Zur letzten Stadtverordnetenversammlung am 26. Juni berichtete die Erste Stadträtin Heike Seibert, selbst Mitglied der Fluglärmkommission, über die Art und Weise, wie Fraport und die Deutsche Flugsicherung über die geplanten Änderungen am Betriebskonzept für den Frankfurter Flughafen (wir berichteten) informiert haben, sowie über die absehbare weitere Vorgehensweise.
Die Fluglärmkommission ist ein im Luftverkehrsgesetz verankertes Gremium, dem über 40 Kommunen sowie diverse Kommunen und die Fraport AG angehören. Das Gremium hat eine rein beratende Funktion, muss aber gehört werden und ist auch in Entwicklungen und Zielsetzungsverfahren inkludiert, so Seibert.
In der Sitzung jener Kommission am 28. Mai, an der auch der Hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori teilnahm, hatte der Vorstand erneut darauf hingewiesen, dass es mehrere schriftliche Anfragen darüber gebe, warum die tatsächliche Nutzung der Nordwest-Abflugstrecken derzeit deutlich über den in der Planfeststellung zugrunde gelegten 1,5 Prozent liegt. Seibert berichtete, dass der Tageswert aktuell bei etwa zehn Prozent liegt, nachts sogar bei 21 Prozent, und das mit steigender Tendenz. Die Anfragen blieben auch in dieser Sitzung unbeantwortet.
Wenige Tage später erhielten die betroffenen Kommunen eine kurzfristige Einladung der Fraport AG und der Deutschen Flugsicherung zu einer sogenannten Informationsveranstaltung am 3. Juni. "Also sechs Tage nach der Sitzung der Flugplankommission in Anwesenheit aller Protagonisten", betonte die Erste Stadträtin.
Die Eingeladenen zeigten sich am 3. Juni überrascht von der enormen Medienpräsenz, und die vermeintlich interne Informationsveranstaltung, so Seibert, entpuppte sich schließlich als Vorstellung eines neuen Betriebskonzeptes. "Wie sich herausstellte, waren die Medien bereits einen Tag zuvor mit Sperrfrist informiert worden", stellte Seibert zudem fest. "Die Fluglärmkommission war in Gänze außen vorgelassen, das gab es in dieser Form noch nie."
Die bei diesem Termin präsentierten Änderungen beinhaltteten insbesondere eine massive Erhöhung der Lärmbelastung für Eddersheim. Das neue Betriebskonzept, das ab einem Koordinierungswert von 110 Flugbewegungen pro Stunde greifen soll, sehe bei Westbetrieb eine deutlich höhere Nutzung der Nordwest-Abflugstrecken vor, bis hin zu einer überwiegenden Führung aller nord- und westgerichteten Abflüge über diese Route.
"Rolle rückwärts" beim vereinbarten Lärmausgleich?
Seibert erinnerte im Stadtparlament daran, dass der Entscheidung für den Ausbau und die Wahl des Standortes für die Landebahn Nordwest die Umsetzung eines Lärmausgleichs in Form der sogenannten Südumfliegung durch die Fraport AG zugrunde liegt. Dabei handelt es sich um eine Entlastungsroute, um den Lärm in unmittelbarer Nähe zum Flughafen nicht auf nur wenige Anwohnerinnen und Anwohner zu konzentrieren. "Sollte es nun zur Änderung dieses Betriebskonzeptes kommen, kommt das einer Rolle rückwärts gleich", so Seibert. Geplant seien keine neuen Abflugrouten, sondern die Nutzung der bestehenden. Dennoch sei die angedachte anderweitige Nutzung eine Mehrbelastung.
In der Sondersitzung der Fluglärmkommission, die am 26. Juni vor der Stadtverordnetenversammlung stattgefunden hatte, haben der Vorstand der Fraport AG sowie die Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung Seibert zufolge persönlich Stellung genommen. Die persönliche Anwesenheit des Vorstands in diesem Gremium war ein Novum. Für die fehlgeleitete Kommunikation habe man sich bei dieser Gelegenheit entschuldigt, zum Zeitpunkt der Veranstaltung am 3. Juni habe lediglich ein Entwurf eines neuen Betriebskonzepts vorgelegen; eine detaillierte Auswertung solle noch folgen, es seien noch nicht alle Prüfungen abgeschlossen. Seibert erinnerte an dieser Stelle daran, dass den Medien zu diesen Zeitpunkt das neue Betriebskonzept bereits vorlag.
Die Erste Stadträtin stellte jedoch fest, dass die vorliegenden Angaben zeigen, dass bei geringen Verkehrsaufkommen künftig ausschließlich die Südumfliegung genutzt werden soll - und bei hoher Verkehrsauslastung ausschließlich die Nordwestroute. "Das bedeutet: Keine Lärmpausen in den Spitzenzeiten", so Seibert, und die vornehmliche Lärmbelastung am Abend steige um ein Vielfaches. Und alle Flugzeugtypen würden über die Nordwestroute gehen. Damit liege man deutlich über den Werten der Lärmschutzgrenzen.
Die Fluglärmkommission hat in ihrer Sitzung am 26. Juni einen Beschluss gefasst, demzufolge das Betriebskonzept in seiner bisherigen Form abgelehnt wird. Gefordert wird die Einleitung eines transparenten und offenen Arbeitsprozesses, die Anpassung der Rechtsverordnung zur Südumfliegung sowie der Verzicht auf die Erhöhung der Koordinierungseckwerte ohne vorherige Prüfung.
Eine entsprechende Arbeitsgruppe werde sich bilden, die dann die zugrunde gelegten Berechnungen einsehen und in die Fluglärmkommission einbringen wird. "Denn alle zugrunde gelegten Berechnungen kennt bisher noch niemand", stellte Seibert fest.
Neben der Arbeit der Fluglärmkommission haben sich bereits kurz nach dem 3. Juni die Fluglärmvertretung des Main-Taunus-Kreises, die Kommunen Flörsheim, Hattersheim und Hochheim sowie die Stadt Mainz zusammengeschlossen. Es erfolgte bereits eine Abwägung, wie eine mögliche juristische Begleitung des Themas abzubilden sei. "Wir werden gemeinsam in den Arbeitsprozess einsteigen, sämtliche in Betracht kommen Betriebsmodelle und Alternativen unter Berücksichtigung des Lärmschutzes prüfen und nicht müde werden, den Druck auf die Verantwortlichen aufzubauen. Denn die Menschen in Eddersheim haben ein Recht auf Lebensqualität. Sie haben ein Recht auf die Einhaltung getroffener Entscheidungen. Dafür werde ich mich einsetzen", zeigte sich Seibert abschließend kämpferisch.
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