hängt als mit schöner „Bomber“-Graffiti verzierter ehemaliger Arzneischrank an der Wand des Hauses St. Martin. 

Und nicht nur dieser „kleinste öffentliche Bücherschrank“ geht auf eine Initiative von Klaus Störch zurück, dem Leiter des Hauses St. Martin ist es auch zu verdanken, dass Hattersheim nun zu einem zweiten „großen“ Öffentlichen Bücherschrank gekommen ist. Darauf spielte Klaus Schindling an, denn eigentlich ist der Schrank gar kein Möbel, sondern eine Nachbildung des 1-Quadratmeter-Hauses des von Van Bo Le-Mentzel entworfenen „kleinsten Hauses der Welt“, welche der Caritasverband Main-Taunus und Klaus Störch passend zum Caritas-Jahresmotto „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ zum 15-jährigen Jubiläum des Hauses St. Martin anfertigen ließen, um auf die zunehmende Wohnungsnot aufmerksam zu machen.

Im Garten des Hauses St. Martin wurde dieses funktionelle Sinnbild der Wohnungslosigkeit, welches extrem raumsparend aufzeigt, wie wenig es für „ein Dach über dem Kopf“ braucht, im Sommer bei der Jubiläumsfeier schon einmal prominent enthüllt und von vielen Interessenten bestaunt. Nun steht es mit zusätzlichen Regalböden und einer Plexiglas-Tür versehen als „Haus für Bücher“ am Hattersheimer Weiher in der Nähe des Familientreffs Grünes Haus. Und so eigentlich an einem zum Lesen idealen Platz im Park, mit Sitzgelegenheiten rundherum – man kann sich gut vorstellen, dass in den wärmeren Jahreszeiten hier gerne mit einem Buch in der Hand verweilt wird.

Daher dankte Klaus Schindling ganz besonders den Vertretern der Caritas Main-Taunus, Geschäftsführer Torsten Gunnemann und dem Facheinrichtungsleiter Klaus Störch, die selbstverständlich der kleinen Einweihungsfeier beiwohnten, ebenso wie viele Hattersheimer Magistratsmitglieder, Bürger und Mitglieder des Familientreffs Grünes Haus, die sich in Zukunft um das „Bücherhaus“ kümmern wollen.

In Bezug auf den Standort zeigte sich Bürgermeister Schindling am Tage der Einweihung des Bücherschrankes zuversichtlich. „Wir als Kommune haben dafür zu sorgen, dass die Zustände am Grünen Haus wieder besser werden“, versprach Schindling, er setze aber auch auf „soziale Kontrolle“: „Wenn sie hier vorbeikommen und irgendwas bemerken, rufen sie uns an!“, forderte er die Bürger auf. Schindling führte aus, dass dem Lesen nicht nur in Bezug auf die Sprachentwicklung große Bedeutung zukomme und sicherte zu, der Bücherschrank am Grünen Haus solle nicht der letzte für Hattersheim sein.

Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler bedankte sich ebenfalls herzlich beim Caritas Verband Main- Taunus und bei Klaus Störch, welche die Idee, das 1-Quadratmeter-Haus zur „Wohnstätte für Bücher“ umzuwidmen, mittrugen. „Der Architekt und Minimalist Van Bo Le-Mentzel ist ja für seinen „grenzenlosen Optimismus“ bekannt, und so hoffe ich, dass der Öffentliche Bücherschrank am Grünen Haus nun rege und ordentliche genutzt wird“, erklärte Spengler, bevor er die Bücher kurz vorstellte, die er für den neuen Bücherschrank mitgebracht hatte.

Auch Torsten Gunnemann ist sich sicher, dass es sich gelohnt hat, dass für das 1-Quadratmeter- Haus ein neuer Zweck als Öffentlicher Bücherschrank gefunden wurde. „Es soll aber auch immer ein Mahnmal dafür bleiben, dass alle miteinander dafür sorgen sollten, dass alle Menschen eine Wohnmöglichkeit haben“, wünschte sich Gunnemann, „nutzen sie den Schrank, um sich ein Buch herauszunehmen, aber auch, um welche hineinzulegen. Bildung ist auch uns allen wichtig, Bildung ermöglicht Teilhabe. Hier wurde ein toller Platz für das Haus gefunden.“

„Dass ich mein Versprechen halten konnte, macht mich – auch wenn ich kein Politiker bin – ein Stückweit glücklich“, strahlte Klaus Störch und erzählte, dass er schon vor einiger Zeit den Mitgliedern des Familientreffs Grünes Haus, die sich einen Öffentlichen Bücherschrank an dieser Stelle gewünscht hatten, versprochen hatte, bei der Realisierung zu helfen. „Die Bürger hatten sich einen solchen Bücherschrank gewünscht, und ich als ‚Teilbürger‘ dieser Stadt habe überlegt, wie man sich in Hattersheim für die Bürger engagieren kann – und bei der Einweihung der kleinsten Bibliothek habe ich mich dann so weit aus dem Fenster gelehnt und versprochen, den Hattersheimern auch einen großen Bücherschrank zu schenken“, strahlte der Leiter des Hauses St. Martin. Nicht ohne dankbar darauf hinzuweisen, dass schließlich das gute Teamwork mit dem KulturForum, der Stadtbücherei und der Stadt Hattersheim dazu geführt habe, dass das „Haus für Bücher“ schließlich an der gewünschten Stelle aufgestellt werden konnte.

Schon bevor die kleine Enthüllungszeremonie begonnen hatte, hatte sich der neben dem „Haus für Bücher“ aufgestellte Tisch mit zahlreichen Büchern gefüllt: Selbstverständlich hatte jeder Redner Literatur mitgebracht, aber auch viele Hattersheimer waren mit Lesematerial – zum Teil in großen Taschen und Tüten verpackt – gekommen. Nachdem Torsten Gunnemann, assistiert von zwei eifrigen Hattersheimer Mädchen, das große weiße Tuch vom Bücherschrank gezogen hatten, wurden gemeinschaftlich die Regale des hübschen Bücherhäuschens mit Krimis, Sachbüchern, Kinderbüchern und Belletristik gefüllt.

Nur kurze Freude am „Haus für Bücher“ 
Aber nur wenige Tage dauerte es, und schon war die Freude am neuen Bücherhaus wieder getrübt. In der Nacht zum Sonntag,11. November, hatten gedankenlose Randalierer nichts Besseres zu tun, als den Hattersheimer Bücherfreunden den Spaß an der neuen Lesequelle wieder zu vermiesen: Die unteren Regale des inzwischen wohlgefüllten Öffentlichen Bücherschrankes wurden ausgeräumt und angekokelt, zahlreiche Leseschätze wurden zerfleddert und als lose Seiten auf dem Weg oder sogar im Weiher verteilt.

Nicht nur diejenigen, die sich für den Öffentlichen Bücherschrank am Grünen Haus so sehr eingesetzt haben, sind fassungslos. Die Diskussionen darüber, ob der Standort vielleicht falsch gewählt wurde und wie man solchem sinnfreien Vandalismus Einhalt gebieten könne, wollen in den sozialen Medien kaum enden. Während Bürgermeister Schindling Angriffe auf das Hattersheimer Ordnungsamt vehement zurückweist und verspricht, für mehr Personal und Streifengänge auch in den Abendstunden am Stadtweiher zu sorgen, wollen andere „Nachbarschaftshilfe“ organisieren. Aber auch wenn es zahlreiche Stimmen gibt, die unken, „Vandalismus sei in Hattersheim in der letzten Zeit eben an der Tagesordnung“, möchten andere – unter ihnen auch Bürgermeister Klaus Schindling – weiter über Maßnahmen gegen gedankenlose Randalierer nachdenken und sich von ihnen nicht die „Gestaltung“ des Stadtgebietes aufzwingen lassen.
 

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