Unter der bewährten Leitung von Ursula und Otto Schwenderling fuhren 39 Teilnehmer mit dem Bus zunächst nach Alzey. Hier warteten bereits zwei Stadtführerinnen, die ihre Heimatstadt den Hochheimern näherbringen wollten. Und Alzey hatte tatsächlich mehr zu bieten als viele Teilnehmer dachten.
Vom Treffpunkt am Marktplatz ging man zunächst zum Denkmal von Georg Scheu. Dem bekannten Rebenzüchter hat der Weinbau nicht nur die nach ihm benannte Scheurebe zu verdanken, sondern auch viele andere Rebsorten, wie zum Beispiel Huxel-, Faber- und Siegerrebe sowie Kanzler oder Würzer. Vom Denkmal zu Ehren Georg Scheus ging es weiter zur ehemaligen lutherischen Kirche, die wegen ihrer im Vergleich zu den anderen Kirchen Alzeys auch „kleine Kirche“ genannt wird. Besonderes Ausstattungsmerkmal der kleinen Kirche ist die Orgel der Hunsrücker Orgelbauerfamilie Stumm aus dem Jahr 1737. Da die Lutheraner keinen Anteil am Kirchenvermögen hatten, mussten sie ihren Kirchenbau über Spenden selbst finanzieren. Heute wird die Erhaltung und Renovierung dieses Kulturdenkmals über den „Förderverein Kulturdenkmal kleine Kirche Alzey“ finanziert.
Vorbei am Hotel am Schloss ging es über einen (ehemaligen) Wassergraben mit Zugbrücke hinauf zum Alzeyer Schloss. Die im 13. Jahrhundert errichtete Burg war die Keimzelle der rheinischen Pfalzgrafschaft. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Burganlage zu einer repräsentativen Schlossanlage ausgebaut und im Pfälzer Erbfolgekrieg stark zerstört. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Ruine in historischem Glanz wieder aufgebaut und wird heute als Amtsgericht und Internat genutzt.
Weiter ging es durch die Gassen der Alzeyer Altstadt bis hin zum Rossmarkt, der zusammen mit dem benachbarten Fischmarkt früher wohl der eigentliche Marktplatz der Stadt gewesen ist. Der Name geht auf den früher hier abgehaltenen Pferdemarkt zurück und wird heute von dem 1985 durch den Neustadter Künstler Gernot Rumpf geschaffenen Rossmarktbrunnen geprägt. Durch die Schlossgasse ging es nun vorbei am mittlerweile privatisierten Weingut der Stadt Alzey. Im gegenüberliegenden Burggrafiat, das heute zahlreiche Fundstücke von Ausgrabungen in und um Alzey beheimatet, wurde den Hochheimer Weinfreunden zum Abschluss der Stadtführung ein kleiner Abschiedstrunk gereicht.
Nach dem Mittagessen im Wonnegauer Landgasthof in Mörstadt ging die Fahrt nach Worms, wo eine Dombesichtigung anstand. Das auf dem höchsten Punkt der Wormser Innenstadt gelegene bedeutends?te Bauwerk der Wormser Romanik ist eng verknüpft mit großen Ereignissen wie etwa der Papstwahl von Leo IX im Jahr 1048 oder dem Reichstag zu Worms im Jahr 1521, auf dem sich Martin Luther vor Kaiser Karl V. verantworten musste. Die Ursprünge des Wormser Doms reichen in die frühchristliche Epoche zurück, er war aber damals erheblich kleiner als heute. Im 11. Jahrhundert wurde der Dom in seinen heutigen Ausmaßen errichtet. Nach der Stadtzerstörung 1689 entstand der barocke Hochaltar von Balthasar Neumann, der zusammen mit der Grablege der Angehörigen des salischen Königshauses den kulturellen Mittelpunkt des Wormser Domes bildet. Zusammen mit Mainz und Speyer stellen die drei romanischen Kaiserdome am nördlichen Oberrhein eine weltweit einmalige Häufung großer kirchlicher Bauwerke dar.
Nach so viel Kultur stand nun der zweite Bestandteil der Aufgaben des Weinfreundeskreises (Wein & Kultur) an. Im Weingut Keth in Offstein warteten bereits Vater und Sohn, um die Hochheimer Weinfreunde mit einem Riesling-Sekt zu begrüßen. Über fünf Generationen betreibt die Familie Weinbau, vor 40 Jahren hat Georg-Jakob Keth die bis dahin mitbetriebene Landwirtschaft aufgegeben und betreibt seitdem ausschließlich Weinbau. Auf mittlerweile 45 Hektar wird das gesamte rheinhessische Rebsortenspektrum und mehr angebaut. Sohn Matthias kümmert sich hierbei um die weißen Rebsorten wie Riesling, Weiß- und Grauburgunder, Chardonnay, Kerner, Muskatteller Scheurebe und natürlich Silvaner, während Vater Georg-Jakob seiner Leidenschaft für Portugieser, Dornfelder, Spätburgunder, Merlot, Saint Laurent und Cabernet Sauvignon nachgeht. Familie Keth führt ihren Betrieb als „gläsernen Betrieb“, das heißt, der Kunde kann jederzeit einen Einblick in An- und Ausbau der Weinproduktion gewinnen. Zu den Prinzipien des Weingutes gehört das frühe Entblättern der Rebstöcke, damit die Beeren im frühen Stadium einen natürlichen Schutz vor Sonnenbrand bilden können, sowie die Klärung des Mostes durch natürliche Sedimentation, d.h. Absetzen des Trubes vor der Filtrierung.
Die Qualität der Keth’schen Weine konnten die Hochheimer Weinfreunde anschließend bei einer ausführlichen Probe von vier Weiß- und fünf Rotweinen prüfen. Viel zu schnell endete dieser Aufenthalt in Offstein, der durch die ausführlichen und kurzweiligen Erläuterungen von Georg-Jakob Keth abgerundet wurde. Aber es stand ja noch der Besuch eines weiteren Weingutes auf dem Programm.
In Osthofen stand zum Abschluss des Tages noch die Besichtigung des Weingutes Karl May im Liebenauer Hof an. Auf 20 Hektar werden von Karl May und seinem Sohn Peter Silvaner, Riesling, Müller-Thurgau, Sauvignon Blanc sowie Weiß- und Grauburgunder angebaut, die roten Rebsorten umfassen Dornfelder, Portugieser, Regent, Spätburgunder sowie Cabernet Sauvignon und Cabernet Rubin. Seit 2007 wird der Betrieb nach ökologischen Prinzipien bewirtschaftet, was den Verzicht auf Herbizide und chemisch-synthetische Mittel im Weinberg bedeutet. Oberste Prämisse des Weingutes beim Weinbau ist „Ruhe bewahren“. Das gilt sowohl für die tägliche Arbeit in Weinberg und Keller als auch bei der Reaktion auf schwierige klimatische Bedingungen.
Diese Ruhe merkt man den Produkten des Weingutes wohltuend an. Seit einigen Jahren werden die Weine nicht mehr unter dem ursprünglichen Namen „Liebenauer Hof“ vermarktet, sondern unter dem Namen des derzeitigen Senior-Chefs. Dies geht auf die Initiative einer Agentur zurück, die empfahl, die Bekanntheit des berühmten Schriftstellers für die Vermarktung der Weine zu nutzen. Konsequent wird diese Schiene auch bei den Weinbezeichnungen genutzt, denn im Weingut Karl May kann man sowohl einen roten als auch einen weißen Blutsbruder erwerben. Auf solche Marketing-Gags ist das Weingut nicht angewiesen, denn auch hier steht die Qualität der Produkte eindeutig im Mittelpunkt, was die Hochheimer Weinfreunde auch hier im Rahmen einer Weinprobe feststellen konnten.
So endete ein ereignisreicher Tag rund um Wein & Kultur in Rheinhessen. Der Weinfreundeskreis Hochheim geht nun in die Sommerpause und freut sich auf die als nächstes anstehende große Exkursion in das Bordeaux.
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