Hohe Gebäude verändern die Kulisse

Fragen zur angedachten Bebauung des Kastengrundes / Geplante Maßnahmen zur Erhaltung des Landschaftsbildes

Das Gebiet im Kastengrund wurde 2019 vom Unternehmen Digital Realty erworben. Künftig sollen dort ein großes Rechenzentrum und Bürogebäude entstehen.

Vor zwei Jahren wechselte das 144.000 Quadratmeter große Areal im Kastengrund den Besitzer: Der Main-Taunus-Kreis veräußerte das Gelände, auf dem die Hoechst AG ehemals eine Tierversuchsanstalt unterhielt und das 2015 zu einer Unterkunft für etwa 700 geflüchtete Menschen ausgebaut worden war, an das Unternehmen Digital Realty. Aktuell ist dort noch das Corona-Impfzentrum des Kreises untergebracht. Aber die zukünftige Verwendung ist schon klar umrissen: Die alten Büros und Laborräume werden müssen einem neuen Rechenzentrum weichen.

Über diese Entwicklung machte sich auch die Hatterheimer Fraktion der Grünen so ihre Gedanken - und formulierte im Vorfeld der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung einen kleinen Fragenkatalog an den Magistrat. So verorten die Grünen das geplante Rechenzentrum "inmitten eines Naturschutzgebietes", der Weilbacher Kiesgruben. Dieses Gebiet diene der Erholung von Hattersheimer Bürgerinnen und Bürgern, und auch in Hinblick auf den Tagestourismus verfüge es über eine hohe Anziehungskraft. Man erwartet, dass die bisher geplanten Bebauungen auf dem Gebiet das Landschaftsbild für Jahrzehnte maßgeblich beeinflussen werden und die "Auswirkungen auf das Klima von großer Bedeutung" sein werden.

Die schriftliche Antwort des Magistrats bestreitet bereits die erste Annahme der Grünen: Das neue Rechenzentrum entstehe demnach nicht innerhalb eines Naturschutzgebietes. Vielmehr liegen die Weilbacher Kiesgruben unmittelbar südlich am Plangebiet angrenzend. Da man nicht ausschließen könne, dass die dort lebenden, streng geschützten Arten durch die Errichtung des neuen Rechenzentrums gestört werden, wurde bereits eine sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Vorprüfung vorgenommen. Diese ergab, dass "bei Einhaltung der im Bebauungsplan festgelegten Maßnahmen zum Schutz gegenüber einer Einwanderung des Kammmolches insgesamt keine erheblichen Beeinträchtigungen auf die geschützten Lebensraumtypen und Arten zu erwarten sind".

Kein Platz für Photovoltaik

Auch mit der angedachten Gestaltung der Fassade des neuen Rechenzentrums beschäftigen sich die Grünen. Das fängt bereits mit der Frage nach dem ästhetischen Erscheinungsbild an: Ob hier eine farbliche Fassadengestaltung geplant sei, vergleichbar mit dem Industriepark Hoechst. Der Magistrat antwortete hierzu, dass gemäß des Bebauungsplanes eine farblich grelle oder glänzende Fassadenverkleidung ausgeschlossen sei. Zudem werde im städtebaulichen Vertrag noch näher festgelegt, wie eine Fassadengestaltung genau auszusehen habe, um unnötig große Eingriffe in das Landschaftsbild tunlichst zu vermeiden.

In Hinblick auf den Klimaschutz sind heutzutage an Fassaden und Dächern Photovoltaikanlagen ebenso weit verbreitet wie eine Begrünung dieser Flächen. Das neue Rechenzentrum wird hierfür jedoch keinen Platz bieten, da dem Magistrat zufolge ein Großteil der dortigen Dachflächen technische Anlagen beherbergen wird. Für Bürogebäude und Nebenanlagen jedoch, die sich ebenfalls auf dem Gelände wiederfinden werden, werde eine Dachbegrünung gefordert.

Der Magistrat weist in seiner Antwort ferner darauf hin, dass es um den ganzen Komplex herum einen im Schnitt über 20 Meter breiten und über vier Hektar großen Grüngürtel geben wird. "Aufgrund der Abschirmungswirkung der Grünstrukturen ist im vorliegenden Fall die Festsetzung einer Fassadenbegrünung nicht zwingend erforderlich", heißt es in der schriftlichen Antwort. Man werde im Rahmen der Genehmigungsplanung und bei den Verhandlungen des städtebaulichen Vertrages die Möglichkeiten von Fassadenbegrünungen mit dem Vorhabenträger erörtern.

Bauhöhe als Sichtschutz

Sorge bereitet den Grünen auch die Höhe der neuen Gebäude. Diese erachtet man aufgrund der Planung als "überdimensioniert", und dementsprechend stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Bauhöhe vereinbar mit dem als Erholungsgebiet ausgewiesenen Umfeld ist.

Hierbei verweist der Magistrat auf den Umweltbericht zum Bebauungsplan. Dort werden die Auswirkungen auf Landschaftsbild und Erholungsfunktion ausführlich beleuchtet. Demnach haben die Bauplanungen auf dem Gebiet tatsächlich das Potenzial, das prägende Landschaftsbild des aus Landwirtschaft, Schutzgebieten und Regionalpark bestehenden Umfeldes nachteilig zu beeinflussen; besonders große und hohe Gebäude können die "Kulissen- und Fernwirkung der Umgebung" beeinträchtigen.

Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, wurden im Bebauungsplan mehrere Maßnahmen fixiert:

  • Entsprechend angeordnete Baufelder und gestaffelte Gebäudehöhen zum Zentrum des Areals hin sollen ausreichende Flächen für eine Randeingrünung schaffen.
  • Umfangreiche Maßnahmen zum Erhalt und zur Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern sollen einen positiven Effekt auf das Landschaftsbild haben. Die Randeingrünung umfasst eine Fläche von vier Hektar und damit etwa ein Drittel des gesamten Sondergebietes.
  • Die Gebäudehöhen sollen auch den Blick auf die sich auf dem Dach befindlichen technischen Anlagen verhüllen.
  • Werbeanlagen will man klar regeln und beschränken, um nachteilige Auswirkungen auf das Stadt- und Landschaftsbild zu verhindern.

Konzept zur Energieversorgung

In den Reihen der Grünen herrscht auch ein gesteigertes Interesse an der Art und Weise der Energieversorgung im Kastengrund. Diese wird dem Magistrat zufolge über eine 110 kV Umspannstation gewährleistet. Zusätzlich sollen Hilfsgeneratoren im Notfall die Stromversorgung auch 24 Stunden lang alleine sicherstellen können.

Der zum Betrieb dieser Notfallgeneratoren notwendige Dieseltreibstoff muss natürlich irgendwo gelagert werden. Da dieser Stoff als "wassergefährdend" gilt, müssen die Auflagen für die Schutzzone III des Wasserschutzgebietes „Pumpwerk Hattersheim I“ und „Pumpwerk Hattersheim II“ unbedingt berücksichtigt werden. Auch die Vorschriften der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sind unbedingt zu befolgen.

Nutzung der Abwärme

Existiert für die Abwärmenutzung des Rechenzentrums ein Konzept? Wie könnte die Abwärme für die Stadt Hattersheim genutzt werden? Dies waren vorerst die letzten Fragen, die die Grünen in dieser Angelegenheit an den Magistrat richteten.

Dieser gab an, dass man derzeit noch prüfe, ob die durch den Rechenzentrumsbetrieb entstehende Abwärme nutzbar sei, beispielsweise durch ein Nahwärme- oder ein lokales Fernwärmenetz. Abschließend geklärt werden könne diese Frage zum Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanentwurfes noch nicht. Eine solche Planung gehe über den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes deutlich hinaus. Man müsse zunächst auch einen passenden Abnehmer für die Abwärme finden, und die "zeitliche und räumliche Ausgestaltung eines Umsetzungskonzeptes" sei "sehr komplex".

Im Rahmen des städtebaulichen Vertrages werde man mit dem Vorhabenträger die Erstellung einer detaillierten Machbarkeitsstudie vereinbaren. So soll die konkrete Umsetzbarkeit überprüft werden. Ebenso gelte es, CO2-Einsparpotenziale und Abnehmer für die Abwärmeenergie zu ermitteln.

Das Thema wird die städtischen Gremien noch länger beschäftigen: Die Grünen beantragten die Überweisung der Anfrage in den Planungsausschuss. Dort werden die Fragen im Rahmen der nächsten Sitzungsrunde weitergehend erörtert.

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