Blau-weiße Lebensart ist fast so spaßig wie Fastnacht

Narrenkäfig veranstaltete mit großem Erfolg zum dritten Mal auf der Klinkerwiese eine „Wiesn“

BISCHOFSHEIM (gus) – Ja, Oktoberfest ist immer auch ein bisschen wie Fastnacht. Zumindest, wenn es abseits der Originalschauplätze rund um die bayrischen Wiesn gefeiert wird. Da kommen zum Brauchtum des Haxenessens schließlich auch kleidungstechnische Herausforderungen wie das Dirndl und die Lederhosn im engeren Wortsinne zum Tragen. Daher liegt es auch nicht allzu fern, dass eine fastnachtliche Korporation wie der Narrenkäfig sich – quasi zur Einstimmung auf die nahende Saison – auch diesem folkloristischen Brauchtum widmet. Am vergangenen Wochenende tobte zum dritten Mal nach 2004 und 2007 auf der Wiese im Klinker ein Oktoberfest auf Narrenkäfig-Art.
Spaß an der Feierkultur, die bei den Oktoberfesten zutage kommt, und die Herausforderung solch eine Veranstaltung zu stemmen motiviere den Narrenkäfig zu dem zweitägigen Fest, erläutert dessen Leitfigur Johannes Bersch. Der Narrenkäfig hat anders als viel größere Vereine trotz begrenzter Mitgliederzahl das Know-how und die personelle Stärke, um solch eine Veranstaltung bewältigen zu können, weil wirklich alle Aktiven bei solchen Herausforderungen mitziehen. Anders ginge es auch gar nicht. „Wir sind ja nur rund 40 Leute, die natürlich stark ausgelastet waren“, berichtet Bersch von der fast komplett in Eigenregie durchgezogenen Veranstaltung, ergänzt lediglich um einige befreundete Kräfte und einen Profi in der Küche.
Hoch gelobt wurden die bayrischen Spezialitäten von Koch Lutz Steppke, „und ohne diese professionelle Unterstützung wäre das auch nicht zu schultern gewesen“, betont Bersch. Und ganz Bischofsheim fühlte sich am Wochenende angesprochen von der Gaudi auf der konkurrenzlos kleinen Wiesn im Klinker, die vom großen Festzelt in der Breite fast gänzlich bedeckt war.
Am Samstag waren die 500 Sitzplätze im Zelt komplett besetzt, am Sonntag immerhin auch zu rund 80 Prozent. Einen gewissen Austausch im Laufe der Stunden eingerechnet, dürfte Bersch mit seiner Vermutung, dass der Narrenkäfig am Wochenende rund 1000 Gäste zählte, eher tief- als hochstapeln. Doppelt erschien auf der Bühne jedenfalls die Hausband des Narrenkäfig. „Plug 'n' Play“ musste an beiden Tagen ran, „durften, die haben die Blasmusik verinnerlicht“, korrigiert Bersch.
Am späteren Samstagabend wurde die Ober-Olmer Kombo von der Partyband „Lifestyle“ abgelöst, die eher die klassische Fetenmusik im Repertoire hat. Beim Frühschoppen am Sonntagmorgen kam der zweite Einsatz für „Plug 'n' Play“, der Nachmittag wurde dem Thema „Kaffee und Kuchen“ entsprechend mit Gitarrenmusik von „Groß & Klein“ begleitet.
Die wilden Tage endeten am Montag mit dem Zeltabbau in Rekordzeit, auch beim Aufbau am Freitag war alles ganz fix gegangen. So hielt sich die Belastung für die Anwohner in engen Grenzen. Dennoch mussten sie einen gewissen fastnachtlichen oder Oktober-Humor aufbringen, spielte sich doch direkt vor ihren Haustüren einen ganzen Abend und einen ganzen Tag lang die weiß-blaue Sause ab.
Ärger gab es mit den Anwohnern dennoch gar nicht, ganz im Gegenteil, berichtet Bersch. „Viele haben sich bedankt, dass durch das Oktoberfest auch im Klinker mal wieder etwas los ist.“ Und die Getränkegutscheine in den Briefkästen waren sicherlich auch hilfreich, um das Verständnis hoch zu halten. „Viele der Anwohner waren natürlich auch im Zelt und haben mitgefeiert.“
Und auch die latente Gefahr, dass die Bischofsheimer Jugend sich am Samstagabend eines Teils des Zeltes bemächtigen könnte, um über das Maß hinaus die Maß zu stemmen, blieb eine Gefahr. Es liefen keinerlei Berichte über alkoholisierte Jugendliche ein. „Das ist alles auffällig gut abgelaufen“, fasst Bersch das zusammen. Der Narrenkäfig hatte aber auch an alles gedacht, selbst eine Kinderbetreuung neben dem Zelt wurde am Sonntag geboten, „damit die Eltern in Ruhe essen konnten“.
Der Bieranstich am Samstagnachmittag lief nicht ganz nach Plan, weil Bürgermeisterin Ulrike Steinbach wegen Erkrankung absagen musste. Der Erste Beigeordnete Dieter Beorchia schwang an ihrer Stelle den Hammer. Auch entfiel der bei der Oktoberfest-Premiere 2004 und bei der ersten Wiederholung 2007 vorangestellte Blasmusik-Umzug durch den Ort mit Einzug auf der Wiese, „den haben wir diesmal unterschlagen, wegrationalisiert“, erläuterte Bersch. Wissen, wo die Grenzen der Belastung der Mitstreiter sind, heißt dies. Das ist auch der Grund, warum der eigentlich locker angedachte, dreijährige Rhythmus der Oktoberfeste voriges Jahr durchbrochen wurde. „Da waren wir ja in der Vorbereitung zu unserer Jubiläumsgala“. Die diesjährige Veranstaltung gehörte immer noch zum Jubiläumsjahr, das schließlich erst mit Beginn der kommenden Kampagne endet.
Oktoberfeste, gibt Johannes Bersch zu, sind auch in unserer Region inzwischen nicht mehr ganz so originell wie einst, „inzwischen ist es ja fast inflationär, was an Oktoberfesten angeboten wird“. Das Premierenjahr auf der Klinkerwiese 2004 war nur ganz zufällig auch das erste Jahr des Mainzer Oktoberfestes in Hechtsheim. Mit solchen wachsenden Veranstaltungen will sich der Narrenkäfig nicht vergleichen. „Wir machen hier ein örtliches Volksfest, und da muss auch die Preispolitik dem Ort angemessen sein.“ Und so war die Maß Bier, wiewohl ein echtes bayrisches Markenprodukt, mit 7,50 Euro für die Maß doch deutlich günstiger zu erhalten als in Mainz oder gar München. In der Oktoberfest-Urstätte waren 2011 bis zu 9,20 Euro zu berappen. Wohl gemerkt, nur für den Inhalt des Literkruges, nicht für den Krug selbst.
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