Schnelles Geld ohne strukturelle Veränderungen

Flörsheim erhält über 671.000 Euro Soforthilfe vom Land - CDU und GALF fordern Reformen

"Stoot hier je koop", wie hier auf einem Aufkleber in der Bahnhofsunterführung entdeckt, fordert nicht etwa dazu auf, sich an der Deckenlampe den Kopf zu stoßen. "Steigern Sie Ihre Kaufbereitschaft" heißt es aus dem Niederländischen übersetzt. Durch die fehlende wirtschaftliche Prosperität der vergangenen Jahren fehlen der öffentlichen Hand massiv Steuereinnahmen. Die hessischen Kommunen bekommen vom Land nun Zuschüsse, um Defizite abzumildern.
"Stoot hier je koop", wie hier auf einem Aufkleber in der Bahnhofsunterführung entdeckt, fordert nicht etwa dazu auf, sich an der Deckenlampe den Kopf zu stoßen. "Steigern Sie Ihre Kaufbereitschaft" heißt es aus dem Niederländischen übersetzt. Durch die fehlende wirtschaftliche Prosperität der vergangenen Jahren fehlen der öffentlichen Hand massiv Steuereinnahmen. Die hessischen Kommunen bekommen vom Land nun Zuschüsse, um Defizite abzumildern.

gus

Das Murren aus den Kommunen war nicht mehr zu überhören. Weil sich ihre Repräsentanten parteiübergreifend und bei verschiedensten Mehrheitskonstellationen an die Landesregierungen sowie an den Bund richteten, legte letzterer im September das 500 Milliarden schwere „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität“ vor, von denen 100 Milliarden Euro den Ländern und Kommunen, auf zwölf Jahre verteilt, für Projekte zur Verfügung stehen. Zudem wurde den Bundesländern, die eigentlich seit 2020 nur noch ausgeglichene Haushalte beschließen, sprich, keine zusätzlichen Schulden mehr machen durften, die Schuldenbremse gelockert.

Sie dürfen nun, wie bisher schon der Bund, Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Das eröffnete den Ländern ein Verschuldungsvolumen von insgesamt rund 15 Milliarden Euro. Am 17. Oktober stimmte auch der Bundesrat der Regelung zu. Nun nutzt das Land Hessen seine neuen Möglichkeiten. Im vergangene Woche beschlossenen Nachtragshaushalt 2025 „nimmt die Landesregierung den neu gewonnenen Spielraum in Anspruch“, verkündete nun das Hessische Finanzministerium. Anlass sei die „angespannte Lage aller öffentlichen Haushalte in Folge des jahrelang ausbleibenden Wirtschaftswachstums in Deutschland“.

Mit dem Nachtragshaushalt nimmt das Land Hessen für 2025 noch 1,115 Milliarden Euro zusätzliche Schulden auf. „Die Neuverschuldung 2025 steigt damit auf 1,785 Milliarden Euro, da ohnehin bereits 670 Millionen Euro im Haushalt 2025 vorgesehen waren“, erläuterte das Ministerium. Von diesen 1,115 Milliarden Euro fließen 300 Millionen Euro in eine Soforthilfe für die Kommunen – das heißt, sind geflossen, denn es ist für die Kreise und Kommunen bereits verfügbar, ohne jede Zweckbindung. Die Soforthilfe richte sich „insbesondere an finanzschwache Kommunen, die bei der Finanzierung ihrer Aufgaben zusätzlich unterstützt werden sollen“, betonte das Haus von Finanzminister Alexander Lorz (CDU).

Mittel für Kreis und die Kommunen

In den Main-Taunus-Kreis fließen insgesamt 11.453.693 Euro. Das sind 3,8 Prozent aller Mittel, was exakt dem Bevölkerungsanteil des Landkreises im Bundesland entspricht. 5.016.542 Euro erhält dabei die Kreisverwaltung, 6.437.151 Euro erhalten die zwölf Kommunen. Hier allerdings nicht strikt nach dem Bevölkerungsanteil, finanzschwächere Kommunen werden dabei auch besonders berücksichtigt. Davon profitiert in diesem Jahr nach der negativen Haushaltsentwickung unter anderem Flörsheim, das 670.698 Euro erhalten hat - 10,41 Prozent der Mittel für die Kommune bei 8,9 Prozent Bevölkerungsanteil.

Der Betrag gleicht ungefähr das im Sommer verkündete Defizit von 500.000 Euro erwartender Mindereinnahmen bei den Gewerbesteuereinnahmen aus und ein wenig mehr, aber nicht das komplette Jahresdefizit. Die Zeiten werden für die Kommunen damit sicher spürbar besser, aber das Grundproblem der defizitären Haushalte lässt sich über ausgesetzte Schuldenbremsen und daraus gespeiste Finanzhilfen nicht grundsätzlich lösen.

Koalition legt Antrag vor

Für die kommende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (Donnerstag, 27.) haben die Mehrheitsfraktionen CDU und GALF nun einen gemeinsamen Antrag vorgelegt, der „die Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes“ erreichen will. Der schreibt den Kommunen das Recht zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Das umfasse auch „die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“. Gemeint ist damit allerdings vor allem das Recht der Kommunen, die Hebesätze für den Einkommenssteueranteil und die Gewerbesteuer festzulegen.

Die Stadtverordnetenversammlung soll laut Rathaus-Koalition an „alle im Bund und dem Land Hessen Verantwortung Tragenden“ appellieren, den Städten und Gemeinden künftig wieder eine finanzielle Ausstattung zur Verfügung zu stellen, die ausreiche, um die „verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung mit Leben zu erfüllen“.

Sachstand der Bemühungen des Landes zur Unterstützung der Kommunen war bei der Ausformulierung des Antrags das im Juli vorgestellte „Zukunftspaket Kommunen“, bei dem Land und Kommunale Spitzenverbände Gespräche darüber aufnahmen, wie durch weniger Bürokratie und Standards dauerhaft Entlastung für die Kommunen entstehen könne und wie die Umsetzung des Investitionsprogramms des Bundes geregelt werden soll.

Dies sei ein „erster, aber bei weitem nicht ausreichender Schritt zur Wiederherstellung der finanziellen Grundlagen für eine kommunale Selbstverwaltung“, heißt es im Antrag. Die Stadtverordnetenversammlung soll Bund und Land auffordern, das Konnexitätsprinzip, wie es im Grundgesetzartikel 104 a festgehalten ist, „nachhaltig einzuhalten“. Weil gerade der letzte Punkt durch die Finanzpakete nicht angepackt wird, dürfte die Flörsheimer Mehrheit den Antrag trotz der Hilfen aufrechterhalten.

In der Begründung des Antrags werden die Gründe für die Geldprobleme der Kommunen noch einmal aufgeführt, so die Verstöße gegen das Konnexitätsprinzips durch die Übertragung von immer mehr Aufgaben durch Bund und Länder ohne auskömmliche Gegenfinanzierung sowie sinkende Zuweisungen. „Eine verlässliche Haushaltspolitik ist unter diesen Rahmenbedingungen kaum mehr möglich. Selbst dringend notwendige kommunale Investitionen geraten zunehmend unter Druck und müssen zurückgestellt werden“, betont die Koalition.

Eine massive Erhöhung der Grundsteuer B könne keine nachhaltige Lösung für das Problem sein. Einziger Weg, die Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederherzustellen sei eine „strukturelle Reform der Gemeindefinanzen unter Einschluss des Kommunalen Finanzausgleichs, eine faire Aufgabenverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen sowie eine ausreichende Beteiligung an Bundes- und Landesmitteln“.

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