Leserbrief Zu den Haushaltsberatungen

Vor wenigen Wochen wurde ich zum Ehrengemeindevertreter ernannt, da ich knapp 25 Jahre als SPD Fraktionsmitglied die Geschicke der Gemeinde Kriftel im Parlament mitverfolgen und teilweise mitgestalten konnte. In dieser Zeit gab es gute, aber auch weniger erfreuliche Erfahrungen, die mich aber nicht davon abhalten, die letzten Haushaltsberatungen aufmerksam und kritisch zu betrachten. Leider muss ich feststellen: der Haushalt ist so einfallslos wie eh und je. Dass trotzdem alle Fraktionen zugestimmt haben, ist nicht verwunderlich, da die Inhalte des Haushalts weitgehend Konsens sind und zumindest keine neuen Schulden gemacht werden.

Dennoch erlaube ich mir, der Mehrheitsfraktion zu sagen: Anstatt anderen Fraktionen die Herkunft ihrer Anträge vorzuwerfen und ihnen am Ende schulmeisterlich „Zensuren“ zu verteilen, wäre es sinnvoll und für die Entwicklung Kriftels förderlich, einmal die wirklich wichtigen Probleme des Ortes gemeinsam zu betrachten und sich dann konsequent um Lösungen zu bemühen. Nichts gegen Boulderwände, Parkbänke mit Solaranschluss und ähnliche Anträge, aber hat das Thema „Ortsentwicklung in Kriftel“ nicht ein weit dringlicheres Gewicht? Seit Jahren hat die SPD Fraktion dieses Thema angemahnt und die Beteiligung der Bürger dabei eingefordert. Vor drei (!) Jahren wurde endlich beschlossen, ein Konzept erstellen zu lassen, passiert ist aber seither leider noch nichts. Bislang wurde nicht einmal ein Unternehmen gefunden oder gar beauftragt, das den Prozess anstoßen und begleiten soll. Vieles wird jetzt mit der Pandemie entschuldigt, aber was war in den letzten 20 Jahren? War da das Thema Ortsentwicklung für Kriftel nicht wichtig genug, um es anzugehen?

Mich verwundert, wenn Fraktionen heute ernsthaft der Meinung sind, dass das Einkaufen in der Ortsmitte nicht Sache der Gemeinde ist, sondern dass der Markt schon alles regeln wird. Dann ist es auch verständlich, dass an weitsichtigen Konzepten, wie sich Kriftel entwickeln soll, offenbar wenig Interesse besteht. Fatale Auswirkungen hat diese Haltung für die bauliche Entwicklung von Kriftel, die bisher stark durch Bauträger geprägt ist und keineswegs durch Vorgabe einer gemeinsam mit den Bürgern abgestimmten Ortsentwicklung. Wollen und können wir so wirklich den Herausforderungen der Zukunft begegnen? Der Markt regelt alles und die Gemeinde hinkt mit der Infrastruktur recht und schlecht hinterher.

Wann wird das Thema Tempo 30 im gesamten Ortsgebiet einmal gemeinsam mit den Bürgern zur Diskussion gestellt und angegangen? Wann wird in den stark befahrenen Ortsstraßen wirklich einmal ein Radwegenetz mit echten Radwegen geschaffen, die mit den Krifteler Radlern und den Fachbehörden gemeinsam entwickelt und abgestimmt wurden? Die vorhandene wirklich gute Beschilderung alleine reicht nicht. Meiner Auffassung nach muss ein Haushalt die Richtung für wichtige Zukunftsperspektiven erkennbar machen, das gilt ebenso für die langfristige Energieversorgung und Klimaschutz – und genau das vermisse ich hier!

Gerhard Mantel
Kriftel

Durchschnitt: 3 (1 Bewertung)


X