Vom Trauma nach dem politischen Mord

Kurzfilm "Hannah" im Haus der Vereine: Hana Frejková arbeitet künstlerisch ihre Vergangenheit auf

Hana Frejková (links) und Prof. Dr. Eva-Maria Ulmer-Otto.

Im Rahmen des bundesweiten Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ fand am 25. Oktober eine Film- und Vortragsveranstaltung im Haus der Vereine in Okriftel statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stadt Hattersheim und dem KulturForum Hattersheim e.V.

Begrüßt wurden Hana Frejková, die Autorin und Hauptdarstellerin des Films Hannah, und das zahlreich erschienene Publikum durch den 1. Stadtrat, Karl Heinz Spengler. Weiter wurden als Gäste Prof. Dr. Eva-Maria Ulmer-Otto, die die Moderation für das Gespräch übernahm und Michael Löffler, der die Worte von Hana Frejková übersetzte, begrüßt. Auch die Tochter der Autorin war anwesend.

Karl Heinz Spengler dankte den Veranstaltern und hob auch Anja Pinkowsky, die Stadtarchivarin von Hattersheim, dankend hervor. Anschließend erläuterte er kurz die Hintergründe, die zu dem von Hana Frejková kreierten Film geführt haben. Deren Mutter, Elisabeth Henke-Warnholtz, stammte aus Hamburg, erlernte das Schauspiel in Berlin und bekam ihr erstes Engagement in Prag. Dort traf Sie auf Hanas Vater, Ludwig Freund, der aus einer jüdischen Arztfamilie stammte und selbst Volkswirt war. Die Eltern gingen während des Kriegs nach London ins Exil, wo Hana 1945 geboren wurde. Es folgte die Rückkehr nach Prag. Hanas Vater, der überzeugter Kommunist war, änderte seinen Namen in Ludvík Frejka. Er wurde 1952 hingerichtet. Daraufhin mussten Mutter und Tochter ins Grenzgebiet von Liberec ins Exil. Nach einiger Zeit war eine Rückkehr nach Prag möglich. Hana wurde selbst Schauspielerin und arbeitete ihre Vergangenheit durch intensive Recherchen in Archiven und Befragen von Zeitzeugen aus. Zur Geschichte ihrer Familie schreib sie das 2007 veröffentlichte Buch „Seltsame Wurzeln“. Der Film Hannah, in dem sie die Hauptrolle spielt und der ihr Leben nach dem Tode ihres Vaters in künstlerischer Weise darstellt, hatte am 27. Januar 2020 Premiere.

Hinrichtung nach Schauprozess

Anja Pinkowsky erläuterte in sehr anschaulicher Weise den historischen Kontext zu den Geschehnissen in der Tschechoslowakei, beginnend ab 1938. Es kam 1939 zu der Vernichtung von jüdischen Menschen (gemeinsam mit anderen Randgruppen), deshalb flüchteten viele nach Großbritannien. 1948 kam es in der Tschechoslowakei zur Machtübernahme durch die kommunistische Partei. Rudolf Slánský wurde 1951 stellvertretender Ministerpräsident. 1952 wurde er, sowie weitere führende Pateimitglieder, davon elf Juden, wegen der Teilnahme an einer trotzkistisch-titoistisch-zionistischen Verschwörung in dem nach ihm benannten Schauprozess angeklagt. Elf der 14 Angeklagten, darunter Hanas Vater, wurden am 3. Dezember 1952 im Gefängnis in Prag erhängt, nachdem sie erzwungene Geständnisse abgelegt hatten. Die Familien der Opfer mussten ins Exil flüchten. Die Aufarbeitung der Geschehnisse begann später, zum Beispiel durch Bücher wie "L’aveu" (das Geständnis) von Arthur London.

Im Film sieht man Hana Frejková genauso wie man sie bei der Vorstellung kennengelernt hat. Zu Beginn singt sie in Englisch, aber auch in Deutsch oder Tschechisch. Sie erzählt ihre Geschichte ebenfalls in den drei Sprachen, wobei das Tschechische überwiegt; man kann durch die Einblendung von Untertiteln die Worte gut verfolgen.

Der Film ist eine künstlerische Aufarbeitung von Hanas Leben. Sie zeigt die Fotos ihrer Eltern, die sie in der Lebensphase darstellen als sie sich kennengerlernt haben. Einen großen, sehr beindruckenden Teil des Films nimmt die Beziehung zu ihrer Mutter ein. Hana (im Titel Hannah) spielt immer sich selbst, ihre Mutter wird von einer jungen Schauspielerin dargestellt. Hana thematisiert, dass sie selbst schlecht Englisch und Deutsch spricht und fleht ihre Mutter an, mit ihr zu sprechen. In einer Szene tritt die Mutter mit einem zugeklebten Mund auf, Hana reißt ihr das Pflaster vom Mund. Hana erzählt vom Leben im Exil, bei dem die Mutter den Kontakt zum Kochen verloren hat, Hana bringt meistens Essen von ihrer Schule mit nach Hause. Wieder zurück in Prag, beginnt die Mutter wieder mit dem Kochen. Während Hana dieses berichtet, bereitet Sie selbst in ihrer Küche ein Irish Stew vor. Damit die Kamera dieses besser einfängt, findet die Zubereitung auf dem Bügelbrett statt.

Mit der Rückkehr nach Prag beginnt Hanas Werdegang am Theater. Sie fängt als Beleuchterin an, wird später als Schauspielerin engagiert. Sie erwähnt ihre Rolle als Antigone. Mit der Gründung ihrer eigenen Familie mit zwei Kindern beginnt ein normales Leben für sie. In dem Film kann man gut nachvollziehen, was diese Normalität bedeutet, sie beschreibt sie durch die Tatsachen „sich um Kinder kümmern, die Eltern von anderen Kindern kennen“. In einer der letzten Szenen sitzt Hana mit ihrer Mutter gemeinsam in einem Sessel, beide tragen ein künstlerisch gestaltetes Kleid. Der Film endet im Jetzt, mit der Hana, die wir vor uns sehen.

Sprachbarriere zwischen Mutter und Tochter

Im letzten Teil der Veranstaltung erläuterte Hana Frejková die Gedanken, die zu dem Film führten. Ihre Ausführungen in tschechischer Sprache wurde von Michael Löffler übersetzt. Sie erklärte, dass sie sich sowohl künstlerisch mit ihrer Mutter wie auch mit ihrer Muttersprache auseinandersetzen wollte. Auf die Frage nach ihrem Verhältnis zu England erklärte sie, dass sie nur ein Jahr in England gelebt habe, aber durch einen engen Kontakt zur Leiterin eines Hostels, der über Jahre bestand, England als eine Art Heimat ansieht. Zur Sprachlosigkeit der Mutter stellte sie klar, dass die Mutter erst spät Tschechisch gelernt habe und mit ihr kein Deutsch sprechen wollte, da dieses mit einem Risiko behaftet war. Die Reaktionen auf den Film waren in der Tschechoslowakei sehr groß, der Film soll im tschechischen Fernsehen gesendet werden.

Insgesamt handelte es sich um eine sehr gelungene Veranstaltung, die den Zuhörer zum Nachdenken anregte. Die Gefühle der Hauptdarstellerin waren durch die Art der Präsentation im Film für die Zuschauer sehr gut nachvollziehbar.

Die nächste Veranstaltung in der Reihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ findet am Mittwoch, 10. November um 19 Uhr in der Stadthalle Flörsheim statt. Dann wird das Theaterstück"remembeRING" aufgeführt.

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