Er tobt und wütet wie nie zuvor

Urban Priol füllte wieder einmal das Bischofsheimer Bürgerhaus bis auf den letzten Platz

 

Urban Priol füllte wieder einmal das Bischofsheimer Bürgerhaus bis auf den letzten Platz
BISCHOFSHEIM (gus) – Der Mann ist definitiv ein Besessener. Immerhin 50 Jahre alt ist Urban Priol inzwischen, Zeit also für die ersten Zipperlein, aufkommende Altersmilde und Lust auf einen ruhigen Job. Nicht so bei der Aschaffenburger Rampensau des politischen Kabaretts. Nach zwei Jahren Pause schaute Priol vergangene Woche wieder einmal zum Jahresauftakt im Bischofsheimer Bürgerhaus vorbei, um sein Programm „Wie im Film“ vorzutragen. Und er tobt und zetert wie nie zuvor, mehr als drei Stunden lang als Alleinunterhalter.

 

Statt des Jahresrückblicks „Tilt“, den Priol an der Mainspitze sonst auf Einladung von HoTi-Events präsentierte, gab es diesmal das aktuelle Rundumschlag-Programm zu sehen, in dem er – für einen live-erprobten Mann wie ihn kein Problem – die aktuellsten Skandale und Dämlichkeiten der deutschen Politiker und italienischen Traumschiffkapitäne bereits verarbeitet hat. Und er fühlt sich im Stich gelassen vom Volk, für das er sich schließlich geistig wie körperlich verausgabt – und das durch seine Ignoranz jenseits der tobenden Bürgerhäuser den ganzen Aufwand zu bloßem Zinnober macht.
Es ist das berufsbedingte Leiden des politischen Kabarettisten, das Priol mit einigen ähnlich energischen Kollegen, wie etwa Volker Pispers, besonders stark zu empfinden scheint, und sich auf der Bühne in zahlreichen Verzweiflungsgesten Platz macht. „Ich rege mich gerne mal stellvertretend auf, aber ich brauche doch auch die anderen“, appelliert Priol auch an sein Bischofsheimer Publikum. 
An dem soll’s nicht liegen, aber dass nach all den Jahren aufklärender Programme die „Osttrulla“ immer noch das Land repräsentiert, schmerzt dann doch. Der erste Platz für den Begriff „Dönermorde“ als Unwort des Jahres 2011 findet seine Gnade, aber Angela Merkels Begriff der „marktkonformen Demokratie“ auf Platz drei findet mindestens ebenso seine stirnklopfende Beachtung.
Priol hat auch kein Problem damit offen zu bekennen, dass er die aktuelle, die für ihn unfähigste aller Bundesregierungen, weg haben will. Da setzt er auf Zeit: „Die Union hat in den vergangenen vier Jahren eine Million Stammwähler auf biologischem Weg verloren“, triumphiert er. Allgemein aber scheinen all die Skandale und Skandälchen im Format zu Guttenbergs an resistenten Wesen abzuprallen. „Die kommen aus jedem Skandal gestärkt zurück, wie beim Jo-Jo-Effekt“, klagt Priol.
Der Bundespräsident nimmt natürlich einen breiten Platz im aktualisierten Programm ein, wobei Priol sich nicht entscheiden kann, was er bedenklicher findet: Die Bedienmentalität des Oberhaupts oder die Debatte darum. Natürlich bekommen es auch der Bundesnachrichtendienst und sein Oberherr, „Friedrich“ der ganz kleine“, ab, die Arbeitsministerin „Ich backe Euch noch einen Hefezopf“ Ursula von der Leyen und die Familienministerin, die sich schwängern ließ, um eine Ahnung davon zu gewinnen, worum sich ihr Job eigentlich dreht.
Tiefe Wut treibt den Mann an, aber nicht nur über Politisches im engeren Sinne. Priol beklagt auch die nahende Entweihung einer Jugendikone – des Tatorts. Denn Til Schweiger soll als NDR-Kommissar des Mordes Verdächtige befragen. Das kann Stunden dauern, wenn die immer wieder nachfragen müssen, was der Herr Kommissar gerade genuschelt hat. „In ,Inglorious Basterds‘ hat er drei Sätze und dann wird er erschossen“, gibt er den Drehbuchautoren einen wertvollen Tipp. Der NDR hat wohl andere Vorstellungen über die Zusammenarbeit mit Schweiger.
Vielleicht rührt Priols Wut auch daher, dass die Protagonisten seiner Auftritte ihm als aktuell arbeitenden Wortkünstler die Arbeit unnötig erschweren. „Die Notizen vom Morgen sind am Abend schon wieder überholt“, beklagt er sein Schicksal. „Es lohnt sich ja gar nicht mehr auswendig zu lernen.“ Aber erst nach zwei Weizenbier und über drei Stunden Auftritt kommt Priol zum Ende, springt von der Bühne und signiert an der Seite DVDs, Bücher und andere Eigenproduktionen. Ganz entspannt wirkt er dabei. Einer, der sich beruflich bedingt so dolle aufregt, muss eben die Fähigkeit haben, schnell wieder herunterzukommen von 180 – so könnte er uns noch viele Jahre erhalten bleiben als künftig hoffentlich wieder etwas regelmäßigerer Gast von HoTi-Events. Holger Schneider konnte beim Auftakt ins Jubiläumsjahr wieder einmal volles Haus melden – natürlich bei einem wie Priol.
Bereits drei Tage später war es erneut gerammelt voll in der Stube, als die AC/DC-Coverband „Hole full of Love“ am Samstag vor vollem Haus spielte. Der Auftakt ins Jahr 2012 konnte HoTi kaum besser gelingen.

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