Bereits im Mai 2022 hat das Regierungspräsidium Darmstadt (RP Darmstadt), der Gemeinde mitgeteilt, dass man beabsichtige die Überschwemmungsgebiete für den Schwarzbach in Kriftel neu festzusetzen. Die letzte derartige Festsetzung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre auf dem Buckel, die aktuellen Überschwemmungsgebiete wurden bereits 2010 definiert. Deshalb ließ das Land Hessen nun, vertreten durch das RP Darmstadt, Abteilung Umwelt Wiesbaden, die besagten Überschwemmungsgebiete neu errechnen, und auf Basis dieser neuen Erkenntnisse sollen jene Flächen neu festgelegt werden. Über diesen Vorgang informierte der Erste Beigeordnete Franz Jirasek die Mitglieder des Planungsausschusses in der jüngsten Sitzungsrunde.
Ausdehnung auf Schwarzbachhallen und Gewerbezentrum
Für Kriftel haben die angedachten Veränderungen potenziell gravierende Auswirkungen. Auf Grundlage des letztjährigen Schreibens des RP Darmstadt wurden die online zur Verfügung gestellten Unterlagen und Karten ausgewertet. Dabei hat sich gezeigt, dass sich das Krifteler Überschwemmungsgebiets erheblich vergrößert: Für das gesamte Gemeindegebiet Kriftel erhöht sich dessen Fläche von 168.600 auf stolze 343.700 Quadratmeter - eine Steigerung um enorme 104 Prozent. Kurz: Eine gute Verdoppelung.
Auf der linken Uferseite des Schwarzbachs würden demnach fortan auch die Schwarzbachhallen im Überschwemmungsgebiet liegen. Südlich der S-Bahn-Gleise weiten sich die Flächen des Überschwemmungsgebiets ebenfalls am linken Ufer aus, sodass nun auch die dortigen Gewerbeflächen betroffen sind.
Diese Festsetzungen erfassen nach dem Wasserhaushaltsgesetz mindestens jene Gebiete, in denen ein Hochwasser statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. In festgesetzten Überschwemmungsgebieten sind insbesondere die Errichtung und Erweiterung von baulichen Anlagen und anderen Gegenständen, die den Hochwasserabfluss behindern, verboten. In Ausnahmefällen kann die Obere Wasserbehörde beziehungsweise die Untere Wasserbehörde Anlagen genehmigen.
Die beabsichtigte Festsetzung des Überschwemmungsgebietes und die Offenlegung des Verordnungsentwurfs mit den dazugehörigen Plänen wurden am 20. Januar 2023 in den Krifteler Nachrichten ortsüblich bekanntgemacht, die besagten Dokumente lagen daraufhin in der Zeit vom 27. Januar bis 27. März im Rat-und Bürgerhaus zur Einsicht offen. Nur sehr wenige Bürgerinnen und Bürger haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Einblick in die Pläne genommen, berichtete der Erste Beigeordnete. Festhalten kann man auf jeden Fall: Bestandsschutz besteht für jeden, das heißt für diejenigen Grundbesitzer und Eigentümer, deren Grundstücke neuerdings zum Überschwemmungsgebiet zählen, ändert sich zunächst einmal nichts. Haarig wird es jedoch, sobald ein Gebäude abgerissen werden soll oder andere Veränderungen wie Anbauten gewünscht sind. Dann greifen fortan die gesetzlichen Bedingungen für Überschwemmungsgebiete und man ist im Einzelfall auf eine spezielle Genehmigung angewiesen, sofern denn festgestellt werden kann, dass durch das geplante Bauvorhaben die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions-und zeitgleich ausgeglichen wird; der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert wird; der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt wird sowie eine hochwasserangepasste Ausführung erfolgt oder nachteilige Auswirkungen durch Auflagen oder Bedingungen ausgeglichen werden können. Die Durchführung solcher Bauprojekte wird auf Grundstücken im neu definierten Überschwemmungsgebiet also erheblich komplizierter, sofern überhaupt noch eine Genehmigung hierfür erteilt wird. Innerhalb der Gemeinde ist künftig damit zu rechnen, dass Bauvorhaben in den Überschwemmungsgebieten nur noch mit wasserrechtlichen Ausnahmeanträgen nach Erfüllung aller aufgeführten Kriterien beim RP Darmstadt als Obere Wasserbehörde oder der Unteren Wasserbehörde genehmigt werden können. Dies gilt ebenso für die Ausweisung von neuen Baugebieten.
Die Möglichkeiten für die Gemeinde Kriftel gegen diese Neufestsetzung vorzugehen waren und sind gering. Es müssten fachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsunterlagen ausgemacht werden, die der Neufestsetzung der Überschwemmungsgebiete zugrunde liegen. Dies müsste gegebenenfalls ein fachlich versiertes Ingenieurbüro feststellen, das die Unterlagen beim RP Darmstadt anfordern und entsprechend prüfen kann. Seitens der Gemeinde konnten bei der Überprüfung der zu Verfügung gestellten Unterlagen keine offensichtlichen Verfahrensfehler festgestellt werden. Deshalb wurde auf die intensive Überprüfung der Berechnungsgrundlagen verzichtet.
Eine Stellungnahme wurde jedoch vom Gemeindevorstand fristgerecht an das RP Darmstadt übermittelt. Hierbei wurde zum einen auf die Konsequenzen der Neufestsetzung für die Gemeinde Kriftel aufmerksam gemacht, zum anderen wurde auf die geplanten zentralen Hochwasserschutzmaßnahmen des Abwasserverbands Main-Taunus hingewiesen, die ab Ende 2024 beziehungsweise 2025 realisiert werden sollen. Diese betreffen zwar nicht unmittelbar die Krifteler Gemarkung, werden sich jedoch gegebenenfalls im Hochwasserereignisfall auf diese auswirken.
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