Dass es sich beim Nahostkonflikt um eine komplexe und - gerade in diesen Zeiten - emotionale Problematik handelt, sollte niemanden mehr überraschen. Dieser Umstand machte sich auch in der jüngsten Hattersheimer Stadtverordnetenversammlung am 19. Oktober bemerkbar, als Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter (CDU) zu Beginn der Sitzung zu einer "Schweigeminute für die Opfer in Israel" aufrief. Zwar folgten dieser Aufforderung natürlich alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier, jedoch waren in deren Reihen auch durchaus verdutzte Mienen angesichts dieser Formulierung zu erkennen. Und der ebenfalls anwesende Ausländerbeirat ließ der Presse vor Ort direkt eine schriftliche Stellungnahme zukommen, der zufolge man Wert darauf lege, dass "bei der Schweigeminute in der Stadtverordnetenversammlung aller Opfer des israelisch-palästinensischen Konflikts gedacht werde".
Reuter entschuldigte und korrigierte sich zur Zufriedenheit und Beruhigung aller Anwesenden noch während der Sitzung: Natürlich sollte sich die Schweigeminute auf alle Opfer des Konfliktes beziehen, also auch die zivilen Opfer im Gazastreifen, die ebenfalls von der aktuellen Eskalation der Gewalt betroffen sind.
Die weiteren Themen des Abends blieben auf Hattersheim fokussiert, und Einigkeit und Tatendrang herrschten erfreulicherweise bei einem ebenfalls von Georg Reuter vorgebrachten Vorschlag bezüglich einer Verköstigung von Obdachlosen durch die Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverordnetenversammlung. Nachdem diese Idee im Rahmen der Präsidiumssitzungen geboren wurde, sollte nun eine Art Stimmungsbarometer Rückschlüsse darauf erlauben, wie viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier denn zum Kochen und Bedienen während eines solchen Events bereitwillig zur Verfügung stünden. Die Resonanz war einstimmig positiv - und damit ist klar: An Unterstützung wird kein Mangel herrschen, man wird nun einen entsprechenden Termin rechtzeitig vor Weihnachten suchen.
Fragestunde
Im Rahmen der üblichen Fragestunde vor dem Beginn einer jeden Stadtverordnetenversammlung nutzten diesmal zwei Stadtverordnete dieses Forum.
Stefan Ehrecke (Bündnis 90/ Die Grünen) formulierte Fragen bezüglich der Anschaffung und Wirkungsweise des Elektro-Straßenabfallsaugers "Glutton H20 perfect". Seit August setzt die Hattersheimer Stadtreinigung das Gerät ein, und damit können die Stadtreinigungskräfte nicht nur den Stadtabfall einsaugen, sondern gleichzeitig auch die Straßen und Plätze säubern und desinfizieren.
Ehrecke interessierte sich unter anderem für die Anschaffungskosten, die Bürgermeister Klaus Schindling mit 19.564,84 Euro bezifferte.
Bezüglich der Umweltfreundlichkeit des modernen Edelsaugers konnte Schindling zu Protokoll geben, dass dieser zu 100 Prozent elektrisch funktioniere und dadurch auch keinerlei Emissionen verursacht. Leitungswasser wird lediglich dann verbraucht, wenn Verunreinigungen gezielt durch die eingebaute Sprühpistole beseitigt werden. In der Regel reiche der 60-Liter-Tank des Saugers für mehrere Tage, so Schindling, und je nach Einsatzort wird der Tank auch immer wieder mal mit Brunnen- statt Leitungswasser befüllt.
Schließlich wollte Ehrecke noch gerne wissen, wie sich der "Glutton H20 perfect" mit Klein- und Bodenlebewesen verträgt. Bürgermeister Schindling gestand ein, dass der Müll durch ein von Hand geführtes Saugrohr eingesaugt wird und man dabei nicht ausschließen könne, dass dabei auch Kleinlebewesen in Mitleidenschaft gezogen werden. Man habe aber die Mitarbeiter entsprechend sensibilisiert, und diese sind angehalten, gerade bei der Beseitigung von Laub auf diese Tiere zu achten und sie, sofern sichtbar, natürlich auch zu verschonen.
Als zweiter Stadtverordneter ergriff Kolja Franssen (SPD) während der Fragestunde das Wort und hakte nach in Bezug auf die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik. Franssen erinnerte daran, dass er bereits zur Stadtverordnetenversammlung am 20. Oktober 2022 an den Magistrat Fragen zum Strombedarf der Straßenbeleuchtung sowie zum Stand der Umstellung auf LED-Technik gestellt hatte. Aufgrund des geringen Einsatzes von LED-Laternen im Stadtgebiet hatte die SPD-Fraktion damals einen Haushaltsantrag im Dezember 2022 gestellt, der seitens der regierenden Koalition abgelehnt wurde.
Franssen verwies nun auf einen neuen HR-Beitrag vom 11. Oktober, in dem der Klimaschutzmanager der Stadt Hattersheim Andreas Flettner Aussagen zum Stand der Umrüstung bei der Straßenbeleuchtung, sowie zur hierdurch erzielten Energieersparnis tätigte. Franssen zitierte: „Die Straßenbeleuchtung zum Beispiel ist jetzt zum Großteil umgestellt auf LED, was uns 90 Prozent Energie spart.“
Anlässlich dieses ausgestrahlten Updates fragte Franssen nun, wie viele Straßenlaternen Stand Oktober 2023 durch oder im Auftrag der Stadt Hattersheim betrieben werden und wie viele davon noch nicht auf LED-Technik umgerüstet sind. Die Formulierung "Großteil" lasse ja eigentlich den Rückschluss zu, dass mehr als die Hälfte der Leuchten nun über LED-Technik verfügen müssten. Zum Vergleich: Im Oktober 2022 lag deren Anteil noch bei knapp 21 Prozent.
Und auch die formulierte Stromersparnis von 90 Prozent verblüffte den SPD-Stadtverordneten, denn vor einem Jahr hieß es noch, dass das Kostensenkungspotenzial bei einer vollständigen Umstellung bei "nur" 71 Prozent liege.
Bürgermeister Schindling lieferte daraufhin aktuelle Zahlen: "Die Syna GmbH ist der Eigentümer der Beleuchtungsanlagen in Hattersheim am Main und betreibt derzeit 3.154 Leuchten. Davon sind 2.311 noch nicht auf LED umgestellt." Somit liegt der aktuelle Anteil der LED-Leuchten in Hattersheim bei etwa 27 Prozent.
Schindling korrigierte die missverständlichen Aussagen von Andreas Flettner gegenüber dem Hessischen Rundfunk: Dieser meinte, dass die LED-Beleuchtung "zu einem großen Teil" umgerüstet sei - und nicht zu einem "Großteil". Demnach könne aus der Aussage auch nicht abgeleitet werden, dass schon jetzt bereits über 50 Prozent der Leuchten umgerüstet seien.
Die von Flettner erwähnte Ersparnis von 90 Prozent beziehe sich zudem auf die grundsätzliche Ersparnis von LED gegenüber Standardglühbirnen, und nicht im Vergleich zur in Straßenlaternen verwendeten Natriumdampftechnik. Ein höheres Einsparpotenzial kann jedoch durchaus noch durch die zusätzliche Nutzung von smarten, adaptiven Straßenbeleuchtungskörpern erreicht werden. Diese reagieren dann auf den tatsächlichen Verkehr und beleuchten nur nach Bedarf.
Bautätigkeit im Bereich Gewerbegebiet Nord/Heddingheimer Straße
Natürlich richteten auch die Fraktionen selbst während der Stadtverordnetenversammlung Fragen direkt an den Magistrat. So ist der SPD-Fraktion aufgefallen, dass Ende August im Bereich Mainzer Landstraße / Heddingheimer Straße im Plangebiet des Bebauungsplans N116 erste Bauzäune aufgestellt wurden. Geplant ist dort die Errichtung von weiteren Rechenzentren.
So erkundigte man sich unter anderem nach den Vorarbeiten, die in diesem Bereich aktuell durchgeführt werden. Der Magistrat informierte in seiner Antwort darüber, dass "die im August 2022 durchgeführte geophysikalische Prospektion zahlreiche bodendenkmalrelevante Bodenanomalien" ergeben habe. Entsprechend der Anforderungen des Landesamtes für Denkmalpflege und in Abstimmung mit der Unteren Denkmalbehörde beim Main-Taunus-Kreis werden aktuell Grabungsarbeiten durchgeführt, damit möglicherweise vorhandenes Kulturgut dokumentiert und gesichert werden kann. Diese Untersuchungen werden zudem von einer Kampfmittelsondierung begleitet, da im Rahmen der Prospektion auch Kampfmittelverdachtspunkte festgestellt wurden.
Derzeit rechnet die Stadt Hattersheim mit der Erteilung der Baugenehmigung sowie einem möglichen Baubeginn im Frühjahr/Sommer 2024. Das dazugehörige Verfahren zur Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans läuft dem Magistrat zufolge parallel zum Bebauungsplanverfahren, und da die Bauleitplanverfahren noch nicht abgeschlossen sind, gibt es noch keine Auflagen zur Genehmigung der zukünftigen Nutzung.
Gartenfibel gegen Schottergärten
Die Grünen wiesen im Rahmen ihrer Anfrage zu hiesigen Schottergärten zunächst darauf hin, dass
die Stadt Hattersheim seit dem 28. Juli 2023 Mitglied der Klimakommunen Hessen ist und auf ihrer eigenen Homepage unter anderem erklärt, dass "Kommunen nun auch im Bereich Klimaanpassung vor Ort aktiv werden" müssen und eine "offene und regelmäßige Kommunikation zu den Projekten und Vorhaben ebenso Bestandteil" sei.
Ein vorheriger Antrag der Grünen zu diesem Thema wurde einstimmig beschlossen. Damit wurde der Magistrat damit beauftragt "Anreize zu schaffen, um sogenannte Schottergärten im Hattersheimer Stadtgebiet zu vermeiden und bereits bestehende Schottergärten in bepflanzte Flächen umzuwandeln. Dabei soll auf eine möglichst geringe Versiegelung der Flächen hingewirkt werden." Diverse Maßnahmen sollten dabei in Betracht gezogen werden, wie zum Beispiel die Sensibilisierung der Bevölkerung durch Flyer, Presseerklärungen oder eine Bürgerversammlung. Bauherrinen und - herren sollten zudem schriftlich über die negativen Folgen von flächenversiegelten Vorgärten informiert werden. Die Grünen baten nun um Informationen zum aktuellen Stand der Umsetzungen dieser Maßnahmen.
Der Magistrat gab daraufhin bekannt, dass mittlerweile ein Entwurf zu einer "Gartenfibel" vorliege, der bis Ende des Jahres abschließend überarbeitet werden soll. Bei dieser Gartenfibel handele es sich um ein Booklet, das die Stadt in gedruckter Form an Bauherren und Zugezogene ausgeben kann. Auch eine digitale Version der Gartenfibel soll auf der Homepage der Stadt verfügbar gemacht werden. In der Fibel wird das Thema Schottergärten wiederholt aufgegriffen und unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet.
Zusätzlich wurden im Rahmen des Veranstaltungsprogramms GartenRheinMain einige Informationsveranstaltungen durchgeführt, bei denen Bürgerinnen und Bürger sich über die Folgen des Klimawandels und über Möglichkeiten eines möglichst insektenfreundlichen Gartens in der Praxis informieren konnten. So wurde eine Klimaradtour veranstaltet, und zum Wildbienengartenfest kamen in diesem Jahr immerhin 114 Besucherinnen und Besucher.
Bezüglich der Erschaffung von Anreizen zur Beteiligung an Klimaschutzmaßnahmen arbeite man derzeit in Absprache mit dem Klimaschutzmanager an einer möglichen Umsetzung. Hierzu will man artverwandte Projekte aus anderen Kommunen zur Orientierung heranziehen und prüfen, ob Fördermöglichkeiten bestehen. Konkretere Informationen zur möglichen Natur dieser Anreize lieferte man seitens des Magistrats jedoch noch nicht.