Wegsehen ist keine Lösung

IG „Main Eddersheim“ klagt über schlimme Zustände am Mainufer: Renitente bis aggressive Angler, Verschmutzung, Tierquälerei

Die Mitglieder der IG „Main Eddersheim“ sind enttäuscht: aus ihrer Sicht erhalten sie für ihren Einsatz zum Schutz der Eddersheimer Mainanlage und der dortigen Tierwelt zu wenig Unterstützung.
(Fotos: A. Kreusch)

EDDERSHEIM (ak) – Es ist ihnen leicht anzusehen: die Mitglieder der Eddersheimer Interessengemeinschaft „Main Eddersheim“ (IG) sind verärgert und frustriert – kaum ist das Wetter wieder schöner, sind die Angler am Mainufer wieder da und beanspruchen ziemlich kompromisslos nicht nur den Fischbestand im Main, sondern auch die ufernahen Wege für sich. Dass man in der letzten Woche einen der Angler in flagranti dabei erwischt hat, wie er seine Notdurft auf einem der Wege in der Anlage verrichtete, war einer der Gipfel der Unverschämtheiten, die sich diejenigen, die die Mainanlage gerne als Erholungsort für alle Eddersheimer erhalten möchten, am Mainufer anschauen müssen. „Obwohl ich ein Foto von ihm gemacht habe, hat er behauptet, er wäre das nicht gewesen, sondern ein Hund – aber ich hab noch keinen Hund gesehen, der Toilettenpapier benutzt“, empört sich Patricia Mertiny. Ungern erinnert sie sich auch daran, dass man sie im letzten Sommer sogar aus den Zelten heraus, in denen die „Fischer“ auf den Wiesen der Anlage übernachtet haben, „angemacht“ hat.

Tatsächlich kann man solche mit Papier gekrönten Haufen mittlerweile wieder bei jedem Gang entlang des Maines bemerken. Direkt im Uferbereich finden sich dazu noch leere Maisdosen, Plastiktüten, leere Plastikflaschen und auch Unmassen von Angelschnüren. „Manch einer der Angler räumt zwar schon auf, aber meist machen sie das nur oberflächlich“, weiß auch Urs Höhne. „Es bleibt viel Dreck liegen, das ist schon ein Problem.“ Eine Kommunikation mit den Anglern – die meisten stammen vermutlich aus Osteuropa – ist nur schwer möglich, berichten die Eddersheimer. „Als ich jemanden angesprochen habe, dass Fische tierschutzgerecht getötet werden müssen, wenn sie aus dem Wasser geholt worden sind, und nicht lebend in die Plastiktüte kommen sollten, bin ich schon gleich bedroht worden“, berichtet etwa Christine Dörr.

„Es ist bald gar nicht mehr schön, sich in der Anlage aufzuhalten“, beklagt die IG, „hier wird viel Alkohol konsumiert, ein blutiges Fixerbesteck haben wir auch schon hier gefunden.“ Die Scherben, die neben den Bänken zu finden sind, sind eine Gefahr nicht nur für die Wasservögel und andere Tiere, auch Kinder können sich daran verletzten. „Und ausgerechnet hier am Pavillon, zu dem viele gerne kommen, um die Enten zu füttern, haben jetzt wieder die Angler den ganzen Uferplatz in Beschlag. Sie vertreiben die Wasservögel und stören sie beim Nisten und beim Brüten“, bedauert man unisono. In der letzten Woche wurde ein Schwan, der sich beim Landen völlig in Angelschnüre verstrickt hatte, sowie eine Ente und eine Gans ohne Kopf am Mainufer gefunden. „Wir nehmen an, die Vögel hatten einen Angelhaken verschluckt und es war eben das 'Einfachste', ihnen den Kopf abzutrennen, um den Haken zurückzubekommen“, wird seitens der IG vermutet. Dass im letzten Jahr einer der Angler einen Schwan mit der Angelrute vertrieben und ihm dabei den Flügel gebrochen hat, ist noch in Erinnerung.

Die Stadt Hattersheim hat 2015 zwar ein Schild am Eddersheimer Mainufer aufgestellt, auf dem die Verhaltensregeln für Angler in der Mainanlage aufgeführt sind, um dem Ordnungsamt eine Grundlage für Kontrollen oder gegebenenfalls auch für ein Einschreiten zu geben – doch diese Maßnahme hat bislang keine Wirkung gezeigt. Der IG ist bewusst, dass der Personalbestand des Hattersheimer Ordnungsamtes überschaubar ist; nichtsdestotrotz sind deren Mitglieder enttäuscht, dass die seinerzeit versprochenen Kontrollen offensichtlich nicht stattfinden. „Wir fühlen uns im Stich gelassen – wir selbst sind hilflos, aber wenn wir um Hilfe bitten, fühlt sich keiner zuständig“, beklagt man. „Ruft man bei der Polizei an, etwa weil man bedroht wird, bekommt man gesagt, die Polizei wäre erst zuständig, wenn was passiert ist und man soll da halt nicht mehr hingehen, wo man bedroht wird. Ruft man beim Ordnungsamt an und erreicht dort noch jemanden – was auch nicht einfach ist – bekommt man gesagt, man soll bei der Polizei anrufen, das sei für die Männer vom Ordnungsamt zu gefährlich, hier vorbeizuschauen!“

„Das ist alles irgendwie organisiert“
Dabei möchte die IG Main Eddersheim gar keinen „Krieg“ gegen alle Angler am Eddersheimer Mainufer vom Zaun brechen, es geht den Anwohnern um eine vernünftige, gute Lösung im Einvernehmen mit allen Beteiligten. „Eddersheim ist schon immer ein Fischerdorf gewesen, wir haben gar nichts gegen einzelne Angler“, betont Urs Höhne. Aber irgendwie scheint die Fischerei in Eddersheim aus dem Ruder zu laufen.

Allein am Dienstag, während des kurzen nachmittäglichen Ortstermins am Mainufer-Pavillon, waren etwa zehn Männer zu beobachten, die es sich am Fluss mit jeweils zwei ausgeworfenen Angeln bequem gemacht haben. Damit holen sie nacheinander, fast im Minutentakt, recht große Fische aus dem Wasser. Diesmal werden zwar alle Fische – wenn auch manche erst nach einer ganzen Weile – getötet, bevor sie in großen Eimern, einfach nur in Plastiktüten oder auch in einer Reisetasche verschwinden. Aber jedem Beobachter müssen Zweifel kommen, ob da wirklich nur für den Eigenbedarf geangelt wird. „Wir sehen hier ganz oft Männer mit großen, vollen Tüten ihren schweren Fang wegtragen, einmal hat einer seine zwei Tüten kaum packen können“, berichten die Eddersheimer. „Und dann kommen die Fische einfach so in den Kofferraum eines Autos.“ Man hat sogar schon Autos bis ans Mainufer fahren sehen. „Gruppenangeln ist verboten. Aber wir haben den Eindruck: das ist hier doch alles irgendwie organisiert – es kommt immer ein Mann, der selbst nicht angelt, vorbei und bespricht mit denen, die die Fische fangen, den Ertrag“, berichten die Männer und Frauen der IG. Um welche Mengen Fisch es sich an einem Tag handeln kann, ist zu erahnen, wenn man die schon am Mittag vollen Plastiktüten aller Angler zusammenzählt. „Am letzten Samstag waren bei dem schönen Wetter hier zwischen 25 und 30 Angler zugange, auch an Sonn- und Feiertagen kommen meist mehr als 20 hierher nach Eddersheim.“

Allerdings gehen Eddersheimer Angler wohl nicht mehr gerne an ihr Ufer. „Ein Nachbar von mir ist von denen, die da immer sitzen, schon bedroht und verjagt worden“, erzählt Patricia Mertiny. Auch scheinen deutsche Angler die Fische, die hier gefangen werden können, nicht zu mögen. „Beim zuständigen Amt hat man uns gesagt, das seien Brassen und andere Weißfische, mit vielen Gräten – da hätten Deutsche kein Interesse daran, aber Osteuropäer würden gerne Fischfrikadellen daraus machen“, berichtet etwa Angelika Biebach-Chacón. Ob es daran liegt, dass es die Aufsichtsbehörden und deren Kontrolleure nicht interessiert, wenigstens festzuhalten, welche Mengen dort gefischt werden, weiß man nicht. „Jedenfalls trägt keiner von denen, die hier angeln, die gefangenen Fische in seine Angelkarte ein, wie er es eigentlich müsste“, wissen die Eddersheimer.

Angler oder Wilderer?
„Jeder, der eine Angelerlaubnis hat, weiß eigentlich, dass er in Schleusengebieten oder Naturschutzgebieten wie der Maininsel gar nicht angeln darf. Darauf wird in der Angelberechtigungskarte hingewiesen. An der Schleuse in Fechenheim werden solche Angler deshalb auch weggejagt – stattdessen wird der Platz hier in Eddersheim nun sogar schon in Anglerforen im Internet empfohlen! Auch dass ein Angler am Ufer nichts verändern darf und sich selbst über Schonzeiten von Fischen und Brutzeiten von Vögeln kundig machen muss, steht dort. Angler haben die Natur und das Ufer zu schützen“, weiß Peter Schatto, der selbst eine Angelberechtigung besitzt. Trotzdem sieht man hier immer wieder sogar Boote mit „Fischern“ auf dem Main vor der dem Eddersheimer Ufer gegenüberliegenden Vogelschutzinsel. Zudem breiten sich die Angler am Ufer zeitweise bis fast direkt an die Fischtreppe neben der Eddersheimer Schleuse aus. „Für uns sind das schon keine Angler mehr, das sind Wilderer“, sind sich die Leute der IG Main Eddersheim einig. „Es ist gar nicht erlaubt, an Fischwanderwegen zu angeln – und wenn hier eine Fischaufstiegshilfe ist, ist das ja sicher ein Zeichen für einen solchen Weg. Vor der Treppe sammeln sich die Fische am Ort mit der größten Strömung“, sagt Ralf Respondek. „Das ist allerdings hier im Bereich des Kraftwerkes und der Wehrwalzen, deshalb ist die Fischtreppe für die flussaufwärts wandernden Fische sowieso nur schwer zu finden, weil sie an der falschen Stelle liegt. Es gibt also hier einen regelrechten 'Fischstau'. Das hat man erkannt, deshalb ist für die Zukunft auf der Maininsel eine neue Fischtreppe geplant.“

„Im Zuständigkeits-Niemandsland“
Laut Hessischem Fischereigesetz ist in Fischwegen „jede Art des Fischfanges verboten“; außerdem ist dort geregelt, dass die Fischereibehörde „die Strecken in einer den örtlichen Verhältnissen angemessenen Ausdehnung“ bestimmt. „Zuständig wäre hier das Regierungspräsidium Darmstadt, es hat dabei einen Ermessensspielraum. Aber von der Fischereibehörde wird eine Festlegung verweigert, das macht alles nicht nur für uns ziemlich schwammig“, bedauert Urs Höhne.

Die verschiedenen Zuständigkeiten – die Kommune ist für die von ihr gepachtete Grünanlage, das Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg für den Uferbereich, die Wasserschutzpolizei für den Mainabschnitt bei Eddersheim verantwortlich; außerdem hat die Fischerzunft Frankfurt dem Angelverein Flörsheim die Kontrolle der Angelberechtigungskarten übertragen – machen es für die Interessengemeinschaft nicht einfach, die richtigen Ansprechpartner zu finden.

„Wir fühlen uns hier wie im Zuständigkeits-Niemandsland“, fasst Urs Höhne die Schwierigkeiten zusammen. Ob es allerdings im Interesse der einzelnen zuständigen Stellen ist, offensichtliche Probleme wie in Eddersheim einfach zu ignorieren, ist fraglich – schließlich werden hier Bürger ausgebremst, die bereit sind, Verantwortung für den Erhalt einer öffentlichen Anlage zu tragen und die damit Anlagen schützen, die eigentlich ja in den Verantwortungsbereich der verschiedenen Behörden fallen. In Eddersheim wäre man für Unterstützung dankbar.

Informationen zur IG und zu deren Aktivitäten sind unter www.main-eddersheim.de zu finden.

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