Wohl des Einzelhandels liegt allen am Herzen

Die Situation des Hochheimer Gewerbes war am Dienstag Thema eines gut besuchten Kandidatengesprächs des HGV

Bewerbertalk: Die Bürgermeisterkandidaten (v.l.) Dirk Westedt und Hans Mohr sowie (v.r.) Gerrit Hohmann und Klaus-Peter König sollten sich in der Talkrunde mit den HGV-Vorstandsmitgliedern Werner Mäding und Bettina Thielemann vornehmlich zu den Rahmenbedingungen des Einzelhandels und Gewerbes in Hochheim äußern.?(gus/Fotos: Steinacker)

 

HOCHHEIM (gus) –Die üblichen Parkplatzsorgen, die Attraktivität der Geschäfte und der Fußgängerzone, der allzu kleine Wochenmarkt – und vier Bewerber um den Hochheimer Bürgermeisterjob, die zu diesen Topthemen der Gewerbetreibenden ihre Meinung sagen sollen. Das klingt erst einmal naheliegend, aber nach recht trockener Materie, die der Handwerker- und Gewerbeverein Hochheim (HGV) sich für seinen „Talk im Hof“ zur Bürgermeisterwahl ausgedacht hatte.

 

 

 

Zu der Veranstaltung im Kurfürstensaal des Hochheimer Hofs begrüßte HGV-Chef Werner Mäding am Dienstagabend neben seiner Vorstandskollegin Bettina Thielemann auf den Sitzbänken auf der Bühne alle vier Kandidaten für den Mai. Und das Publikum kam reichlich, die 200 Sitzplätze im Saal reichten bei weitem nicht aus um den Andrang aufzufangen.
Schon bei der Einschätzung der Attraktivität Hochheims für Unternehmensansiedlungen taten sich Unterschiede in den Positionen der Kandidaten auf. CDU-Bewerber und Erster Stadtrat Hans Mohr erntete im Publikum schon bei seiner ersten längeren Einlassung Grummeln, als er Hochheim als Magnet der Wirtschaftstreibenden beschrieb. „Das Gewerbe steht Schlange, die Nachfrage ist groß“, sieht Mohr große Chancen für die Stadt, neue Unternehmen in die Stadt zu holen – wenn die entsprechende Angebote an Flächen machen kann.
Da hat Konkurrent Klaus-Peter König, FDP-Stadtverordneter, aber als unabhängiger Kandidat antretend, eine etwas andere Wahrnehmung, zumindest, was die größeren Unternehmen angeht. „Die Filialketten gehen nicht mehr in Städte unter 100.000 Einwohner, da fallen wir raus“, schilderte er. Er sieht es als Problem für die kleineren Städte wie Hochheim an, dass es ihnen so kaum gelingen wird, eine Einkaufzone zu schaffen, in der die Bürger alle Besorgungen in einem Zug erledigen können. „Die Leute wollen aber ein One-Stop-Shopping“, glaubt König.
Damit widersprach er HGV-Vorstandsmitglied Bettina Thielemann. Eine Kolonnade in einem neuen Gewerbegebiet, wie es König sich vorstellen könnte, „würde zur Verödung der Altstadt beitragen“, ist die Geschäftsfrau überzeugt. Die Sorge der Einzelhändler gilt der Attraktivität der Geschäftsstraßen. Grünen-Kandidat Gerrit Hohmann, der sich durch die Unterstützung der SPD Chancen für die Wahl ausrechnen darf, hält die Einrichtung einer Fußgängerzone im westlichen Abschnitt der Mainzer Straße für sinnvoll, um eine attraktive Einkaufszone auch ohne Einkaufszentrum zu schaffen.
 
Parkplatznot der Anwohner
Wie dies den Einzelhandel stärken soll, kann Dirk Westedt, auch er ein FDP-Mitglied, das unabhängig kandidiert, nicht nachvollziehen. „Sie könnten dadurch nicht mehr verkaufen als bisher“, ist er überzeugt. Er sieht in der Stadt jetzt schon keine bedeutenden Defizite in der Abdeckung der Branchen, „Mir fällt keine Marktlücke ein.“ Maximal ein Drogist würde vermisst, wichtig sei es aber vor allem, dass die Innenstadt für die Kunden befahrbar bleibe und vor allem genügend Kurzzeitparkplätze biete, „dann ist mir vor der Zukunft der Innenstadt nicht bange“. Besonders die Anwohner würden eine Fußgängerzone wohl als Zumutung ansehen, vermutet Mäding. Er beobachtet, dass die vielen Innenhöfe in der Altstadt für manche Dinge genutzt werden , nur nicht zum Abstellen der Fahrzeuge, wie es eigentlich vorgesehen sei. Die Autos stünden nämlich meist auf der Straße und trügen so zur Parkplatznot bei. „Es ist eben heute so, dass jeder über 18 Jahre sein eigenes Fahrzeug hat“, antwortete Mohr – in seiner Familie seien es inzwischen deren fünf, „drei stehen im Hof, zwei draußen“.
Der HGV streute eine Runde ein, in der Mäding die Kandidaten zu den, in ihren Eigendarstellungen genannten Themenschwerpunkten befragte. König hebt dabei die Förderung des Ehrenamtes hervor. „Die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Arbeiten ist da, wir müssen dafür aber eine Plattform schaffen“, sagte er. Ein „Tag des Ehrenamtes“ solle in der Stadt dazu genutzt werden, den Aktiven einmal „danke“ zu sagen.
Das Thema Verschuldung liegt Westedt am Herzen, da er in seiner aktuellen beruflichen Tätigkeit in Kelkheim als Erster Stadtrat die Finanzen der Stadt in Ordnung zu bringen versucht. Offenbar mit einem guten Erfolg, wie Mäding anerkannte. Kelkheim sei aber ein ganzes Stück größer als Hochheim, habe eine kleinere Kernverwaltung und könne daher mit der Verwaltung effektiver arbeiten, erläuterte Westedt den Unterschied.
Die Stadt Kelkheim habe bei ihrem Konsolidierungsprozess bei ihren Gebühren „immer wieder nachgefasst“ und viel gespart. „Trotzdem sind uns die Kosten im Bereich Kinderbetreuung davongelaufen“, schilderte der Kandidat.
Hans Mohr sieht den Weg zur „schwarzen Null“ im Etat über den Zuzug an Neubürgern, nachdem die Gewerbesteuer seit dem Wegzug des besten Steuerzahlers vor zehn Jahren ein kumuliertes Loch von sechs Millionen Euro in die Kasse gerissen habe. „Wir haben aktuell fünf Neubaugebiete, die in der Planung, Entwicklung oder Realisierung sind“, sieht er die Stadt hier schon gut aufgestellt. Er rechnet mit rund 1000 zusätzlichen Bürgern über diese Projekte – weitere dürfen für ihn folgen.
Das Thema Nachhaltigkeit spricht Gerrit Hohmann an, der die gewerblichen Interessen der Stadt damit in Verbindung setzt, indem er die Chancen, die sich durch die nahe Wickerer Deponie ergeben, für die Steigerung der Attraktivität de Hochheimer Gewerbeflächen einsetzen will. „Wir könnten den Unternehmen eine Versorgung mit Fernwärme durch die Deponie und günstig produzierten Strom anbieten“, schlägt Hohmann vor.
Welch ein Wunder, das alle vier Kandidaten auf Nachfrage Mädings die Wirtschaftsförderung als Bürgermeister ganz oben ansiedeln würden in ihrer Arbeit. Manche wollen es zur Chefsache machen, andere jemanden aus der Verwaltungsspitze speziell für den Bereich abstellen. Aber alle sehen sich offen dafür, indirekte Kontakt mit den Gewerbetreibenden zu stehen und sich deren Sorgen anzuhören.
 
Lob für Hallenbad-Genossenschaft
In einer Publikumsrunde kamen Fragen an die Kandidaten aus einer ganz anderen Richtung. So ging es um die Verkehrsanbindung Hochheims, zu der Hohmann die Einführung eines Anrufsammeltaxis nach österreichischem Vorbild anregte. Eine bessere S-Bahn-Anbindung „wird an den Kosten scheitern“, ist er dagegen überzeugt.
Sehr froh sind alle Seiten mit dem seit Jahren gut funktionierenden Betrieb des Hallenbades durch eine Bürgergenossenschaft und einen Förderverein. Die Weiterführung dieses Konstrukts sei über das Ende der Vertragslaufzeit im Jahr 2016 wünschenswert, waren sich alle einig. Klaus-Peter König warnte allerdings vor dem sinkenden Eigenkapital, das sich in den Bilanzen der Genossenschaft abzeichne. „Da müssen wir Hilfestellungen geben, denn die anstehenden Erhaltungsmaßnahmen benötigen Eigenkapital.“ Da inzwischen 22 Schulen aus dem gesamten Umland, auch aus Mainz, das Bad nutzten, sieht Gerrit Hohmann hier Ansatzpunkte um die Finanzierung des Betriebes zu sichern, „da muss man sehen, welche Chancen sich hieraus ergeben“.
Am laut einer Fragestellerin „mickrigen“ Hochheimer Wochenmarkt wird sich seitens der Verwaltung schwer etwas ändern lassen, stellte König klar. „Der Unternehmer entscheidet, ob er einen Markt als attraktiv empfindet.“ Auch Westedt hält es für schwierig, gerade an Samstagen ein attraktives, breites Angebot an Ständen nach Hochheim zu locken, „da muss man auf der Suche nach Anbietern schon in den Westerwald gehen“.
Die vorhandenen Stände reichen für Hans Mohr allerdings durchaus aus, um die Kaufwünsche der Bürger zu bedienen. Hohmann wundert sich, dass Hochheimer Anbieter gar nicht auf dem Markt zu finden seien – er will sie als Bürgermeister ansprechen und überzeugen mitzumachen.
Ähnlicher Tenor beim letzten Thema des Tages: Für das Weinfest wird es durch zurückgehende Besucherzahlen immer schwerer, kostendeckend zu arbeiten. Das sei aber im Gegensatz zum Weinmarkt noch nie so recht gelungen, berichtete Mohr. Der Verlust bewege sich mit sinkender Tendenz im unteren fünfstelligen Bereich. Dies trage die Stadt bisher, weil es ich sich beim Weinfest um die größte Weinbauveranstaltung mit einer gewissen Werbewirkung für die Stadt handele. Einig waren sich die Kandidaten, dass die Stadt angesichts ihrer Schuldenlast versuchen muss, die Veranstaltung aus den roten Zahlen zu bekommen.
 
 
 
 
 
 

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