Deponie auf Deponie vor dem Aus RMD informiert Bauausschuss über Planungsstand / Landrat Cyriax spricht sich gegen Erweiterung aus

RMD informiert Bauausschuss über Planungsstand / Landrat Cyriax spricht sich gegen Erweiterung aus

Die Erweiterung der Wickerer Deponie hat nur wenig Fürsprecher. Das hat unter anderem eine Umfrage in Wicker gezeigt, bei der 1.500 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt worden waren, deutlich wurde der Unwillen auch durch eine vom Stadtparlament verabschiedete gemeinsame Resolution. Und auch bei den beiden Bürgerforen in Wicker und Massenheim (wir berichteten) hatte sich klar gezeigt, dass trotz allen Werbens seitens der Rhein-Main Deponiegesellschaft (RMD) die Bevölkerung jedwede Erweiterung ablehnt. Das Misstrauen gegenüber der RMD, die organisatorisch im Umbruch und ein Sanierungsfall ist, sitzt tief.

Letzte Woche Mittwoch waren RMD-Aufsichtsratsvorsitzende Madlen Overdick, ihres Zeichens Kreisbeigeordnete des MTK, und Heino von Winning, Sprecher der RMD-Geschäftsführung, im Ausschuss für Bau-, Verkehrs- und Umweltfragen zu Gast, um über den Planungsstand des Deponiegeländes zu informieren. Dabei hatten die Ausschussmitglieder die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Anmerkungen zu machen. Erste Stadträtin Renate Mohr stellte vorweg fest, dass die Deponieerweiterung von der Stadt kritisch gesehen werde. Gleichwohl sprach sie sich dafür aus, sich auf den von der RMD angestoßenen Beteiligungsprozess einzulassen und die gelieferten Informationen bei der Meinungsbildung zu berücksichtigen.

Madlen Overdick sprach von einem "offenen Prozess mit sehr, sehr früher Bürgerbeteiligung". Da man erst am Anfang stehe, könnten noch nicht alle im Raum stehenden Fragen vollumfänglich beantwortet werden. So liege zwar mittlerweile ein Schreiben aus Wiesbaden vor, dass die Kapazitäten der dortigen Dyckerhoff-Deponie ausreichen würden, um die in Form von Schlacke zu entsorgenden Reste aus der Hausmüllverbrennung des Ballungsraums Frankfurt/Rhein-Main aufnehmen zu können; allerdings sei aktuell noch keine Genehmigung zur Verfüllung erfolgt. Trotz des Signals aus Wiesbaden müsse man weiterhin die "Kapazitäten klären" und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vornehmen, so Overdick.

Von Winning "will's wirklich wissen"

In Sachen Deponieerweiterung sei noch nichts entschieden, die von der RMD erstellten Pläne seien ein "erster Aufschlag" – zu einem Spiel, wenn man in dem von ihr gewählten Bild bleiben möchte, das die neue RMD-Chefin Beate Ibiß, die am 20. April die Geschäftsführung übernehmen wird, fortsetzen soll. "Beate Ibiß ist eine ausgewiesene Expertin im Abfallwesen. Deshalb wurde sie geholt", betonte die Kreisbeigeordnete. Die Tatsache, dass Ibiß bereits andernorts das Konzept "Deponie auf Deponie" realisierte, habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. Die kommende Geschäftsführerin, der im Übrigen Gelegenheit gegeben werden müsse, sich in die Planungen einzuarbeiten, sei auch aufgrund ihrer Schwerpunktsetzung auf Transparenz und bürgernaher Information die richtige Wahl. Überhaupt lege die RMD höchsten Wert auf einen offenen Dialog mit allen Beteiligten, zu denen auch die Kommunalpolitik gehöre, sagte Overdick: "Wir müssen nicht das letzte Mal hier gewesen sein."

Anlass für ein Wiedersehen wäre beispielsweise die Vorstellung der Messergebnisse hinsichtlich des schwarzen Staubs, der von vielen Wickerer Haushalten gemeldet wurde. Die RMD bittet um fünf Staubproben aus Wicker, die von einem unabhängigen Institut untersucht werden sollen. Ob die auf der Deponie abgelagerte Schlacke etwas mit dem Staub zu tun hat, könne aufgrund ihrer besonderen strukturellen Eigenschaften zweifelsfrei ermittelt werden, sagte Heino von Winning. Der Umstand, dass der Staub oft auch als klebrig beschrieben wird, deute für ihn, in Ermangelung klebriger Substanzen auf der Deponie, auf einen anderen Ursprungsort hin. Zwar würden Messungen zeigen, dass die Staubemission der Deponie nur 14 bis 15 Prozent des zulässigen Grenzwertes erreiche, dies bedeute jedoch nicht, dass der in Wicker beobachtete Staub in keinem Zusammenhang mit der Deponie stehe, so von Winning. Eine Analyse des Staubs werde Klarheit bringen. "Ich will's wirklich wissen", versicherte der Sprecher der RMD-Geschäftsführung. Wenn der Staub von der Deponie stammen sollte, müsse entsprechend reagiert werden.

Etwa durch den Einsatz neuer Techniken, die laut von Winning ohnehin eingesetzt werden sollen. Dazu gehören gekapselte Förderbänder, die anstelle der Lkw auf der Deponie eingesetzt werden könnten und für eine deutliche Verringerung der Lärmbelastung sorgen würden. Auch das insgesamt durch den Deponiebetrieb verursachte Verkehrsaufkommen werde sich nicht erhöhen. In den letzten drei Jahren seien, geliefert durch Lkw, 250.000 Tonnen Abfall (Hausmüllschlacke, Bauschutt, Erdaushub) angenommen worden – nach Beschluss der Laufzeitverlängerung würden binnen 20 Jahren 5 Millionen Tonnen geliefert. Der Verkehr dürfe hierbei ausschließlich über den außerhalb von Wicker liegenden Streckenverlauf der B40 gehen. Von Winning bat darum, Zuwiderhandlungen zu fotografieren und der RMD zu melden. Jeder dieser Fälle würde zur Anzeige gebracht.

Hoch soll sie werden

Durch den Ausbau würde die Deponie um 20 Meter in die Höhe wachsen; von der Erweiterung wären etwa 20 Prozent des 18 Hektar großen Geländes betroffen. Gemäß Planung soll durch eine "mulitfunktionale Abdichtung mit zwei Sperrschichten" eine Wanne gebildet werden, in die der Abfall verfüllt wird. "Regenwasser/Sickerwasser wird kontrolliert abgeleitet und gereinigt", heißt es in einem Online-Beitrag des RMD-Infoportals (www.rmd-erweiterung.de). Nach der Verfüllung soll eine Oberflächenabdichtung aufgebracht werden, "die das Sickerwasser drastisch reduziert und den Abfall sicher einschließt". Die RMD zeigt sich von ihren eigenen Planungen, obschon diese nach eigenem Bekunden noch nicht ausgereift sind, überzeugt: "Das Besondere an der Technik Deponie auf Deponie ist die Bauweise, die auch mit weiteren Setzungen im Untergrund (alte Deponie) so fertig wird, dass die Abdichtung nicht undicht wird. Die multifunktionale Abdichtung ist so flexibel, dass sie Setzungen von mehreren Metern ausgleicht. Diese Technik ist auf mehreren deutschen Deponien bereits erfolgreich im Einsatz."

Hoch soll sie werden, die Deponie. Die Ausschussmitglieder nahmen die ihnen aus verschiedenen Blickrichtungen präsentierte Visualisierung der neuen Deponie merklich mit Unbehagen zur Kenntnis. Tobias Ruppert (CDU) wollte wissen, ob es aus Sicht der RMD-Geschäftsführung zwingend eine Erhöhung um 20 Meter geben müsse. "10 Meter könnten gerade so noch gehen, bei 15 Metern bin ich bei Ihnen, bei 20 Metern lohnt sich's so richtig", sagte von Winning mit Blick auf das Kriterium Wirtschaftlichkeit. Damit widersprach von Winning allerdings einer Darstellung der RMD vom 13. Dezember 2019: "Das Konzept der Deponie auf Deponie wird bereits bei einer Höhenbeschränkung von 15 bis 17 Metern unwirtschaftlich, weil die Schutzschichten auf und unter dem neuen Deponiekörper in jedem Falle mindestens 6 Meter betragen", antwortete seinerzeit die RMD auf eine Frage der Bürgerinitiative Massenheim. Offensichtlich gibt es betriebsintern in puncto Wirtschaftlichkeit Klärungsbedarf.

"Irreführende Versprechung"

Laut RMD soll die Planung der Erweiterung derartig geschehen, "dass eine weitere 'Erhöhung' der Deponie aus technisch-physikalischen Gründen ausgeschlossen ist". Die Deponie werde, heißt es in einem Online-Beitrag der RMD, "aber jetzt schon absehbar bis ins Jahr 2075 'genutzt', zum Schluss nur noch, um die Nachsorge des alten Deponiekörpers sicherzustellen (Altlast)". Es sei eine vor seiner Zeit abgegebene, "irreführende Versprechung" gewesen, dass die Deponie bis 2023 verfüllt und damit "fertig" sei, so von Winning im Ausschuss. "Es muss ja noch der Deckel draufgemacht werden. Das müsste teilweise auch mit Abfällen gemacht werden, und zwar nach derzeitigem Stand noch bis 2035", gab der Sprecher der RMD-Geschäftsführung zu bedenken. "Das Konzept Deponie auf Deponie würde das nur um zehn Jahre verlängern, da die Verfüllung parallel laufen kann."

Eine Stilllegung der Deponie sei so oder so erst frühestens 2050 möglich, da bis dahin das Grundwasser gereinigt und das bei der Deponierung entstehende, restliche Gas abgepumpt werden müsse. "Das wurde früher nicht so deutlich gesagt", räumte von Winning ein. Ähnliches gilt übrigens auch für den Anlass der Pläne zur Deponieerweiterung. Dabei soll es sich nämlich gar nicht um die Sanierung der RMD handeln, obwohl jene, wie von Winning anmerkte, durch den Ausbau deutlich leichter und schneller vonstattengehen würde. Auch die bessere Abdichtung der alten Deponie soll sozusagen nur ein Zusatznutzen sein. Vielmehr geht es um die Lösung eines Problems, das unter dem vormaligen Geschäftsführer-Duo Gerd Mehler und Markus Töpfer entstanden war. Seinerzeit waren erhebliche Mengen Schlacke angenommen worden, ohne dass eine entsprechende Genehmigung vorlag. Das hatte bereits die RMD-Aufsichtsratsvorsitzende Madlen Overdick am 27. Februar im Rahmen des Bürgerforums in Massenheim erwähnt (wir berichteten).

Er habe bei seinem Eintritt in die Geschäftsführung am 19. Juni 2018 ein Unternehmen vorgefunden, "in dem illegale Ablagerung vorgenommen worden" sei, sagte von Winning im Ausschuss. Daraufhin habe er sofort mit dem Regierungspräsidium (RP) Kontakt aufgenommen. "Damals trat das RP an mich mit der Idee zur Erweiterung heran", so von Winning. "Prüft nach, ob das nicht eine Lösung für eine Reihe von Problemen sein könnte", sei ihm seitens des RP geraten worden. Mittlerweile sei ein Viertel der illegal abgelagerten Schlacke "korrigert" worden; das heißt: drei Viertel harren noch ihrer ordnungsgemäßen Deponierung.

Die RMD habe also, entgegnete der dfb-Fraktionsvorsitzende Thomas Probst, einen Weg gesucht, um die illegale Ablagerung legal zu machen. "Ich finde das erschreckend", kommentierte Probst. Dessen ungeachtet habe die RMD versprochen, die Deponie ab 2023 in die Stilllegungsphase zu überführen. Durch die Verlängerung der Laufzeit werde dieses Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger gebrochen. Da laut von Winning ein Viertel der illegalen Ablagerung verbaut sei, müssten zumindest die restlichen drei Viertel abgetragen und andernorts, beispielsweise in der Wiesbadener Dyckerhoff-Deponie, entsorgt werden, sagte der dfb-Fraktionsvorsitzende gegenüber dieser Zeitung. In Wiesbaden sei man nämlich, im Gegensatz zu Wicker, schon in der Planungsphase und zudem bereit, die Schlacke anzunehmen.

"Die Politik muss sich an Versprechen halten, wenn sie glaubwürdig bleiben will", mahnte Melanie Ernst. "Man sollte sich nach Alternativen zu Wicker umschauen, die Region ist groß genug." Die Wickerer Deponie habe ihre Zeit hinter sich, die Leute seien nicht dazu bereit, die Belastungen weitere zwei Jahrzehnte hinzunehmen. "Die Kommunen Flörsheim und Hochheim haben's mehr als deutlich gemacht", spielte Ernst auf die Resolutionen der beiden Nachbarstädte an.

"Die ausgestreckte Hand ergreifen"

Noch während der Ausschusssitzung bezog Landrat Michael Cyriax auf der Seite eines sozialen Netzwerks klar Stellung. Gegenüber der Stadtverordneten und Wickerer Ortsbeirätin Luana Schnabel (CDU), die der Ausschusssitzung als Zuschauerin beigewohnt hatte, äußerte Cyriax, dass angesichts der von Wiesbaden angebotenen Kapazitäten kein Versorgungsnotstand drohe. Damit falle aus seiner Sicht eine entscheidende Begründung für eine Deponieerweiterung weg. Das sei auch das Ergebnis eines zuvor mit der Kreisbeigeordneten Madlen Overdick und dem zuständigen Wiesbadener Stadtrat Hans-Martin Kessler geführten Gesprächs gewesen. Dementsprechend habe sich Cyriax auch in der Sitzung des Ausschusses für Eigenbetriebe am 17. Februar positioniert. Die Einschätzung des Landrats sei also nichts Neues, teilte MTK-Pressereferent Dr. Johannes Latsch dieser Zeitung mit.

In seiner Eigenschaft als Landrat und damit Repräsentant eines der beiden Gesellschafter hat Cyriax, auch wenn die Planungen bei der RMD weiterlaufen, klar Stellung bezogen. Er werde nicht zustimmen, „dass die Menschen in der Luftlinie zwischen Wiesbaden und Wicker mit zwei Deponien belastet werden", kündigt Cyriax an. "Es wäre klug, die ausgestreckte Hand von Wiesbaden zu ergreifen. Dann erübrigen sich auch alle weiteren Prüfungen, Diskussionen und Sorgen der Menschen in Flörsheim.“

Der Landrat weist in diesem Zusammenhang auf die Rolle des Kreises der Gesellschafter hin: „Der Kreis trifft letztlich die Entscheidung, ob in Wicker gebaut wird oder nicht. Ich habe als Landrat und damit Vertreter des Kreises diese Beschlüsse vorzubereiten und habe meine Einschätzung deutlich gegeben.“

Nichtsdestotrotz müsse, wie von der Kreisbeigeordneten und RMD-Aufsichtsratsvorsitzenden Madlen Overdick zuletzt im Bauausschuss erklärt, das Wiesbadener Angebot, der Region Deponiekapazitäten zur Verfügung zu stellen, geprüft werden. "Ohne belastbare Aussage hierzu werden sicher keine Genehmigungsunterlagen eingereicht", heißt es seitens des Main-Taunus-Kreises. "Auch braucht es Aussagen zur Wirtschaftlichkeit des Projektes. Zudem gibt es enormen Informationsbedarf bei den Bürgern, dabei geht es auch um Gefährdung der Gesundheit. Es braucht weitere Zeit für Aufklärung, Kommunikation und Dialog."

Das Projekt Deponie auf Deponie steht, sofern wie geplant eine Entscheidung noch vor der Kommunalwahl getroffen wird, angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse vor dem Aus. Landrat Cyriax hat schließlich in Form der Koalition aus CDU, Grünen und FDP die Mehrheit des Kreistages hinter sich. Und die wird sich nicht gegen ihn wenden.

Durchschnitt: 5 (1 Bewertung)


X