Die Erschließung des Baugebietes „Am Krifteler Wäldchen“ schreitet mit großen Schritten voran. Im Gewerbegebiet werden bald die ersten Grundstücke verkauft, im Wohngebiet sind die Grundstücke im Umlegungsverfahren gebildet worden. Stellt sich nun die Frage: Wie sollen die neuen Straßen dort heißen?
Mit dieser Frage hat sich der Krifteler Gemeindevorstand beschäftigt, und zur aktuellen Sitzungsrunde legte dieser nun einen Antrag mit konkreten Vorschlägen zur Straßenbenennung vor.
Grundsätzlich hat es sich bewährt, dass neue Straßen zum einen gerne mit Bezug zu einem speziellen Themengebiet benannt werden (beispielsweise mehrere Straßen in einem zusammenhängenden Areal nach Vogelnamen), und zum anderen natürlich auch nach den Namen historischer Persönlichkeiten. Und schließlich sind namentliche Hinweise auf örtliche Gegebenheiten auch eine gerne wahrgenommene Option.
In den Erläuterungen zum Antrag stellt der Gemeindevorstand in diesem Zusammenhang fest, dass die Straßenbenennung "ein wesentliches Instrument der kommunalen Erinnerungskultur" sei und nicht nur der Orientierung diene, sondern auch historische und gesellschaftliche Werte vermitteln soll. Deshalb spricht sich der Gemeindevortand dafür aus, diesen Grundsatz auch im besagten Neubaugebiet fortzüführen und so "Bezüge zu historischen Persönlichkeiten und bestehenden Lagebezeichnungen herzustellen".
Bei der Namensgebung will man nun auch dem Umstand Tribut zollen, dass bislang deutlich mehr Straßen nach Männern als nach Frauen benannt wurden - eine Schieflage, die nicht mehr zeitgemäß erscheint. Um sieben Straßen geht es insgesamt, und vier davon sollen nun nach jenen vier Frauen benannt werden, die im Parlamentarischen Rat 1948 und 1949 entscheidend an der Ausarbeitung des Deutschen Grundgesetzes beteiligt waren. Die Straßen sollen deshalb künftig auf die Namen Elisabeth-Selbert-Weg, Friederike-Nadig-Weg, Helene-Weber-Weg und Helene-Wessel-Weg hören.
Der Gemeindevorstand stellt in seiner Antragsbegründung insbesondere fest, dass diese vier Frauen maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass der Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Grundgesetz verankert worden ist. Elisabeth Selbert setzte die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes durch, und Friederike Nadig, Helene Weber sowie Helene Wessel leisteten durch ihr Engagement ebenfalls wichtige Beiträge zur Verwirklichung der Grundrechte und zum Aufbau der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. "Die Gemeinde setzt damit ein bewusstes Zeichen zur Würdigung der Rolle von Frauen in der deutschen Demokratiegeschichte, zur Erinnerung an die Entstehung des Grundgesetzes als Fundament unserer Gesellschaft und zur Förderung einer ausgewogenen und zeitgemäßen Erinnerungskultur", so der Gemeindevorstand in den Antragserläuterungen.
Die Vertreterinnen und Vertreter aller im Planungsausschuss vertretenen Fraktionen stimmten diesen vier Namensgebungen einstimmig zu.
Erfolgreiche Vorschläge von FDP und CDU
Eine weitere Straße am Krifteler Wäldchen sollte nach der weltberühmten Physikerin und Chemikerin Marie Curie benannt werden. Curie war gebürtige Polin und lebte in Frankreich, was angesichts der beiden Partnerstädte Airaines in Frankreich und Pilawa Gorna in Polen eine für Kriftel recht passende Mixtur darstellt.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Berthold Heil brachte als Alternative zu Marie Curie die österreichische Physikerin Lise Meitner ins Spiel, eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts. Meitner wirkte zunächst ab 1912 in Berlin und wurde 1926 die erste Professorin für Physik in Deutschland. 1938 musste sie vor den Nationalsozialisten nach Schweden fliehen.
Dieser FDP-Vorschlag fiel im Planungsausschuss auf einen fruchtbaren Boden: Einstimmig wurde sich dort für die Lise-Meitner-Straße anstelle einer Marie-Curie-Straße ausgesprochen.
Eine weitere von der CDU vorgeschlagene Änderung fand ebenfalls ihren Weg in die Planungen: Der Helene-Weber-Weg und der Helene-Wessel-Weg sollen nicht direkt parallel zueinander verlaufen, um die Gefahr von Verwechslungen, beispielsweise bei der Postzustellung, zu minimieren.
Für die beiden verbleibenden Straßen im Baugebiet "Am Krifteler Wäldchen" orientierte sich der Gemeindevorstand an alten Flurbezeichnungen. Damit soll die lokale Geschichte und die gewachsene Kulturlandschaft bewahrt und gewürdigt werden. Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft soll so geschlagen werden, was zu folgenden zwei Vorschlägen führte: Der Straßename "Am Glockengewann“ setzt sich aus „Glocke“ (traditionelles Symbol kirchlicher und gemeinschaftlicher Identität) und „Gewann“ (klassische Einteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen) zusammen. In Kriftel sei der Name "Glockengewann" überliefert in den Jahren: 1551, 1654, 1661, 1700 und 1720. Im Ackerbuch von 1661 hatte die Kirche wohl fünf Ruten (etwas mehr als ein Morgen) Besitz im Glockengewann, führt der Gemeindevorstand in seinen schriftlichen Erläuterungen aus.
"Am Wäldchen" statt "Im Bodenfeld"
Beim Vorschlag „Im Bodenfeld“ bezieht sich der Namensbestandteil "Boden" in Flurbezeichnungen nicht nur auf die Erdoberfläche, sondern häufig auch auf fruchtbares Ackerland, eine Ebene oder eine Senke. "Beides ist in diesem Zusammenhang zutreffend", so der Gemeindevorstand. "In Kriftel ist der Name 'Im Boden' historisch in den Jahren 1339, 1551, 1654, 1661 und 1700 überliefert."
Während der Name "Am Glockengewann" im Ausschuss unumstritten war, fand "Im Bodenfeld" nicht genug Freunde. Der eigentlich historisch passendere Name "Im Boden" wurde als im Zusammenhang mit einer Adresse unglücklich klingend angesehen, und auch "Im Bodenfeld" erwies sich als diskutabel. Die CDU-Fraktion schlug deshalb vor, die Straße stattdessen "Am Wäldchen" zu nennen, was sich letztendlich auch als mehrheitsfähig erwies. Christof Morawietz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, zeigte sich erstaunt angesichts dieser Namensidee: In diesem Gebiet sei weder ein Wäldchen vorzufinden, noch hätte es dort jemals einen Wald gegeben. Im Gegensatz zu den anderen sechs Namen findet er in dieser Namensgebung deshalb keinen nachvollziehbaren Bezug.
Vorläufig noch kein „Platz von Pilawa Gorna“
Schließlich hatte die FDP-Fraktion bereits vor einiger Zeit beantragt, analog zum "Platz von Airanes" den neuen Bahnhofsplatz Süd „Platz von Pilawa Gorna“ zu taufen. Die Gemeindevertretung hatte seinerzeit einstimmig beschlossen, dass dieser Antrag im Planungsausschuss verbleiben soll bis die Benennung der Straßen im Gebiet „Am Krifteler Wäldchen“ ansteht. Dies war nun der Fall.
Der Gemeindevorstand spricht sich hier weiterhin dafür aus, mit dieser Benennung zu warten, bis der Platz tatsächlich existert und als solcher auch für Besucher erlebbar ist. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass beispielsweise Reisende aus der Partnerstadt schon heute über Google Maps von der Existenz eines "Platzes von Pilawa Gorna" erfahren und diesen gezielt ansteuern - nur, um dann bestenfalls eine Baustelle zu Gesicht zu bekommen.
Kommentare