Leserbriefe

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Zu: "Stadt sieht Chancen am Ortsrand", HS Nr. 48 vom 28. November 2019

Alle sollten zufriedengestellt werden

Wie man gesehen hat, war das Interesse am Informationsabend recht groß. Bei circa 500 Teilnehmern entspricht das rein rechnerisch einem Zehntel der Eddersheimer Bevölkerung. Aus der ursprünglich angekündigten Vorstellung der Idee einer Ortsrandbebauung für Nahversorgung wurde schnell ein bereits erstelltes Konzept mit detaillierten Zeichnungen und Lagebeschreibung der in Frage kommenden Flurstücke für das Neubaugebiet. Auch stand bereits fest, welche Supermarkt- und Drogerieketten an der Bebauung interessiert sind. Einige Vertreter waren sogar am Abend anwesend. Von der Idee der Nahversorgung ging es stramm weiter zum Bau eines Seniorenwohnheimes, einer Sporthalle und eines Gesundheitszentrums. Auch Wohnungen könnten realisiert werden. Also im Grunde genommen: Alles ist möglich.

Als gegen Ende der Veranstaltung verkündet wurde, dass bisher noch keine Gespräche mit den Eigentümern der Flurstücke geführt worden sind, erscheint diese Aussage eher unglaubwürdig. Man erstellt doch kein aufwendiges Konzept, wenn nicht vorher die Hauptgrundlage für die Bebauung geklärt wurde. Wer hat eigentlich das Konzept erstellt? Was hat das Konzept für ein gegebenenfalls nicht realisierbares Bauvorhaben bisher gekostet? Was ist, wenn die Eigentümer gar nicht verkaufen? War dann alles umsonst? Für mich ergibt das keinen Sinn. Entweder falsche Reihenfolge oder hier wurden erneut heimliche Vereinbarungen getroffen, die man den Bürgern viel zu lange vorenthält, wie beim katholischen Kindergarten in Eddersheim.

Ungeplanterweise fand die Veranstaltung in einem Gotteshaus statt – dort hat jedes gesprochene Wort für manche gleich einen ganz anderen Stellenwert. Der dreifache Umzug des Kindergartens in kürzester Zeit, vom Gebäude auf dem alten Friedhof in den Neubau neben dem Pfarrhaus, hinüber zum Nachbargebäude in die Container des historischen Gartens und nun in die provisorische Unterkunft neben der Kirche im Ortskern ist sicherlich kein gutes Beispiel dafür, wie eine erforderliche Versorgung in Eddersheim geplant werden sollte. Und es gibt immer noch keinen einzigen Pkw-Stellplatz für den Drive-In-Kindergarten.

Geplant ist eine Dezentralisierung. So ist das heute üblich, wenn es schnell gehen soll. Da muss man gut aufpassen, dass das bestehende Zentrum eines Dorfes nicht zerstört wird. Auch wenn man hier kaum von Zentrum sprechen kann. Jedenfalls nicht, was die Nahversorgung angeht. Für die historische Architektur des alten Ortskerns sorgen bereits der Denkmalschutz und die Erhaltungssatzung. Wer oder was aber sichert dort die Versorgung? Der Dorfcharakter sollte auch mit Neubaugebiet und Versorgung am Ortsrand immer bestehen bleiben. Das wird nicht ganz so einfach, wie am Informationsabend dargestellt. Zuerst sollte man versuchen, vorhandene Baulücken und Leerstände sinnvoll zu nutzen. Dann erst geht man zum Ortsrand. Für den einen wird das dann eine Nahversorgung, für andere eine Fernversorgung, je nachdem wo man in Eddersheim wohnt. Zum Zentrum wäre der Weg für alle durchschnittlich der Kürzeste.

Ganz sicher scharren bereits einige profithungrigen Bauträger und Projektentwickler heftig mit den Hufen. Schließlich geht es hier nicht nur um ein Neubaugebiet, sondern um ein Bauvorhaben, das einen riesigen Rattenschwanz hinter sich herzieht. Da gibt es ja noch das Thema der Umgehungsstraße und der Bahnüberführung. Bleibt nicht auszuschließen, dass dann auch irgendwann die restliche Fläche zwischen Eddersheim und Okriftel bebaut wird. Wobei die Aussage des Veranstalters am Informationsabend „ich weiß auch nicht, wie das Mein Palace Event Center im Bereich des Überschwemmungsgebietes genehmigt werden konnte“ eher den Eindruck erweckt, dass mit der Bebauung ein Fehler gemacht wurde. Hoffentlich werden keine weiteren Fehler begangen, die man später bereut. Immerhin wurden bisher stolze 150.000 Euro für Gutachten ausgegeben. Das ist ja keine Kleinigkeit.

Die Planung eines Neubaugebiets am Ortsrand spaltet die Eddersheimer Bevölkerung in zwei Lager. Pro und Contra teilen die Meinungen und somit auch die Gesellschaft. Hier ist der Bürgermeister gefragt, geschickt zu vermitteln und zu schlichten. Alle sollten zufriedengestellt werden.

Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass in Eddersheim nicht so ein brutales Neubaugebiet, wie die Ölmühlensiedlung entsteht. Kaum zu glauben, was für eine gruselige Trabantenstadt dort errichtet wird. Der mächtige Rohbau besteht aus ungedämmtem Kalksandstein-Außenmauerwerk. In Kürze werden dort folglich tausende Quadratmeter Wärmedämmverbundsystem aufgebracht. Das entspricht zwar der aktuellen Energieeinsparverordnung, ist jedoch alles andere als ökologisch, nachhaltig und klimafreundlich. Zudem besteht Kalksandstein, wie der Name bereits sagt, größtenteils aus Sand. Jeder weiß, dass der Rohstoff Sand knapp wird. In dieser Größenordnung ist die Materialwahl der Ölmühlensiedlung ziemlich verantwortungslos. Bleibt nur zu hoffen, dass gut funktionierende Lüftungssysteme das Raumklima der diffusionsdichten Wohnungen regeln. Hattersheim ist somit weit entfernt von einer Fairtrade-Town in Sachen Produktwahl. Warum wird die Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen bei großen, freistehenden Neubauten an Außenwänden überhalb des Geländes nicht in neuen Bebauungsplänen verboten oder wenigstens eingeschränkt?

In Eddersheim sollte in einem neu ausgewiesenen Baugebiet ein schlauer, zeitgemäßer und umweltfreundlicher Bebauungsplan aufgestellt werden, falls es soweit kommen sollte und keine andere Lösung gefunden wird. Der Bauträger sollte in der Lage sein, vorbildlich zu denken und ökologisch zu planen. Die neue Versorgung darf in keiner Konkurrenz zu den kleinen Geschäften, den Praxen und der Gastronomie rund um die Altstadt stehen. Die neuen Baugebiete sollten nur dort entstehen, wo keine vorhandenen, ökologischen Strukturen zerstört werden. Am besten, man lässt nicht nur die Kirche im Dorf.

Urs Höhne, Eddersheim

Gruppen und Grüppchen

Von den beiden am stärksten vertretenen Gruppen bei der Veranstaltung zur Ortsentwicklung in Eddersheim hat die erste auf ein erneutes Millionengeschenk für das ausgelutschte Argument "Jugendarbeit" gehofft. Bei der Vereinsarbeit mangelt es an etwas, das man auch kostenlos bekommt, nämlich anständiges Sozialverhalten und gute Erziehung.

Die andere Gruppe hoffte auf finanzielle Vorteile durch ihre Grundstücke. Zu deren Bedauern geht die angedachte Bebauung aber vorerst nicht bis zur Bahn und zum Posten-19-Weg, sondern endet bereits am ersten Querweg. Die Besitzer dieser Grundstücke sollten wissen, dass sie guten Ackerboden für geringes Geld verschleudern, wenn sie verkaufen.

Dann war da noch ein naives Grüppchen, das tatsächlich mit einer dauerhaften Einkaufsmöglichkeit und kompetenten Ärzten rechnet.

Veranstaltungsort war die katholische Kirche, die schon lange nicht mehr so ein volles Haus gesehen hat. Man hätte bei dieser Gelegenheit zu Beginn das "Vater unser" beten und zum Schluss den Klingelbeutel herumgehen lassen sollen. Dann hätte die Geschmacklosigkeit der Kirche als profaner Versammlungsort wenigstens etwas gebracht.

Monika Eddison-Wild, Hattersheim

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