Am Mittwoch letzter Woche bot sich Spaziergängern am Okrifteler Baggersee ein ungewöhnliches Bild: Zwei große rote Einsatzfahrzeuge mit Tauchutensilien waren dort abgestellt, am Ufer beobachtete eine Menge von Leuten ein dickes rotes Seil im Wasser. Ein Mann an Land hielt das eine Ende des Seiles in den Händen, ein Taucher saß auf einem roten Sitzsack direkt an der Wasserkante und wartete. Eigentlich eine dramatische Szenerie, denn es ist bekannt, dass im Okrifteler Baggersee schon einige Schwimmer in Not gerieten. Doch zum Glück wurde diesmal kein unbekannter Mensch in den bis zu 14 Meter tiefen Wassern des Baggersees vermisst, sondern etwas gefeiert: Mit der Simulation einer Rettung präsentierte die Rettungstauchereinheit des Main-Taunus-Kreises (MTK) anlässlich des 10jährigen Jubiläums ihre Arbeit. Gehören sonst Rettungstaucher normalerweise einer Organisation wie den Feuerwehren, dem DLRG oder dem Technischen Hilfswerk an, so untersteht diese Truppe von ehrenamtlichen Tauchern direkt dem Katastrophenschutz im MTK und wird vom Kreis getragen, nachdem dieser 2009 den Freiwilligen Feuerwehren Flörsheim und Hofheim diese Aufgabe zu ihrer Entlastung abnahm.
An Land wurde den Zuschauern, unter ihnen auch Landrat Michael Cyriax, genau erklärt, was im Wasser gerade passiert. „Als Taucher verliert man unter Wasser schnell die Orientierung. Die rote Leine ist die Signalleine, sie sichert den Taucher“, erzählte Stefan Predikant, Lehrtaucher und seit 2011 Leiter der Wasserrettungseinheit des MTK, „wir haben zwar auch Funkkontakt mit dem Taucher im Wasser, aber der kann unter Wasser immer mal gestört sein oder sogar ausfallen, je nachdem wo der Taucher gerade ist. Wenn der Taucher dann nur ein Mal an der Leine zieht und kein weiterer Leinenzug kommt, dann weiß der Signalmann am Ufer, dass der Kollege im Wasser sich nicht mehr helfen kann und er vielleicht irgendwo festhängt oder angesaugt wird.“
Eine Weile beobachten alle am Ufer, wie die rote Leine sich langsam durch das Wasser bewegt. Dann meldet der Signalmann Sascha Ullrich plötzlich: „Taucher in Not!“ und auf einmal geht alles ganz schnell. Marco Hentze, der Sicherungs-Taucher auf dem Sitzsack, wird ins Wasser geleitet, auch er ist natürlich mit einer roten Leine gesichert. Nur wenige Momente und ein Annähern der beiden Leinen im Wasser zeigt an, dass er seinen Kollegen gefunden hat, er bringt ihn sofort zum Ufer. Während ein Mitglied der Rettungstauchergruppe immer genau protokolliert, was gerade passiert, befragt eine Kollegin den „verunfallten" Taucher nach möglichen Symptomen, auch neurologisch wird er untersucht, bevor er im DRK-Rettungswagen abtransportiert wird. Wie routiniert dabei alle Mitglieder der Wasserrettungseinheit ihre Arbeit tun, so dass die Rettungsmaßnahmen wie ein Rädchen ins andere greifen, ist beeindruckend.
Erst vor kurzem ist die Vorzeigeeinheit des MTK in ein neues, eigenes Quartier im neu gebauten Feuerwehrhaus Flörsheim umgezogen und hat einen neuen Mannschafts-Transportwagen erhalten. Die Truppe hat derzeit 31 Mitglieder, 15 davon tauchen, 10 sind Taucher in Ausbildung, andere sind zuständig etwa für den Aufbau des Tauchplatzes oder die Versorgung der Taucher im Einsatz. „Es gibt auch für die Tauchhelfer, die selbst nicht im Wasser arbeiten möchten, immer etwas an Land zu tun“, weiß Predikannt, „auch hier kann man helfen.“
Wer Rettungstaucher werden möchte, lässt sich auf eine lange Ausbildung ein. „Wir fangen an mit einer Gewöhnungsphase im Schwimmbad, dann in anderen Gewässern. Es gehören auch zwei Wochen Ausbildung in der Feuerwehrschule in Koblenz dazu, mit Theorie und mit Tauchen im Tauchturm. 45 Tauchgänge muss ein Rettungstaucher in Ausbildung in zwei Jahren absolvieren – wir schaffen höchstens zwei bis drei in einer Übungsstunde. Zum Abschluss muss ein Rettungstaucher drei Tage zur Prüfung nach Koblenz.“ Trotzdem gibt es genug Nachwuchs bei den Rettungstauchern des MTK, und man ist stolz auf die personell starke Truppe. „Sonst geht ja eher alles zurück, was ehrenamtlich gemacht wird, wir haben da aber kein Problem“, freut sich Predikant. Und das, obwohl das Rettungstauchen oft nicht ungefährlich ist. „Etwa bei Hochwasserlagen oder generell im Main gibt es viel Strömung“, erzählt er, „da ist dann auch viel Zeug im Main unterwegs, viel Müll, der bei null Sicht zum Problem wird.“
Die Taucher sollen unter anderem Menschen und Tiere aus dem Wasser retten, Objekte bergen und andere Einheiten bei Einsätzen. Auch am Okrifteler Baggersee übt die Tauchereinheit des Kreises regelmäßig für den Ernstfall.