Der Gickel überlebt ein Dutzend Attacken

Gute besuchte Weilbacher Kerb - 6091-Vorsitzender Matthias Theis sucht Nachfolger

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Es waren wieder einmal äußerst wilde Tage rund um die Weilbacher Kerb. Die zeigten deutlich auf, dass die Aktiven des veranstaltenden Vereins „Kerbeborsch 6091 Weilbach “ und die Kerbejahrgänge sich ungebrochen eines großen Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein können. In Flörsheim ist Weilbach weiter der Standort mit der am besten funktionierende Kerbetradition, was auch der diesmal 20 Kerbebosch und -mädcher große Kerbejahrgang belegt.

Die Veranstaltungen waren vor allem beim Kerbetanz-Abend am Samstag sowie beim „Gickelschlag“ und der „Hammelversteigerung“ am Montagabend sehr gut besucht. Das angenehme Wetter mag dazu beigetragen habe, dass aber auch der üblicherweise nicht ganz so viel Gedränge auslösende Traditionsabend am Freitag und der Frühschoppen mit Kerbekaffee am Sonntag als zumindest gut besucht durchgehen, so dass die Besucherzahlen die der Vorjahre insgesamt übertroffen haben dürften.

An einem Punkt hatte Vorsitzender Matthias Theis etwas Bedenken, dass es eine negative Reaktion geben könnte, denn „Kerbebeorsch 6091Weilbach“ hatte sich dazu entschlossen, in diesem Jahr die Preise für die Getränke, wie man so schön sagt, anzupassen. 50 Cent mussten die Gäste pro Glas mit Inhalt mehr zahlen als bisher, „das ist aber immer noch sehr günstig, wir haben auch kein negatives Feedback deswegen bekommen“, berichtet Theis.

Auch sonst zeigt sich der 6091-Vorsitzende hochzufrieden mit den diesjährigen Aktivitäten am Haus am Weilbach. Die, wurde im Laufe der vier Festtage bekannt, werden wohl seine letzten in der Verantwortung als Vorsitzender gewesen sein. Der am morgigen Freitag 37 Jahre alt werdende Theis will den Vorsitz nach acht Kerben unter seiner Hauptverantwortung abgeben. Dafür gab es vor allem einen Auslöser: Im Oktober wird der Chef erstmals Vater, alleine Grund genug, den Lebensfokus in Richtung eigener Familie zu verschieben. Für Theis spricht aber auch sein Alter dafür, sich aus der vordersten Linie zurückzuziehen. Die Kerbejahrgänge sind eben inzwischen um nahezu 20 Lebensjahre jünger als er. Schon bei der jüngsten Wiederwahl vor zwei Jahren hatte Theis daher betont, für wie wichtig er es hält, dass der Vorstand jung besetzt bleibt, damit die Altersschere zwischen Verein und aktuellen Kerbejahrgängen sich nicht zu sehr öffnet.

Theis möchte, dass bei der Jahreshauptversammlung im November der Wechsel vollzogen werden kann, dafür braucht er freilich eine geregelte Nachfolge. „Es gab Gespräche und Verhandlungen, es haben sich potenzielle Kandidaten herausgebildet, die von sich sagen, dass sie Lust auf die Aufgabe hätten – aber sie zögern noch", schildert er die Lage und sieht gute Chancen, eine Regelung zu finden. „Es werden nach der Kerb ein paar Besprechungsrunden folgen.“

Es ist schon klar: „Vorsitzender zu sein, das bedeutet eine Menge Arbeit, die einem keiner zahlt, man hat einen Haufen Verantwortung und haftet am Ende mit seinem Privatvermögen“, zählt Theis auf, was alles gegen die Funktion spricht, so ehrlich will er dann schon sein.

So ein Moment, an dem es in dem Sinne kritisch wurde, war am Samstagvormittag beim Stellen des Kerbebaumes erreicht. „Das wurde zu einer echten Herausforderung“, sagt Theis. Das hatte damit zu tun, dass schon die morgendliche Expedition des Kerbejahrgangs in den Wald zum Schlagen des vorher sorgfältig ausgewählten Exemplars ganz und gar nicht nach Plan verlief. „Der Baum ist beim Fällen gebrochen“, erläutert der Vorsitzende.

Der ausgeguckte Ersatzbaum sei nicht nur „relativ dünn“ gewesen, er habe auch eine Drehung im Stamm und eine verhältnismäßig buschige Krone. Beim Aufstellen am Haus am Weilbach musste die Freiwillige Feuerwehr mit ihrem Steiger Hilfestellung geben, weil der des Vereins defekt war. Die Fachleute zeigten sich wenig begeistert von der Idee, das dürre Bäumchen mit der mächtigen Krone ohne weitere Sicherung zu stellen. „Die große Krone bedeutete natürlich viel Gewicht, wir mussten feststellen, dass der Baum ganz schön im Wind tanzte“, erläutert Theis das Problem. „Also haben wir ihn wieder runtergeholt, zwei Meter abgeschnitten und die halbe Krone rausgenommen – dann stand er zum Glück fest.“

Die ganze Aktion dauerte unweigerlich deutlich länger als geplant, so musste der Bühnenaufbauer warten, bis er endlich zum Zuge kam, um der Abendkombo „Eine Band namens Wanda“ den Aufbau zu stellen, so dass wiederum auch die Bandtechnik erst verspätet aufgebaut werden konnte, „die mussten dann Gas geben“. Dafür wurde in diesem Jahr die Kerbepuppe von fiesen Angriffen verschont, sie machte es sich noch am Montagabend auf halber Höhe zwischen Kranz und Krone gemütlich.

Am Samstagabend bekamen die Besucher von den Schwierigkeiten des Mittags nichts mit. Nach dem erfolgreichen Fassbieranstich mit Bürgermeister Bernd Blisch war die Kerb offiziell eröffnet. „Auf dem Platz war es so voll, dass nichts mehr ging, wir waren am Limit“, betont Theis, wie der Kerbetanz und die Livemusik die Massen anzog.

Aber auch der üblicherweise deutlich ruhigere, diesmal allerdings durch einen Tanzmob (siehe Bericht) aufgemischte Traditionsabend mit Handkäs und Alleinunterhalter Tobi Bartel am Tag zuvor findet jedes Jahr sein Publikum, eben ein etwas anderes als am wilden Samstag. „Jeder Tag der Kerb hat so seine Eigenheiten“, sagt Theis. Ruhiger ist auch der Sonntag mit dem ins Mittagessen übergehenden Frühschoppen, dem der Kerbekaffee folgt. Dieser hatte am Sonntag wie immer eine besondere Funktion. Die Einnahmen aus Kaffee und Kuchen gehen seit vielen Jahren an den Verein „Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt“.

Theis überreichte am Montagabend kurz vor dem Gickelschlag an Verantwortliche des Vereins wieder einen symbolischen Scheck, dessen Betrag sich nicht nur aus dieser Quelle nährt. Aufgestockt aus der Kasse von Weilbach 6091 zu einem glatten Betrag, waren diesmal 1500 Euro zusammengekommen. Die anschließende Gaudi des Gickelschlags wurde danach ungeplant zu einer sehr langwierigen Angelegenheit. Moderator Marcus Reif und Theis hatten sich auf eine Liste Kandidaten geeinigt, die die Ehre bekommen sollten, mit verbundenen Augen drei Schläge mit dem Dreschflegel in Richtung eines abgelegten Bembels auszuführen, um ihn zu zerschlagen.

Weilbach 6091 möchte die Tradition dazu nützen, Jubilare der Kerbejahrgänge und verdiente Unterstützer aus der Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes einmal in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei wissen die ersten Kandidaten ganz genau, dass sie keine Chance habe den ausgelobten Wanderpokal mit nach Hause zu nehmen, denn der Bembel wird nach dem der Orientierung dienenden Kratzen auf dem Boden entfernt.

Ungefähr ab dem vierten Kandidaten wird es in der Regel ernst, der Bembel bleibt liegen, das Publikum kann ihm durch Richtungsanweisungen helfen – oder auch gezielt fehlleiten. Jedenfalls ergab sich in diesem Jahr das Problem, dass die Liste abgearbeitet war und niemand Anstalten machte, den Bembel zu treffen. Nach einem Dutzend Gescheiterten erbarmte sich Pascal Schäfer und bereitete dem Schauspiel als dreizehnter Bembeljäger unter dem Jubel des Publikums ein Ende.

Titelträger 2024, Ortsvorsteher Thomas Schmidt, überreichte den Pokal mit stilisiertem Gickel an seinen Nachfolger. Es gibt übrigens nachvollziehbare Gründe, warum manche die Ehre des Schlagens annehmen, aber nicht viel Wert darauf legen zu treffen, denn Teil des Deals ist es, am Vorabend des Kerbebeginns den aktuellen Kerbejahrgang zu einem Essen einzuladen. Aber spendabel zu sein gehört zu einem gewissen Maße zum Aktivendasein in der Kerb dazu.

Den Auftakt durfte Heinz-Josef Theis machen, der vor 50 Jahren als Kerbeborsch aktiv war. Aber er, Bernd Jäger, Sven Press, Ralf Fasel, Andreas Dörhöfer. Nils Dietrich, Thomas Remsperger, Hendrik Schmidt sowie selbst Matthias Theis und Marcus Reif schafften nicht, was Schäfer dann mit einem eindrucksvollen Volltreffer demonstrierte. Er verwandelte das Tonwerk in ein Splittermeer, das freilich schnell wieder beseitigt wurde. Denn nach der Übergabe des Gickelpokals wurden auf dem Platz die Tische und Bänke zurückgestellt und für Schäfer ein Podest aus Paletten gebaut.

Nicht für die Siegerehrung, eine zentrale Funktion Schäfers für die Kerbeborsch 6091 Weilbach ist vielmehr die des Auktionators beim nächsten Höhepunkt der Weilbacher Kerb, der Hammelversteigerung. Einsatz für den nächsten Bembel, denn aus dem schaut ein Plüschtier heraus. Diese Kombi und nicht etwa wie früher ein echtes Schaf, mit dem die Gewinner in der Regel nichts Vernünftiges anzufangen wussten, gibt es seit wenigen Jahren bei der Versteigerung zu gewinnen. Dieses Downgrading beim materiellen Wert des Preises hat der Spendierlust der Mitbietenden überhaupt nicht geschadet. Schäfer gab den Zuschlag in diesem Jahr bei stattlichen 2200 Euro, die die Aktivitäten des Vereins zu finanzieren helfen.

„Früher waren es lange eher um die 150 Euro, die bei der Versteigerung eingenommen wurden, vor zwölf, dreizehn Jahren ist das dreistellig geworden“, erinnert sich Theis an „billigere“ Jahre für die Bietenden, wobei vor allem einzelne, höhere Beträge für große Sprünge bei der Gebotshöhe sorgen. Das zeigt, dass die Mitbietenden verstehen, dass es nicht um den Zuschlag als Gewinner geht, der sowieso nicht an den Höchstbietenden, sondern den letzten Einzahler geht, sondern um das Füllen der Mützen.

Am Dienstag durfte die Abschlusszeremonie, die von einem Fackelzug begleitete „Kerbeverbrennung“, nicht fehlen, gefolgt von einem gemeinsamen Essen. Nennenswerte Probleme während der Kerb, wie alkoholbedingte Aussetzer oder Raufereien, sind Theis dieses Jahr nicht zu Ohren gekommen. Für ihn ein guter Abschluss seiner Zeit als Vorsitzender, zumal er davon ausgehen kann, dass sich die zuletzt erreichte Stabilität der Kerbejahrgänge auch in den nächsten Jahren auf gutem Level fortsetzen wird. „Es waren in den Jahren zwischen fünf und 26 Aktiven, da gibt es eine natürliche Schwankung“, fasst Theis zusammen. Mehr Interessierte zu gewinnen, sei zwar vom Verein auch über das Nutzen sozialer Medien versucht worden, „aber es geht hier nicht um eine Werbekampagne. Was funktioniert hat, war eine Mund-zu-Mund-Propaganda“, betont der Vorsitzende. Einmal im Jahr lädt Kerbeborsch 6091 Weilbach daher zu einem offenen Aktiventreffen ein, bei dem Interessierte ganz unverfänglich testen können, wie gut es ihnen im Kreise der Kerbeenthusiasten gefällt.

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