Am Lokschuppen tut sich etwas

Grundsanierung am historischen Bahngebäude hat mit Abriss des maroden Holzdaches begonnen

 

BISCHOFSHEIM (gus) – Lange ruhte der steinerne Koloss sanft und drohte endgültig zu zerfallen, doch jetzt tut sich etwas. Am historischen Rundlokschuppen hat Käufer Thomas Richter vergangene Woche mit der Runderneuerung des denkmalgeschützten Gebäudes Am Alten Gerauer Weg begonnen. Das marode Dach ist weg, offene Flanken erlauben derzeit Einblicke in das rund 108 Jahre alte Gebäude, wie sie so noch nie möglich waren.
Dass es jetzt mitten im Winter, just mit dem Einbruch der eisigen Temperaturen losgeht, überrascht zunächst. „Ganz einfach, die Firmen haben jetzt Zeit“, begründet Richter, warum die Arbeiten jetzt beginnen mussten. Als er der Bahn das Gebäude im Sommer 2010 abkaufte, hatte der Neu-Isenburger, Inhaber einer Metallbaufirma, es sich etwas einfacher vorgestellt, die nötigen Fachfirmen zu finden, wie er zugibt. „Wenn die Firmen erfahren, es handelt sich um ein Denkmal, das heißt, da ist nichts mit Bagger drin, hört es für die meisten schon auf“, sagt Richter.

 

Allerdings hat Richter sowieso nicht vor, sein Projekt im Schweinsgalopp durchzuziehen. Das ist schon finanziell nicht drin für den Käufer, der auf den rund 1500 Quadratmeter Fläche, die das Tortenstück ergibt, irgendwann einmal selbst wohnen und eine Werkstatt einrichten will. Um den hohen Kosten auch Einnahmen gegenüber zu stellen, wird er rund 600 Quadratmeter vermieten. Gedacht ist an eine Lagerhalle. Richter sucht noch den passenden Interessenten, der nicht viel Lärm macht, auch ansonsten mit den Beschränkungen in einem denkmalgeschützten Gebäude zurechtkommt und keinen hohen Parkplatzbedarf hat, denn für die ist auf dem geringen Areal, das ihm um das Gebäude herum zur Verfügung steht, kein Platz.
„Nur einer, der mit dem Scheckbuch winkt, dürfte mitreden“, stellt Richter klar, dass er sich beim Tempo der Bauarbeiten nichts vorschreiben lassen wird. Richter würde einen strafferen Zeitplan verfolgen, wenn es der Gemeinde ein paar Euro wert gewesen wäre, dass ein Käufer das bahnhistorisch so bedeutende Bauwerk saniert und es künftig pflegt. Immerhin wird er einen Teil seiner privaten 900 Quadratmeter zur Ausstellungsfläche für seine historischen Karussell- und Kinoorgeln nutzen, die er hobbymäßig erwirbt und restauriert und der Öffentlichkeit somit um eine Attraktion bereichern. Doch die Gemeinde kann mangels Geld in der Kasse nichts zugeben, und die Projektleitung der „Sozialen Stadt“ beschied Richter, dass es für private Investoren grundsätzlich keine Mittel aus dem Programm gebe. Damit war für ihn klar, dass es in Bischofsheim immer nur so schnell voran gehen wird mit der Sanierung, wie es seine privaten Finanzen gerade hergeben.
Natürlich bestimmen baufachliche Regeln seinen Zeitplan mit. „Bis zum nächsten Winter muss das neue Dach drauf sein“, ist ihm bewusst, dass die Substanz nicht weiter gefährdet werden darf. 1900 Quadratmeter Holzkonstruktion müssen also spätestens im Herbst auf die Gemäuer drauf. Der Sanierungsaufwand fällt größer aus, als es auf den ersten Blick aussah. Die Wände etwa, außen Sandstein mit einer Backsteinreihe innen dahinter, haben sich teilweise voneinander gelöst. Da wird schon die Reinigung ein Problem.
Der Denkmalschutz des Lokschuppens bezieht sich nur auf die originalen Bauteile anno 1904, und das umfasst im Prinzip nicht mehr als die Außenwand, die Fenster, von denen viele aber aufgrund ihres Zustandes komplett ersetzt werden müssen, und die Metalltore auf der Rückseite. „Die stammen allerdings aus den 50er- und 60er-Jahren und gehören somit nicht zum ursprünglichen Bestand des Lokschuppens“, betont Richter, die Vorgabe zum Erhalt der Tore stellt er aber nicht in Frage.
Alle anderen Elemente, also sämtliche später einmal eingezogenen Zwischenwände und Decken, kommen weg. Die Tore wird Richter nach einer Grundüberholung wieder einsetzen, aber sie werden keine Funktion mehr als Tore haben, sondern nur noch Dekorationsaufgaben übernehmen. Das ergibt sich ziemlich logisch aus den energetischen Werten, die Richter bei diesem Neuaufbau an historischer Stätte genauso einzuhalten hat wie es bei jedem anderen Neubauprojekt der Fall wäre. Hinter den Toren wird daher eine zusätzliche Wand eingezogen, Glaselemente bestimmen dabei im hinteren Teil künftig die Ansicht. Diese Lösung hat Richter mit einem Energieberater zusammen erarbeitet.
Die anstehenden Aufgaben, bis aus der Ruine die erhoffte schmucke Wohn- und Arbeitsstätte entstehen kann – seinen Firmensitz wird Richter allerdings in Neu-Isenburg belassen – sind fast unüberschaubar vielfältig. Richter hat ausgerechnet, dass ein einzelner Glaser angesichts 1700 Scheibenelementen am Gebäude ein Vierteljahr damit beschäftigt wäre, die Fenster mit Kit zu bekleben, wenn er nur 20 Minuten pro Fernster ansetzt. Längst nicht alle der Fenster wird er erhalten.
Nörgeln über die Lage seines exklusiven neuen Wohnsitzes ist Richter übrigens vertraglich verboten: Beim Kauf der ungewöhnlichen Immobilie musste der Käufer der Bahn-Immobilientochter unterschreiben, dass er sich künftig weder über Bahnlärm noch Elektrosmog beschweren werde.

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