"Seltsam - aber Sicherheit geht vor." Schulbeginn unter ganz besonderen Bedingungen für die Abschlussklassen in Kriftel und Hattersheim

Offene Türen, alle sind in ihren Klassenräumen: Die Weingartenschule in Kriftel am vergangenen Montagvormittag.

Schulbeginn unter ganz besonderen Bedingungen für die Abschlussklassen in Kriftel und Hattersheim

Schon sechs Wochen ohne Schulbesuch lagen hinter den Schülerinnen und Schülern der diesjährigen Abschlussklassen in Hessen, als sie am Montag, den 27. April, erstmals wieder ihre Klassenräume betraten. Sechs Wochen ohne direkten Kontakt zu Mitschülern und Lehrkräften. Solche Zeiträume kennt man sonst nur von den Sommerferien - jedoch nicht rund um Ostern. Eine Pandemie stellt nun mal die Dinge auf den Kopf.

Der Weg zurück zu einem normalen Schulalltag ist noch weit. Corona und sämtliche Maßnahmen, die im Schlepptau des Virus notwendig sind, sind allgegenwärtig und prägen den Schulbesuch, vom Betreten des Gebäudes über den Unterrichtsverlauf bis hin zum Verlassen der Lehrstätte.

Eigentlich hätte der Unterricht am 27. April auch für die vierten Klassen wieder beginnen sollen. Jedoch klagten die Eltern einer hessischen Viertklässlerin vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Vorhaben - und das Gericht stimmte ihnen zu: Die Ungleichbehandlung der Viertklässler gegenüber höheren Jahrgangsstufen sei nicht gerechtfertigt, die in den verbleibenden Wochen des Schuljahres noch zu erbringenden Leistungen seien für die weitere schulische Laufbahn der Schülerinnen und Schüler ohne Bedeutung. Das Kultusministerium verkündete daraufhin, dass die Schulpflicht von Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsstufe der Grundschulen in Hessen weiterhin vorläufig ausgesetzt sei. Dies gelte auch für Sprachheilschulen und Schulen mit den Förderschwerpunkten Sehen und Hören.

Für die Abschlussklassen ging es hingegen wie geplant am 27. April wieder los. Ausnahmen gelten seitdem nur noch für Schülerinnen und Schüler, die bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus einem erhöhten Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs ausgesetzt wären oder die mit Angehörigen einer Risikogruppe in einem Hausstand leben. Wie in diesen speziellen Fällen in Hinblick auf die Abschlussprüfungen verfahren wird, ist noch offen.

Neue Konzepte sind gefragt

In der Krifteler Weingartenschule entwickelte man ein spezielles Konzept für den Unterricht, über das die Schülerinnen, Schüler und Eltern mit Schreiben vom 23. April vorab informiert wurden. Ziel sei es, den Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen innerhalb der kurzen Zeit bis zu den Prüfungen eine optimale Vorbereitung zu ermöglichen und gleichzeitig die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen angesichts der Pandemie zu treffen.

So werden die Schülerinnen und Schüler derzeit ausschließlich in den Hauptfächern unterrichtet (pro Tag in jeweils zwei Fächern) und das mit bis zu fünf Präsenzstunden pro Tag. Die Sicherheitsabstände können natürlich in einem normal bevölkerten Klassenzimmer mit vielleicht 30 Schülern unmöglich eingehalten werden. Deshalb wurden die Klassen in zwei Gruppen aufgeteilt, und jede Gruppe wird in einem großen, gut belüfteten Raum unterrichtet.

Die Zahl der Tische und Stühle pro Klassenzimmer wurde reduziert, maximal 15 Personen dürfen sich gleichzeitig in einem Klassenraum aufhalten. Dabei muss die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern stets gewährleistet sein. Zudem werden die Räume regelmäßig gut durchgelüftet (die Türen der Räume bleiben allesamt geöffnet) und täglich gereinigt. Eine Desinfektion ist jedoch den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und des zuständigen Gesundheitsamtes zufolge nicht erforderlich, heißt es in einem Informationsschreiben des Kreisausschusses des Main-Taunus-Kreises vom 23. April.

Die Abschlussstufen H9 und R10 haben an der Weingartenschule einen gestaffelten Schulbeginn. Die Hauptschüler sind von der ersten bis zur fünften Schulstunde anwesend und haben nach der zweiten Stunde eine große Pause. Bei den Realschülern ist alles um eine Stunde nach hinten versetzt.

Am 27. April sollten sich alle Schülerinnen und Schüler mit Mund-Nasen-Schutz ihrem Stundenplan entsprechend auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang zur Weingartenschule einfinden. Der Platz war mit Markierungskreuzen auf dem Boden versehen, jeder Jugendliche sollte sich auf eines dieser Kreuze stellen - damit war die Wahrung des Mindestabstands gewährleistet. Danach wurden die Schülerinnen und Schüler in Etappen in das Gebäude gelassen und in ihren Klassenraum geführt. Dort müssen sie vorerst stets einzeln nacheinander eintreten, sich die Hände waschen und daraufhin Platz nehmen. Diese Prozedere wiederholt sich nach dem Ende der Pause. Das Verlassen der Unterrichtsräume erfolgt ebenfalls gestaffelt.

Umfassende Hygienekontrolle

Vor dem Unterricht haben Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen der Frühaufsicht einen besonderen Blick darauf, ob die Hygienevorschriften allesamt eingehalten werden. Das gilt natürlich auch für die Pausenaufsicht. Ihre Pausen verbringen die Klassen in getrennten Bereichen. Für die Verteilung der Stundenpläne und die Unterrichtung über den Verhaltenskodex angesichts der Coronavirus-Pandemie sind die Klassenlehrerinnen und -lehrer zuständig.

Gleiche Situation an HBS und KAS

Die Heinrich-Böll-Schule Hattersheim am Main informierte ihre Schülerinnen und Schüler der Klassen 9H und 10R über einen Katalog unbedingt zu beachtender Hinweise, den sie auf ihrer Homepage veröffentlichte. Dort werden die Haupt- und Realschüler unter anderem auch darauf hingewiesen, dass man nur bei pünktlichem Erscheinen am Unterricht teilnehmen darf und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände Pflicht ist. Die Schülerinnen und Schüler dürfen nur eigene Bücher und eigenes Arbeitsmaterial benutzen. Die Abschlussprüfungen für Haupt und Realschule finden in der Woche vom 25. bis 29. Mai statt.

Und auch an der Konrad-Adenauer-Schule (KAS) in Kriftel gelten derzeit besondere Regeln auf dem Schulgelände bezüglich des Verhaltens in der Schule. Bei der Verbreitung dieser Informationen setzt die Schule verstärkt auf Internetplattformen und soziale Netzwerke wie Instagram. Dort wurden vor dem Schulbeginn am 27. April Fotos der Absperrbänder sowie der bunten Zahlen und Pfeile auf dem Boden des Schulhofes und in den Gängen des Schulgebäudes gezeigt und erläutert, damit die Schülerinnen und Schüler bereits im Vorfeld erfahren, was sie dort nach der sechswöchigen Abwesenheit nun mitten während einer Pandemie erwartet.

In der KAS stehen Hinweisschilder, auf denen die Corona-Verhaltensregeln erläutert werden: Bei Erkältungssymptomen soll man das Schulgebäude nicht betreten, man soll auf direktem Weg zum Klassenraum gehen und danach das Schulgebäude umgehend verlassen. Die gekennzeichneten Laufrichtungen in den Fluren und Treppenhäusern sind unbedingt einzuhalten. Ein Mund-Nasen-Schutz soll möglichst getragen werden, das Einhalten der Husten- und Niesetikette wird gefordert, ebenso ein mindestens 20-sekündiges Händewaschen vor und nach dem Unterricht oder Toilettengang.

Es ist schon ein arg komplizierter und strenger Parcours, der den Schülerinnen und Schülern beim Schulbesuch in diesen Tagen abverlangt wird. Aber es wäre unverantwortlich, einen Schulbesuch ohne derartige Regeln und Vorkehrungen durchzuführen.

So beschriebt es die Schule auf ihrem Instagram-Account "kaskriftel" auch selbst im Kommentar zu einem Foto, das fünf mundschutztragende Schülerinnen und Schüler in großem Abstand an Einzeltischen beim Lernen zeigt: "Unterricht in Coronazeiten an der KAS Kriftel. Irgendwie seltsam, aber Sicherheit geht vor."

Ende in Sicht

Die Schülerinnen und Schüler, die jetzt wieder in die Schule gehen, werden dies nicht bis zum Beginn der Sommerferien in Hessen am 6. Juli tun. Sobald die Abschlussarbeiten geschrieben sind, sind die Abschlussklassen für den Rest des Schuljahres vom Unterricht freigestellt.

Andere Kinder und Jugendliche hingegen fragen sich, wann für sie wohl die schulbesuchsfreie Zeit ein Ende hat. Am Dienstag mehrten sich vor dem Redaktionsschluss für diese Ausgabe Presseberichte, denen zufolge am 18. Mai der Unterricht für weitere Klassenstufen in eingeschränkter Form wieder beginnen soll. Eine offizielle Pressemitteilung des Kultusministeriums lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

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