20 Jahre Freiheit für wilde Weiber

Die Frauensitzungen der „Wilden Weiber Okriftel“ feierten Jubiläum – Sitzungspräsidentin Mary Gutmann verabschiedet

Eine unterhaltsame Reise erlebte Mary Gutmann (rechts) an ihrem letzten Abend als Sitzungspräsidentin mit dem eigens für sie gestalteten Rückblick auf zwanzig Jahre Okrifteler „Weiberfastnacht“.
(Fotos: A. Kreusch)

OKRIFTEL (ak) – Für die Wilden Weiber Okriftel (WWO) ist die diesjährige Fastnachtskampagne eine ganz besondere: Nicht nur, dass sich die Okrifteler Weiberfastnacht vor zwanzig Jahren aus den männerdominierten Kappensitzungen „befreite“ – es war auch die letzte aktive Session für Mitgründerin und Sitzungspräsidentin Mary Gutmann, der in der letzten der vier ausverkauften Sitzungen daher nicht nur die verdiente Anerkennung zukam, sondern auch eine extra für sie gestaltete „Rückschaunummer“ bis ins Jahr 1999 gewidmet worden war.

„Am Fuße des Fujiyama“, des berühmten schneebedeckten japanischen Berges, trafen sich dreihundert wunderbar nach dem von den Wilden Weibern in diesem Jahr ausgegebenen Motto „... auf nach Fernost – die Wilden Weiber Okriftel im Land des Lächelns“ kostümierte Fastnachterinnen im Haus der Vereine. Von der Bühne herab strahlte das schneebedeckte japanische Wahrzeichen unter blauem Himmel und verbreitete beim bloßen Anblick gleich gute Stimmung. „Fuji, das heißt Vulkan. Heute seid ihr unser Vulkan und ihr dürft den Saal hier so richtig zum Kochen bringen“, begrüßte Daniela Heislitz die vielen Damen in ihren bunten Kimonos, die Pandabären, die Ninja-Krieger, die goldenen Winke-Katzen und auch die Sushi-Häppchen. Die langen Tische im Haus der Vereine waren wieder mit Köstlichkeiten aus vielen mitgebrachten Picknickpaketen delikat bestückt, und damit keine der Fastnachterinnen Durst leiden mussten, hatten sich die WWO etwas einfallen lassen: Überall auf den Tischen waren große Schilder platziert, auf denen deutlich „Dorscht!“ zu lesen war, sie dienten den Bedienungen als Orientierung dafür, wo Getränke gebraucht wurden.

Auch die erste Gruppe, die „Hofheimer Zigeuner“ der Karnevalsgesellschaft Hofheim, feierte ein Bühnenjubiläum und gleichzeitig einen Abschied: Mit einer großartigen und temperamentvoll vorgetragenen „Thank you for the Music“-Show vieler Abba- und Udo Jürgens-Liedern war die Gruppe in ihrem 60. Jahr ebenfalls in ihrer letzten Fastnachtskampagne auf der Bühne zu erleben.

„Okriftel steht für Wilde Weiber, Kriftel steht für verrückte Weiber“, kündigte Mary Gutmann die „Gres-Girls“ vom Krifteler Karneval-Klub in ihren „schrägen Oma-Outfits“ an. „Gell, mir Mädels über fuffzig brauche uns nit zu verstecke – weil uns eh kaaner mehr sucht!“, stellten die drei Kriftelerinnen mit einem verschmitzten Blick ins Publikum fest und nahmen gleich ihre „Tränensäcke wie dicke fette Teebeutel“ und ihren „Busen, der sich an den Fußspitzen orientiert und den Sichtkontakt verweigert“ selbst auf die Schippe. Sie schilderten ihre Erlebnissen beim Zelten musikalisch, aber so, dass ihr Publikum den abgewandelten Originaltext immer mitsingen konnten: Da wurde aus „I got the power“ eine Agathe Bauer und aus „All the leaves are brown“ die Anneliese Braun.

Als typische Piraten segelte das Männerballett Assenheim, die „Bewegten Männer“ in rot-weiß-geringelten T-Shirts und mit Totenköpfen auf den Hüten, gleich mit einem ganzen Schiff auf die Bühne und kaperten als erstes ein Schlauchboot. In einer fulminanten Tanzshow begeisterten sie das weibliche Publikum im Nu, welches sie mitnahmen auf einem unterhaltsamen Weg aus der Karibik über Italien nach Großbritannien und Amerika. In ihrer letzten Sitzungssession als aktives „Wildes Weib“ hatte Mary Gutmann nicht nur noch einmal eine Halbzeit lang die Sitzungspräsidentinnenschaft inne, sie stand auch selbst noch einmal, begleitet von Antje Schmidt an der Gitarre und von Bernd Bruch als „Bühnenhelfer“, auf der Bühne. Mit dem wohlbekannten Chanson „Macht’s gut ihr Mädels, es wird Zeit für mich zu gehen“ bedankte sie sich bei den Gästen im Saal genauso wie bei „ihren“ Wilden Weibern dafür, dass sie nun schon seit 20 Jahren jedes Fest, jede Sitzung und jedes Motto so gut mitgemacht haben. Zwar wurde mit angemessenem „Fastnachts-Geheule“ über die Nummer, bei der sich auch Bernd Bruch noch einmal an seine „Mähädels“ wendete, geschmunzelt und gelacht, aber eine gewisse Wehmütigkeit lag doch in der Luft. Mary Gutmann versuchte alle zu beruhigen: „Ich gehe nicht ganz, mein Herz bleibt immer bei euch. Eine wahnsinnsgeile Zeit geht jetzt für mich zu Ende, es war meine Zeit.“

Hans Greb war in seiner Paraderolle als „Hobbes“ in der Bütt der WWO zu Gast. Mit seinen typischen Gesten und seiner unvergleichlichen Mimik philosophierte er zunächst über den „Geschenkeauspack-Burnout“ seines Sohnes, um dann zu „beklagen“, dass eben nix mehr so sei wie früher. Sein Statement, er habe früher „dreimal die Nacht sei Fraa beglückt“, wurde vom Damenpublikum allerdings mit dem lauten Zwischenruf „Angeber!“ und mit viel Gelächter kommentiert.

Sicher von vielen Zuschauerinnen ungeduldig erwartet wurde der Auftritt von Andy Ost. Der charmante Entertainer begeisterte alle wieder mit dem „Besten aus 11 Jahren Mainzer Fassenacht. Ob er von „Omma“ singt, die Angst hat, ihren PC mit ihrem Grippevirus anzustecken oder ob er sich minutenlang auf eine Udo Lindenberg-Parodie zum Thema Beinenthaarung bei Männern „vorbereitet“ – Andy Ost ist einfach umwerfend komisch, tosender Beifall war ihm sicher. Auch die „Horny Hornets“ vom Tanzsportverein Biebelnheim, amtierende Rheinland-Pfalz-Meister und Deutsche Meister im Männerballett, verstanden es auf Anhieb, mit ihrer Show „Crazy in Love“ das Publikum mitzureißen. Sie begannen in typisch englischen Pullundern und mit Nerd-Brillen und endeten nach dem „Eingreifen“ einer guten Fee in roten Anzügen mir kurzen Hosen.

Als „Russische Oligarchin“ war Jutta Schlosser von der Flörsheimer KAB zu Gast bei den WWO, sie erzählte mit perfektem russischen Akzent vom letzten Jahr, in dem sie sparen musste, weil ihr Mann nur 299 anstatt 300 Millionen Euro verdient hatte, auch von einer ereignisreichen Kreuzfahrt hatte sie einiges zu berichten. Aus der Frankfurter Fastnacht kam „die tolle Olle“ auf die Okrifteler Fastnachtsbühne – ihr Markenzeichen ist ihr leicht „zerropptes“ Outfit mit witzigen Beinwärmern und viel zu großen Filzschlappen. Mit den „Pink Tigers“ und ihrer Tanzshow „Udo J. greets Michael J.“ schloss der letzte Abend der WWO-Sitzungen in diesem Jahr ab – die einzige schwule Showgarde in Hessen zeigte Garde-und Showtanz vom allerfeinsten und riss die Zuschauerinnen im Saal noch einmal von ihren Stühlen.

Selbstverständlich waren auch wieder einige Hattersheimer Tanzgruppen zu Gast im „Land des Lächelns“: Gleich zu Beginn konnte man die „Sugar Babies“ mit „Girls Night out“ über die Bühne wirbeln sehen, ebenfalls vom Gesangverein Liederkranz Eintracht kamen die schon legendären „Candy Girls“, die sich auch in diesem Jahr wieder eine originelle Showtanznummer ausgedacht hatten, bei der sie „Sommer, Samba, Salsa“ einfallsreich kombinierten. Der TV Okriftel war mit seinen „Diamonds“ vertreten, die mit 14 Mädels, einem jungen Mann und viel „Magie“ die Bühne bis zum letzten Zentimeter mit Tanz und Temperament füllten.

Abschiedsreigen für Mary Gutmann
In der letzten Sitzung der WWO in dieser Fastnachtskampagne gab es keine Pause, dafür gab es einen extra Programmpunkt, der bis zu diesem Abend geheim gehalten wurde: Zum Abschied von Mary Gutmann aus dem aktiven WWO-Geschehen hatte man etwas ganz Besonderes für sie vorbereitet. Nachdem die langjährige Vorsitzende ihr Abschiedslied gesungen hatte, betrat die unvergessene WWO-Protkollerin Christa Fassl im glitzernden Narrenkostüm die Bühne, und Daniela Heislitz kündigte an: „So, liebe Mädels, aufgepaßt, jetzt kommt eine Besonderheit! Wir gehen nämlich in die Vergangenheit!“ An jede der vergangenen Kampagnen erinnerten die WWO mit dem jeweiligen Original-Kostüm – nicht nur für Mary Gutmann eine emotionale Zeitreise, auch im Publikum gab es Damen, die von Anfang an dabei waren und sich noch gut erinnern konnten.

Zum Kostüm aus der „dunklen Spelunke zur alten Unke“ 2018 wurde an die bis dahin in der Fastnacht einmalige Pool-dance-Nummer erinnert, aus dem Jahr 2015 wurden eine der selbst gestrickten Dirndl-Jacken aus der „Hüttengaudi“ über die Bühne geschwungen. Im Jahr 2014 gab es zum ersten Mal bei den WWO keinen Elferratstisch mehr, statt dessen ein „Zigeunerlager“ auf der Bühne, im Jubiläumsjahr 2010 wurden mit Glanz und Glamour die „Las Vegas Nights“ gefeiert – wegen der großen Kartennachfrage sogar in fünf Sitzungen! 2009 hatten die WWO eine neue Vorsitzende, Mary Gutmann hatte das Steuer des damaligen „Piratenschiffes“ an Daniela Heislitz übergeben. Im Jahr 2004 hatten sich die Okrifteler Fastnachtsweiber zum eigenständigen Verein gemausert, 2003 war das letzte Jahr der Gemeinschaftssitzungen mit dem CCM – und zwar in bauchfreien „Rummel im Dschungel“-Kostümen, deren heutige Trägerin per Los unter denen ermittelt worden sein soll, denen das Kostüm noch passte.

„Tja Mary, es ist wirklich wahr, hier steh’n sie leibhaftig vor dir, deine zwanzig Jahr!“, erklärte Daniela Heislitz der überwältigten Vereinskollegin, und Christa Fassl ergänzte: „Als Präsidentin warst du spitze, tatst jahrelang da obbe schwitze!“ Im witzigen Dialog kamen auch die „Nebenwirkungen“ der gemeinsamen Fastnachtszeit zur Sprache – der gemeinsame Besuch einer Mädchensitzung in Köln, die Gummibärchen-Orakel mit dem Begge Peder und dem Hobbes und so einiges mehr. Der spezielle Rückblick endete mit der Erkenntnis: „Wir sind nicht nur irgend ne Fassenachtsgruppe, sondern eine verschworene, tolle Weibertruppe.“ Wer die letzte Sitzung mit Mary Gutmann gesehen und erlebt hat, kann das sicher bestätigen – auch hinter den Kulissen.
 

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