„Heute ist es so schön, aber die Anfänge waren oft steinig – ohne Rückblick wird es keinen Fortschritt geben, wenn wir uns nicht erinnern, können wir nicht vorwärts gehen“, lud Bosilja Dreher, die heute Ausländerbeauftragte der Stadt Hattersheim, die Zuhörer auf eine Reise in die Vergangenheit ein. Sylvia Maeder moderierte diese „Reise in die Vergangenheit mit Ausblick in die Zukunft“ souverän und sensibel, es machte Spaß, den Geschichten zuzuhören, die sie den Gesprächsteilnehmern auf dem Podium entlockte. So bekamen die Gäste im Posthofkeller nicht nur Einblick in die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Ausländerbeirates in Hattersheim, sondern auch in zum Teil ganz persönliche Beweggründe derer, die auf der Bühne saßen, warum sie sich dort engagierten oder noch engagieren. Man konnte erfahren, wie man früher und wie man heute Mitglied im Ausländerbeirat werden konnte/kann, welche politischen Rechte der Ausländerbeirat im Stadtparlament hat und warum diese Rederechte nicht so oft wahrgenommen werden, wie man es sich dort wünschen würde. Man hörte, wie sehr sich die „Ausländer“ im Ausländerbeirat eigentlich als Hattersheimer oder Okriftler fühlen und wie viel ihnen an „ihrer“ Stadt liegt.
Geschichten etwa von Bosilja Dreher, die vor langer Zeit gar nicht so richtig wusste wie ihr geschah, als sie „plötzlich“ in den Ausländerbeirat gewählt war, sich dann aber „durchkämpfte“ oder von Christopher Savage, der eigentlich nur für ein Jahr aus seiner Heimat England nach Deutschland gehen wollte und der heute Stadtverordneter in Hattersheim ist, erstaunten und erheiterten die Zuhörer. Christos Batzis hat mittlerweile zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, vergisst das bei seinen Erzählungen von früher immer mal, spricht auf der Bühne noch immer von „wir Ausländer“ um sich dann lachend zu korrigieren. Hanem Halimler erzählt davon, wie schwierig es für sie gewesen sei, als gebildete, kein Kopftuch tragende, junge Frau als Türkin akzeptiert zu werden, weil die Vorurteile gegenüber türkischen Frauen so groß gewesen seien, dass man sie immer als Französin oder Griechin sehen wollte, da sie nicht in das Bild passte, welches „man“ hier von türkischen Frauen gehabt habe. Azimet Karadas lebte seit 40 Jahren in Deutschland, er war acht Jahre lang stellvertretender Vorsitzender des Ausländerbeirates und zieht ein positive Bilanz aus dieser Zeit. Die heutige Vorsitzende des Ausländerbeirates Bozika Krug erzählte davon, dass sie jedes Mal wieder Gänsehaut bekommt, wenn sie sieht, wie viele Leute heute den Ausländerbeirat wählen. Sie ist davon überzeugt und hofft, dass man in weiteren 25 Jahren keinen Ausländerbeirat in Hattersheim mehr brauchen wird, weil alle Menschen dann „Mitbürger“ sein und sich hier so zu Hause fühlen werden, wie es sein sollte. Christos Batzis ist da anderer Ansicht: „Es wird immer Mobilität zwischen den Ländern und damit immer ,Ausländer' und Minderheiten geben, daher wird auch in 25 Jahren ein Ausländerbeirat noch notwendig sein.“ Christopher Savage wünscht sich, dass bis dahin das Ausländerwahlrecht durchgesetzt werden kann, damit sich Ausländer auch an der politischen Entscheidungsfindung der Kommunen in der sie leben, aktiv beteiligen können.
Dass die finanzielle Situation der Stadt Hattersheim im Moment so dramatisch ist, hatten viele der Anwesenden so noch nicht realisiert, Sylvia Maeder berichtete kurz darüber und regte den Ausländerbeirat dazu an, sich auch in die Findung von Problemlösungen dazu einzubringen. Christos Batzis bekräftigte, dass auch „die Ausländer“ sich von der Situation der Stadt betroffen fühlen würden und schlug einen Diskussionsabend vor, bei dem auch sie sich einbringen könnten, um zu helfen. Nach dem „offiziellen Teil“ wurde an den Tischen im Posthofkeller noch gemeinsam gegessen und getrunken, die Wiedersehensfreude war groß, man hatte sich noch viel mehr zu erzählen, als vorher auf der Bühne während der Diskussion zur Sprache kommen konnte.
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