An jedes einzelne Schicksal erinnern

Sieben neue Flörsheimer Stolpersteine von Gunter Demnig verlegt

Das EhepaarJulius und Sybilla Metzger kam in Konzentrationslagern zu Tode, die jüngere Generation, Benno, Karoline und Amalie Metzger, verließ frühzeitig das Land.

Flörsheim – Zwingenberg – Edingen-Neckarshausen. Unter drei Stationen an einem Tag macht es Gunter Demnig, der 75-jährige „Erfinder“ der Stolpersteine-Aktion, sehr häufig nicht. Und ein Ende seiner 1996 begonnenen Mission scheint nicht absehbar. An 17 der 30 Tage des Novembers etwa ist der Künstler in Deutschland, den Niederlanden und Belgien unterwegs. Am Montag kehrte der gebürtige Berliner zum dritten Mal nach Flörsheim zurück und verlegte vor drei Häusern insgesamt sieben weitere Stolpersteine.

Der Dauerbrenner hat etwas Umtriebiges, Demnig hat seine Lebensaufgabe gefunden und geht ihr mit seinem Team mit unverändert großem Fleiß nach. Bis zu 700 Steine kann Demnigs Bildhauer Michael Friedrichs-Friedländer im Monat herstellen, das hat schon fast industrielle Züge. Es sollen mittlerweile annähernd 100.000 Stolpersteine existieren. „Die Steine sollen die Namen zurückbringen und an jedes einzelne Schicksal erinnern“, betont Demnig. „Jeder Stein soll per Hand gefertigt und per Hand verlegt werden.“

In 1.265 Kommunen Deutschlands und 21 europäischen Staaten, so benennt es sein Internetauftritt, liegen inzwischen solche Gedenksteine an die Opfer des Nationalsozialismus. Das Engagement des 2017 gegründeten Vereins „Stolpersteine Flörsheim“ hat dafür gesorgt, dass nach nunmehr vier Aktionen auch 23 Flörsheimerinnen und Flörsheimern, die während der Nazizeit deportiert wurden, vor ihren ehemaligen Wohnhäusern mit einem in den Bürgersteig eingelassenen Stein mit Messingbeschlag gedacht wird.

Am Montag arbeitete Demnig die drei Stationen dank seiner großen Routine planmäßig in weniger als zwei Stunden ab, ehe es weiter an die Bergstraße ging. Neu gedacht wird an folgenden Stellen folgenden Bürgerinnen und Bürgern:

  • In der Eisenbahnstraße 56 wohnte einst die Familie Metzger. Julius und Sybilla Metzger wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Sybilla am 16. Juli 1943 ermordet wurde. Julius Metzger, Jahrgang 1875, kam 1944 im KZ Auschwitz ums Leben. Benno und Karoline Metzger gehörten zu den Flörsheimer Jüdinnen und Juden, denen bereits 1939 die Flucht nach Schanghai gelang. Die jüngste, Amalie, ging im selben Jahr nach Großbritannien.
  • Die Albanusstraße 5 war das Zuhause der 1900 geborenen Anna Maria Dörrscheidt, die seit 1936 in Heilanstalten verbrachte, und am 18. April 1941 in Bernburg im Rahmen der „Aktion T4“ ermordet wurde.
  • In der Obermainstraße 7 schließlich verlegte Demnig den Stein für Johann Josef Bachmann, der am 12. April 1943 in die Heilanstalt Hadamar eingewiesen und dort am 11. Mai 1943 ermordet wurde.

Große Reden pflegt Demnig bei seinen Verlegungsaktionen nicht zu schwingen. Für die Informationen zu den Opfern hatte deshalb wieder der mit den Aktivitäten des Stolpersteinvereins schon länger verbundene Schulkurs von Geschichtslehrer Constantin Mussel gesorgt. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 13 des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums, vom Main-Taunus-Kreis in diesem Jahr mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet, hatten die Biografien der Verfolgten recherchiert und trugen sie vor. Auch Bürgermeister Bernd Blisch schaute bei der Aktion vorbei und sprach zu den Beteiligten, musikalisch unterstützte Musiklehrer Bernhard Frank die Verlegung.

Wie „Stolperstein Flörsheim“ mitteilt, sollen 2023 weitere Steine, aber erstmals auch eine „Stolperschwelle“ verlegt werden, mit denen an die im Zweiten Weltkrieg in Flörsheim untergebrachten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Ukraine und Polen hingewiesen wird. Es war der Rüsselsheimer Eisenbearbeitungsbetrieb „Saar“, dessen Arbeiter seit dem 1. April 1943 im „Karthäuser Hof“ untergebracht waren. Dort soll die Stolperschwelle angebracht werden, der Verein sucht für das Projekt noch Spender.

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