"Jeder Mensch, der Opfer von Gewalt wird, ist einer zu viel"

Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Zeichen der Kriege in der Ukraine und in Nahost

Zuletzt rar gewordener Sonnenschein begleitete am vergangenen Sonntag die Feierstunde auf dem Okrifteler Friedhof.

Bereits vor einem Jahr sorgten schlimme aktuelle Geschehnisse dafür, dass der Volkstrauertag nicht primär als Gedenktag für die Opfer vergangener Kriege und Gewaltverbrechen wahrgenommen wurde. Damals war es der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022, der zusätzlich zu Trauer und Bedauern in Hinblick auf historische Konflikte und Verbrechen auch ganz akute Sorge und Fassungslosigkeit an diesem Tag noch einmal stark in den Mittelpunkt rückte. So, wie es die Kriegsberichterstattung in den vorangegangenen Monaten schon Tag für Tag getan hatte.

Zusätzlich zu diesem leider immer noch andauernden Krieg, der momentan keine Aussicht auf ein baldiges endgültiges Scheitern der russischen Eroberungspläne liefert, kommt nun noch der mit großer Brutalität und vielen zivilen Opfern wieder intensiv aufgeflammte Nahost-Konflikt hinzu.

In beiden Fällen handelt es sich um Kriege, deren Auswirkungen sich auch bei uns vor der Haustür bemerkbar machen: Neben der beängstigenden geografischen Nähe der Kämpfe in der Ukraine haben auch viele geflüchtete Menschen von dort hierzulande Schutz gefunden. Die UNO-Flüchtlingshilfe hat in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass fast 6,3 Millionen Menschen aus der Ukraine mittlerweile ins Ausland geflohen sind. Dem Ausländerzentralregister zufolge hielten sich Anfang November gut 1,1 ukrainische Millionen Kriegsflüchtlinge in Deutschland auf.

Und auch der Krieg in Israel und Gaza, ausgelöst durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, beeinflusst unseren Alltag. Die aktuelle Eskalation des seit über 75 Jahren ungelösten Israelisch-Palästinensischen Konflikts treibt auch hierzulande die Menschen auf die Straße. Teils friedlich, teils hasserfüllt. Teils als Solidaritätsbekundung, teils als Protest. Dem zugrundeliegenden Konflikt entsprechend, stellt sich auch dieser Teilbereich als sehr kompliziert dar - und leider kommen dabei nur allzu oft Stimmen des Friedens und der Versöhnung zu kurz.

Vielleicht war es der Blick auf diese deprimierende Nachrichtenlage, die dafür sorgte, dass die diesjährige Hattersheimer Gedenkstunde zum Volkstrauertag am Ehrenmal auf dem Friedhof in Okriftel so gut besucht war. Vielleicht hat auch einfach nur das unverhofft sonnige Wetter dafür gesorgt, dass manch einer schneller bereit war, an diesem Sonntagvormittag die heimische Stube zu verlassen und dieser Veranstaltung beizuwohnen.

Selbst für Toleranz und Hilfsbereitschaft eintreten

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von der Sängervereinigung Okriftel, die zu Beginn den christlichen Choral "Näher, mein Gott, zu dir" anstimmte. Grundlage jenes Chorals ist das Gedicht "Nearer, My God, to Thee" der englischen Dichterin Sarah Flower Adams aus dem Jahre 1841.

Bürgermeister Klaus Schindling brachte in seiner Rede zunächst seine Freude darüber zum Ausdruck, dass sich ein so zahlreiches Publikum zu diesem Anlass eingefunden hatte. Momente wie dieser, geprägt von der friedlichen Zusammenkunft und dem Gedenken an die Opfer der Kriege, seien beispielgebend für diese Welt.

Schindling verwies auf die Geschenisse in der Ukraine, in Israel und in Gaza. Er rief den Terroranschlag der Hamas in Erinnerung, dem viele unschuldige Menschen, junge wie alte, zum Opfer gefallen waren, und an das, "was unausweichlich dann passiert, wenn man dem Terror nicht nachgibt: Man wehrt sich."

Doch der Bürgermeister fing an dieser Stelle nicht an abzuwägen, "wie viel Zurückschlagen in dieser Zeit notwendig ist", sondern stellte fest: "Da gibt es kein Maß, kein Ziel. Jeder Mensch, der Opfer von Gewalt wird, ist einer zu viel."

All dieser Gewalt stehe man allzu oft nur noch ohnmächtig gegenüber. Man informiert sich, man diskutiert im Familien- und Bekanntenkreis darüber - aber weiß letztendlich doch ganz genau, dass man aus der Ferne nichts dazu beitragen kann, dass diese Kriege ein Ende nehmen. Was man jedoch tun kann, und diese Feststellung ist Bürgermeister Schindling anlässlich des Volkstrauertages immer wieder ein Anliegen: Man kann mit gutem Beispiel vorangehen und in seinem eigenen Umfeld, hier in der Heimat, für "ein buntes, tolerantes, wunderschönes Hattersheim am Main" sorgen. In den Vereinen, in der Politik und generell in der Gesellschaft, indem man so lebt, "wie Gott das will", so Schindling. Und zwar in jeder Religion - der Name Gottes mag zwar ein anderer sein, aber überall gehe es letztendlich darum, dass man einander hilft und füreinander da ist. Schindling formulierte die Hoffnung, dass "die Vernunft auch in den Ländern, in denen jetzt Krieg herrscht, Einkehr halten mag."

Kranzniederlegung am Ehrenmal

Auch den Kriegsopfern aus Hattersheim, Okriftel und Eddersheim wurde gedacht und es wurde für sie gebetet, verbunden mit dem Wunsch, "dass sowas hier nie, nie wieder vorkommt", so der Bürgermeister abschließend. Gemeinsam mit Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter legte er einen Kranz am Ehrenmal nieder, flankiert von der Ehrenwache, die von der Freiwilligen Feuerwehr Okriftel übernommen wurde. Zum Ausklang der Gedenkstunde brachte die Sängervereinigung Okriftel schließlich noch das Lied "Ich bete an die Macht der Liebe" zu Gehör.

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