Heutzutage sprechen wir gerne recht locker über Hexen und zur Faschingszeit gehört in Kriftel der „Hexensturm“ aufs Rathaus dazu. Vor 425 Jahren sah das alles ein bisschen anders aus. Das „finstere Mittelalter“ war zwar vorbei, aber bis weit in den 30-jährigen Krieg hinein trieb der Aberglaube in Europa noch heftig sein Unwesen.
Der ehemalige Krifteler Gemeindearchivar Wilfried Krementz hielt darüber am 10. Oktober auf Wunsch der AWO einen interessanten Vortrag. Er war recht erstaunt, dass sich fast 60 Zuschauerinnen und Zuschauer dazu einfanden.
Per Zufall hatte er entdeckt, dass sich im Staatsarchiv Würzburg einige interessante Akten zu einem Prozess gegen eine Krifteler Hexe befinden. Diese hatte er eingehend studiert und berichtete gerne darüber.
Bippen Merg aus Kriftel war im Jahr 1600 der Hexerei angeklagt. Die Akte trägt die Überschrift: „Prottocoll gütlicher und peynlicher Aussag in Hexerey und zauberisch wesen, so uff beurhteil. Churfl. Mainzischer weltlicher Herren Räthe und unseres gepieterich Hn. Ammptmans beschehn". Nach einem zunächst „gütlichen“ Verhör, bei dem sie alles abstritt, wurde Bippen Merg einem „peinlichen“ Verhör unterzogen. Peinlich im Sinne von Pein verursachend. Genau genommen wurde die arme Frau so zur Decke hochgezogen, dass ihr die Schultern ausgerenkt wurden. Unter diesen Schmerzen war sie bereit, alles zu gestehen. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass sie andere beschuldigte, und auf Berichte über „Teufelsbuhlschaft“ und geschlechtlichen Verkehr mit Dämonen. Die arme Bippen wusste, dass sie nicht mit dem Leben davonkommen würde und gestand, um sich weitere Folter zu ersparen, was von ihr gewünscht wurde. Eine Familie, mit der sie wohl im Streit lag, zog sie dabei besonders mit ins Unglück, indem sie erklärte, diese hätten sie zum Teufelspakt überredet. Sie berichtete von Hexentänzen und Hexenversammlungen und widerrief auch nicht, als man sie von der Decke wieder herabgelassen hatte, sondern beschuldigte noch ein paar weitere Leute. Interessant für das Publikum war, dass einige Namen von Beschuldigten aber auch der Gerichtspersonen noch heute in der Gegend vertreten sind. Der Prozess fand übrigens in Hofheim statt, aus dem ja, wie alle Krifteler immer schon wissen, selten etwas Gutes kommt.
Durch ihr Geständnis hatte Bippen Merg ihr Leben schon verwirkt. Zwar ist in dem Archiv das Urteil nicht aufzufinden, aber die Taten, die sie gestanden hatte, wurden nach der damaligen Rechtsprechung mit dem Tod durch Verbrennen bei lebendigem Leib bestraft. Die Archive vermerken aber noch, dass einigen der durch sie Beschuldigten 1601 ebenfalls Prozesse gemacht und einige hingerichtet wurden. Die Anwesenden waren sehr beeindruckt von dem Vortrag und stellten dem Referenten noch viele Fragen, z.B. zu den Schauplätzen der Hexentänze. Wilfried Krementz erklärte unter anderem noch, dass die Beschuldigungen wegen Hexerei für diejenigen, die sie erhoben, finanziell recht lukrativ sein konnten, wenn z.B. Grundbesitz durch den Tod der „Hexe“ frei wurde. Für seinen so interessanten Vortrag bekam Wilfried Krementz einen großen Applaus des Publikums und ein Weinpräsent der AWO. Beim Hinausgehen stellten die Anwesenden fest, dass wir heute doch in besseren Zeiten leben. Heute gibt es Hexenjagden höchstens noch digital – schlimm genug, aber meistens nicht tödlich.
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