Pfarrer Rasmus Bertram, der seit Januar 2014 eine halbe Pfarrstelle in Kriftel innehat, wird die Evangelische Auferstehungsgemeinde zum 1. Mai verlassen, um die Stelle als Stadtjugendpfarrer von Frankfurt und Offenbach anzutreten. Wir sprachen mit ihm über seine Pläne.
┘Herr Pfarrer Bertram, bevor wir über Ihre neue Stelle sprechen, würden wir gerne auf die Zeit in Kriftel zurückblicken. Was ist das Besondere an der Auferstehungsgemeinde für Sie?
┘Besonders gut gefällt mir, dass hier ein herzlicher Umgang miteinander herrscht und es fröhlich zugeht. Außerdem schätze ich die große Offenheit für Neues und Ungewöhnliches. Sie erlaubte es mir, dass ich meine in der Jugendkirche sankt peter für Jugendgottesdienste entwickelte Mitmachsoftware sublan.tv, hier in den Gemeindegottesdiensten einsetzen konnte. Durch die konstruktiven Kritiken und Hinweise konnte ich sie schrittweise mit Hilfe meines sublan-Teams zu einer gut nutzbaren Software für Gemeindegottesdienste weiterentwickeln. Der allererste Gemeindegottesdienst, der in Deutschland mit der sublan-Software gefeiert wurde, kam dann aus Kriftel, was ein großes Ereignis war.
┘Gibt es weitere Ereignisse in der Auferstehungsgemeinde, an die Sie besonders gerne zurückdenken?
┘Gerne erinnere ich mich an den Tag, als ich das erste Mal aus dem Gottesdienst herausgegangen bin, um mich für eine Theaterszene umzuziehen und die Leute dachten, mir ginge es nicht gut. Weiter muss ich immer noch schmunzeln, wenn ich an meine Ostermontags-Gottesdienste denke, in denen ich die in Vergessenheit geratene Tradition des Osterlachens wieder aufleben ließ und Witze zum Thema Auferstehung erzähle. Damit habe ich so einige Male schallendes Gelächter hervorgerufen. Weitere schöne Ereignisse waren die Erntedankfeste mit den Kindern und Erzieherinnen unserer Kita Vogelnest. Diese habe ich fast immer aus Sicht eines Gemüses gestaltet und mich dafür entsprechend kostümiert. Besonders originell war mein Outfit als Möhre. Ich denke auch gern an unsere Sommerfeste mit den lustigen Programmen und an unsere neue Jugendgruppe, in der wir zum Beispiel beim Thema „Gott ein Stück näherkommen“ eine Rakete bauten und dann mit einem riesigen Wasserdruck auf dem Feld hochschossen.
Ich muss aber auch an viele Momente in der Sterbebegleitung oder in der Begleitung von Menschen in Notsituationen denken. Die Betroffenen sind mir immer noch sehr nahe.
┘Sie waren in Kriftel auch für die Kita Vogelnest zuständig. Wie sah diese Erfahrung aus?
┘Diese Arbeit war für mich eine Herausforderung, denn Kinder zwischen drei und fünf hatte ich noch nie betreut. Ich musste mich in ihre Welt erst hineinarbeiten. Das tat ich durch wöchentliche Besuche und Spiel mit ihnen. Erst viel später, als Vertrauen aufgebaut war, begann ich ihnen von meinem Glauben und Gott zu erzählen. Inzwischen kennen mich alle und rufen auf der Straße „Hallo Rasmus“, wenn sie mich sehen.
┘Auch die Jugendarbeit war eine Herzensangelegenheit von Ihnen. Was konnten Sie verwirklichen?
┘Das Problem in vielen Gemeinden ist, dass sie nach der Konfirmation erst einmal nichts für Jugendliche anbieten. Schon in meiner Anfangszeit gründeten wir mit neu Konfirmierten einen Jugendtreff. Auf der Suche nach einem geeigneten Raum entdeckten wir, dass unsere Kirche unterkellert war und im Keller vor vielen Jahren schon einmal ein Jugendraum eingerichtet worden war. Er war völlig verstaubt. Aber viele Dinge waren noch intakt, wie beispielsweise der Kicker. Nach einer großen Entstaubungsaktion konnten wir uns hier dann an jedem zweiten Freitag mit Jugendlichen versammeln, Musik hören, Kicker oder Billard spielen und über Gott und die Welt reden.
┘Wie kommt es, dass geplant war, Ihre halbe Stelle in der Auferstehungsgemeinde spätestens 2024 einzusparen und dann nur noch eine volle Pfarrstelle vorzusehen?
┘Die halbe Stelle, also meine Stelle, war zunächst für 5 Jahre ausgelegt, ist dann aber noch einmal verlängert worden. Eine zweite Verlängerung war nicht möglich. Die Evangelische Kirche befindet sich in einem Neustrukturierungsprozess. Bis 2030 müssen dabei Gelder, also auch Stellen, eingespart werden, weil Kirchenaustritte die Arbeit im bisherigen Umfeld nicht mehr refinanzieren.
┘Was müsste die Kirche tun, um die Menschen an sich zu binden?
┘Mir wurde gerade während der Pandemie deutlich, dass wir zu wenig dem Blick Jesu folgen und zu wenig schauen, wer aktuell bedrängt und bedroht wird, um diese Menschen dann zu unterstützen. Oftmals hören wir in der Kirche die gleichen Themen und Meinungen, die wir schon in den 20Uhr-Nachrichten hören. Die Kirche müsste viel öfter im Alltagsgeschehen Grenzen fordern, wo Menschen ihre Kompetenzen überschreiten. Oder auch Grenzen in Frage stellen, wo diese ihrer Meinung nach zu stark eingeengt werden. Sie muss wieder viel stärker als Anwalt und Unterstützerin der jeweils aktuell Schwachen in unserer Gesellschaft auftreten und dabei wahrgenommen werden. Nur so wird sie von der Gesellschaft und ihren Mitgliedern als sinnvolle und wichtige Organisation betrachtet werden, der man gern angehört und deren Arbeit man gern mit seiner Steuer unterstützt.
┘Ab 1. Mai werden Sie das Evangelische Stadtjugendpfarramt in Frankfurt und Offenbach leiten. Dieses ist ein Kompetenzzentrum, das haupt- und ehrenamtlich Tätigen Fortbildungen anbietet, ebenso Kooperationen initiiert und begleitet. Weiter zählt die Koordination Evangelischer Kinder- und Jugendarbeit in den Gemeinden zu den Aufgaben. Was ist konkret Ihre Arbeit?
┘Es ist ein Riesenbereich. Zu meinen Aufgaben wird es gehören, Fortbildungen für Jugendliche und Hauptamtliche zu entwickeln und anzubieten, die beispielsweise einen Jugendkreis aufbauen wollen oder schon unterhalten. Bei der Festlegung der Anzahl der künftigen Gemeindepädagogenstellen und ihrer Verteilung und Anbindung an die Kirchengemeinden werde ich ein Wort mitreden. Ich werde mitüberlegen und mitentscheiden, welche Jugendclubs welche Unterstützung bekommen, wie die Jugendsozialarbeit an den Schulen künftig organisiert wird, wie die Kooperation mit den Pfadfindern, dem Verein für Jugendsozialarbeit und anderer christlicher Vereine noch effektiver gestaltet werden kann. Die Öffentlichkeitsarbeit in der Stadt sowie die Organisation von großen Events, Festivals, Friedensmärschen etc. wird zu meinen Aufgaben gehören. Und natürlich die Kooperation mit den Städten Frankfurt und Offenbach, die Mitarbeit in den Gremien der Kinder- und Jugendarbeit, sowie die Gewinnung von neuen und die Pflege der bisherigen Sponsoren.
┘Glauben Sie, dass Gott Ihnen mit der neuen Stelle eine besondere Aufgabe geben möchte?
┘Ja. Mein ursprünglicher Plan war, mir eine zweite halbe Pfarrstelle in der Umgebung zu suchen, um in Kriftel bis 2024 bleiben zu können. Alle Versuche schlugen fehl. Bei meiner Bewerbung um die Stadtjugendpfarrstelle merkte ich, wie sich Türen auftaten. Da wurde mein Herz angerührt und ich sah, was ich alles werde bewirken können.
┘Sicher wollen sich viele Krifteler persönlich von Ihnen verabschieden, welche Möglichkeiten gibt es, Sie in der nächsten Zeit zu treffen?
┘Mein Verabschiedungsgottesdienst ist am kommenden Sonntag, 27. März, um 14 Uhr. Ich werde von unserem Dekan, Dr. Martin Fedler-Raupp, verabschiedet. Zu dem Gottesdienst kann man unter Beachtung von 3G ohne Voranmeldung erscheinen. Wir gehen davon aus, dass genügend Plätze vorhanden sind. Ab 15.30 Uhr gibt es vor der Kirche ein offenes Stehcafé, zu dem Jeder und Jede gern ebenso vorbeikommen kann, um sich noch von mir zu verabschieden. Weiter bin ich noch den ganzen April in Kriftel, werde noch einige Gottesdienste halten und stehe auch noch zu persönlichen Gesprächen zur Verfügung. Gerne können mich die Krifteler auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren.
┘Was ist Ihr Wunsch für die Menschen in Kriftel?
┘Es wäre schön, wenn der Umstrukturierungsprozess mit Namen EKHN 2030 und das damit verbundene neue Denken in unserer Gemeinde auch gute Veränderungen bringt. Ich wünsche dem neuen Kirchenvorstand, in dem ich viel positive Energie erlebt habe und der vieles anpacken will, dass es ihm gelingt, einen Großteil seiner Ideen und Visionen mit der Gemeinde zu verwirklichen, auf dass es zum Segen für alle Krifteler wird.
┘Die Krifteler Nachrichten möchten sich ganz herzlich für das Gespräch bedanken. Es hat immer Freude gemacht, von Ihren vielen Aktivitäten zu berichten. Für Sie viel Erfolg, Freude und Gottes Segen bei Ihrer neuen Aufgabe.
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