Geschlechtergerechtigkeit ohne Gendersternchen

Krifteler Grüne sehen inkonsequente Anwendung von geschlechtergerechter Sprache seitens der Gemeinde

Zur jüngsten Sitzung der Gemeindevertretung am vergangenen Donnerstag reichte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag zum Thema geschlechtergerechte Sprache ein. Bei geschlechtergerechter Sprache geht es darum, überall dort, wo es möglich ist geschlechtsumfassende Formulierungen zu verwenden, dies auch zu tun - sprich: Nach Möglichkeit sollen alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen werden. Genau hier sehen die Grünen akuten Nachholbedarf. Deshalb haben sie den Gemeindevorstand gebeten, "die Mitarbeitenden der Gemeinde in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache (erneut) zu sensibilisieren", heißt es im Antrag. Geschlechtergerechte Sprache soll sowohl im internen als auch insbesondere im externen Sprachgebrauch konsequent angewendet werden.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung im Mai räumten die Krifteler Grünen auf ihrer Homepage selbst ein Stück weit demütig ein: "Man könnte meinen, dass es in diesen Zeiten gewiss wichtigere Dinge gibt…das ist richtig." Dennoch halte man die konsequente Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache für ein wichtiges Thema. Und gerade auf der Homepage der Gemeinde Kriftel und in Veröffentlichungen sollte dies auch konsequent umgesetzt werden. Es gebe gute Ansätze - aber eben auch noch Nachbesserungsbedarf. "Die vielen verschiedenen Lebensrealitäten und Erfahrungen, die es in unserer Gesellschaft gibt, sollen sich auch in unserer Sprache wiederfinden", heißt es abschließend in der Antragsbegründung.

Krifteler Grünen geht es nicht ums Gendersternchen

Karsten Vischer stellte den Antrag im Rahmen der Sitzung der Gemeindevertretung noch einmal vor. Er verwies auf das Hessische Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (Hessisches Gleichberechtigungsgesetz - HGlG), in dem es heißt: "Rechts- und Verwaltungsvorschriften sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr." Zudem stellte er fest, dass die Frage nach der Umsetzung von geschlechtergerechter Sprache "eine oft polemisch und heftig geführte Debatte" sei. Vischer stellte klar, dass es den Krifteler Grünen nicht um den Einsatz von Gendersternchen oder ähnlichem gehe, sondern um "die Nennung beider Geschlechter im Auftritt der Gemeinde".

Hier greift das Ansinnen der Grünen vielleicht etwas zu kurz, denn seit Ende 2018 bilden Personen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ eine eigene Geschlechtsoption, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Von "beiden" Geschlechtern zu sprechen erscheint deshalb nicht in letzter Konsequenz inklusiv.

In der Gemeinde bereits Praxis

Zunächst ließ sich die Debatte in der Kleinen Schwarzbachhalle zu diesem Thema erfreulich sachlich und nüchtern an. Bürgermeister Christian Seitz stellte fest, dass es seitens der Gemeinde bereits Praxis sei, beide Geschlechter zu nennen. Gendersternchen sind in der Gemeinde nicht im Einsatz, dies hält Seitz auch für richtig, da es hierfür keine richtige rechtliche Grundlage gebe. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeine seien schon angehalten, stets Frauen und Männer zu nennen, betonte der Rathauschef. Fehler bei der Umsetzung seien einfach Versehen geschuldet und zuweilen auch Problemen durch "sprachliche Unhandlichkeit". Aber im Prinzip renne man mit diesem Antrag bereits offene Türen ein, so Seitz.

Auch Gabriele Feist (CDU) stellte wohlwollend fest, dass man hier überhaupt nicht weit voneinander entfernt sei. Sie habe die Homepage der Gemeinde selbst noch einmal aus diesem Blickwinkel überflogen, und dort sei viel guter Wille erkennbar. Sollten trotzdem Fehler auffallen, könnte man diese sammeln und gemeinsam aufarbeiten.

Karsten Vischer unterstrich daraufhin noch einmal das Ansinnen seiner Fraktion: Man wolle niemandem etwas unterstellen und niemanden vorführen, und das sei auch keine moralische Frage. Aber eine inkonsequente Umsetzung sei erkennbar, und es gebe beispielsweise bei Stellenausschreibungen keinen sachlichen Grund, auf die Doppelnennung beider Geschlechter zu verzichten. Solche Fälle sind ihm beim Querlesen der Gemeindehomepage noch zu oft aufgefallen. Sollten jedoch im Anschluss an die Sitzung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die konsequente Umsetzung der im Rathaus bereits bestehenden Vorgaben erinnert und die vorhandenen Mängel beseitigt werden, könne man sich seitens der Grünen auch dem Vorschlag der Union anschließen, den Antrag vorerst als erledigt zu erachten. Damit war eigentlich zwischen der antragstellenden Fraktion und der regierenden CDU schon eine Art Konsens gefunden.

Persönliche Spracherfahrungen

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Krifteler SPD, Clemens Schäfer, legte jedoch Wert darauf, den übrigen Gemeindevertretern noch von seinen persönlichen Erfahrungen mit geschlechtergerechter Sprache zu berichten. Zunächst stellte er - wie es die Grünen selbst auch bereits getan hatten - die Wichtigkeit des Antrags in Frage. Jedoch fand er darauf eine gänzlich andere Antwort: In Reihen der Krifteler Grünen befänden sich schließlich "zwei Lehrkörper", und diese könnten doch ihren Schülerinnen und Schülern das Gendern beibringen. Schäfer führte weiter aus, dass er bei einer Frauenkonferenz schon einmal einen Verweis bekommen habe, weil er von einem "Rednerpult" anstelle von "Redepult" gesprochen hat. Und wenn es neuerdings nicht mehr reichen sollte zu sagen "die Bürger haben am Martinszug teilgenommen", dann müsse man konsequenterweise nicht nur zusätzlich die Bürgerinnen nennen, sondern auch die Jugendlichen, die alten Leute usw. Der Vorstoß sei nun bei der Gemeinde angekommen, diese wird sich darum kümmern - aber dafür wäre aus Sicht von Schäfer kein "Riesenantrag" nötig gewesen.

Die Grünen in Krifteler Parlament machten - bereits während des Redebeitrags von Schäfer hörbar - keinen Hehl daraus, dass sie diese Ausführungen als in hohem Maße unsachlich erachteten. Fraktionsmitglied Sara Morawietz, beruflich als Schulleiterin an der Freiherr-vom-Stein-Schule in Eppstein tätig, wollte daher als "angesprochener Lehrkörper" einige Dinge klarstellen: In der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer werde schon sein vielen Jahren großer Wert darauf gelegt, dass beide Geschlechter genannt werden. Und dieses Ziel wird auch bei der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler konsequent verfolgt. Zudem spiegele Sprache gesellschaftliche Bewusstseins- und Teilhabeprozesse wider. Die Diskussion um die Benennung des Weiblichen kennt Morawietz schon seit 40 Jahren. "Und immer haben sich Männer aufgeregt und gesagt: 'Ihr seid doch mit gemeint!'", schilderte sie ihre eigenen Erfahrungen - aber würden sich wohl auch Männer angesprochen fühlen, wenn ausdrücklich von "Bürgerinnen" die Rede wäre? Deshalb sei die Nennung beider Geschlechter ein wichtiger Beitrag zur Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Und polemische Beiträge, finde ich auch, haben an dieser Stelle nichts zu suchen", so die Schulleiterin.

Antrag erledigt

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank Fichert erinnerte zusammenfassend noch einmal daran, dass es dem Bürgermeister zufolge die gewünschte Anweisung in der Gemeinde bereits gibt und dass man diese den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nochmal mit auf den Weg geben will. Deshalb würde die CDU den Antrag gerne formal als erledigt erachten. "Nicht, weil wir ihn inhaltlich ablehnen, sondern weil er etwas beantragt, was schon gemacht wird", so Dr. Fichert.

Karsten Vischer dankte Dr. Fichert für die sachliche Zusammenfassung, und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Regina Vischer stimmte schließlich dem Vorschlag der CDU zu: Wenn die Verwaltung versichert, dass nochmal auf die konsequente Anwendung von geschlechtergerechter Sprache in der Gemeinde hingewiesen wird, ist der Antrag auch aus Sicht der Grünen erledigt.

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